Gleichheit und Ungleichheit in der Volksrepublik Polen

Eine Untersuchung auf der Basis zeitgenössischer Meinungsumfragen

Anmerkungen

Soziale Ungleichheit wurde in Polen erst nach der Wende zu einem in der Öffentlichkeit umstrittenen Thema, als Wirtschaftsreform und Massenarbeitslosigkeit dazu führten, dass die Bürger in den Städten Suppenküchen für Arme und Neureiche in Luxuslimousinen gleichzeitig beobachten konnten. Ungleichheit hatte es in begrenztem Umfang auch in der Volksrepublik gegeben, doch sorgten die Behörden meist dafür, dass weder extreme Armut noch Reichtum öffentlich sichtbar wurden. Selbst wer es zu Wohlstand gebracht hatte, hielt sich zurück. Nach der Wende wurde soziale Gerechtigkeit dann zu einem der am heftigsten umstrittenen Themen, das sowohl populistische Rechtsparteien als auch postkommunistische Politiker der Linken für sich nutzten. Dabei behaupteten sie stets, die entstandene Ungleichheit sei ein Verrat an den Idealen der Solidarność-Bewegung, die weder von den Teilnehmern am „Runden Tisch“ noch von den Wählern, die im Juni 1989 der demokratischen Opposition an die Macht verholfen hatten, so gewollt gewesen sei. Daran ist richtig, dass Neid auf „Privatunternehmer“1 in der Volksrepublik eine ebenso häufige gesellschaftliche Erscheinung gewesen war wie die Ablehnung von privaten Händlern, denen man vorwarf, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern. Andererseits hatte es auch zahlreiche Netzwerke gegeben, durch die landwirtschaftliche Produkte von Bauern unter Umgehung der Lebensmittelkontrolle und der Steuerbehörden an Abnehmer in den Städten gelangten.2 Die Haltung zu Privatwirtschaft, Privateigentum und Einkommensunterschieden war von einer starken Ambivalenz geprägt: Was man im Großen und Ganzen aus prinzipiellen Gründen ablehnte, das tat man doch im privaten Umfeld, wenn es Vorteile brachte. Was im Familien- und Freundeskreis als Selbstverständlichkeit galt, wurde abgelehnt, sobald es andere taten und man selbst keinen Vorteil davon hatte. Wie sich diese Haltungen aber gesamtgesellschaftlich zueinander verhielten, war stets umstritten und ist im Nachhinein nur schwer festzustellen.

Einen Zugang dazu bieten Umfragen, die zwischen 1959 und 1989 mit wechselnder Intensität von polnischen Soziologen gemacht wurden. Zuerst wurden solche Meinungsumfragen von einem Büro durchgeführt, das zum Staatlichen Radio- und Fernsehkomitee gehörte, das aber bald schon zu einer Art Umfrageinstitut anwuchs und über 100 Umfragen jährlich organisierte (Ośrodek Badania Opinii Publicznej, OBOP). Nach der Einführung des Kriegszustands erhielt es Konkurrenz in Gestalt des „Zentrums zur Erforschung der gesellschaftlichen Meinung“ (Centrum Badań Opinii Społecznej, CBOS), das von einem Vertrauten General Jaruzelskis gegründet wurde, dem höheren Armeeoffizier Stanisław Kwiatkowski. Es beschäftigte sich in erster Linie mit Schwankungen der gesellschaftlichen Stimmung und Prognosen der Wahlbeteiligung in den 1980er-Jahren.3

Im vorliegenden Beitrag gebe ich zunächst einen knappen Überblick zur Meinungsforschung in Polen vor 1989, der es erleichtern soll, die in den weiteren Kapiteln ausgewerteten Umfragen zur Perzeption sozialer Ungleichheit besser in den Kontext einzuordnen. Dabei ist auch auf die Glaubwürdigkeit von unter Zensurbedingungen erstellten und ausgewerteten Umfragen einzugehen. Darauf aufbauend analysiere ich Umfragen aus den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren. Welchen Aufschluss liefern sie darüber, wie sehr die soziale Ungleichheit zur Delegitimierung der politischen und sozialen Ordnung der Volksrepublik beigetragen hat?

2

1. Meinungsforschung in Polen vor 1989
 

Unter dem Namen „Zentrum für Meinungsforschung“ existierte OBOP bis zu seiner Privatisierung am Ende der 1990er-Jahre. Seine Mitarbeiter führten hunderte, wenn nicht tausende von Umfragen durch,4 darunter über scheinbar so unpolitische Angelegenheiten wie Konsumentenverhalten, Generationskonflikte, die Popularität von Radioprogrammen, aber auch über die Einstellung der Bevölkerung zu den Supermächten, zu ethnischen Minderheiten und zu den Ergebnissen von Parteitagen. Nirgendwo im Ostblock wurde derart umfangreich und weitreichend die öffentliche Meinung erforscht.

OBOP, das seine Umfragen in der poststalinistischen Tauwetterperiode begann, rekrutierte sein festes Personal aus jungen Sozialwissenschaftlern, die der antistalinistischen, revisionistischen Protestbewegung der 1950er-Jahre angehörten und die Arbeiterproteste und intellektuellen Freiheiten als Chancen für einen toleranteren, weltoffeneren und insgesamt humaneren Sozialismus begriffen. In dieser Periode nach Gomułkas Rückkehr an die Macht (1956) schrieben sich viele Menschen ihre Frustration aus der stalinistischen Zeit von der Seele und artikulierten ihre Hoffnungen etwa in Leserbriefen. Bald begannen zwei Abteilungen – eine, die sich mit Leserbriefen befasste, und eine, die das Rundfunkprogramm evaluieren sollte – mit eigenen Forschungen. Zuerst basierten diese auf den Leserbriefen, dann startete man mit Meinungsumfragen.5

Das politische Klima verschlechterte sich für OBOP gegen Mitte der 1960er-Jahre. Die Zensur wurde unnachsichtiger; Dinge, die Ende der 1950er-Jahre noch ohne Probleme erscheinen konnten, wurden nun blockiert. Die Soziologen beschränkten sich so immer mehr auf Untersuchungen über die Beliebtheit von Radio- und Fernsehsendungen und verzichteten auf potentiell kontroverse Fragestellungen. Dies änderte sich in den 1970er-Jahren wieder. Die 1980er-Jahre brachten dann eine Blütezeit für Meinungsumfragen – zuerst durch das offene Klima der Solidarność-Zeit, das die Entstehung einer alternativen Öffentlichkeit und einen begrenzten externen Meinungspluralismus in den Medien ermöglichte. OBOP profitierte als Institution sogar in gewisser Weise vom Kriegsrecht. Der militärisch dominierten Regierungsmannschaft von General Jaruzelski, der am 12. Dezember 1981 mit einem in der Verfassung nicht vorgesehenen „Militärrat zur nationalen Errettung“ die Macht übernommen hatte, war sehr daran gelegen, die Stimmung in der Bevölkerung genau zu messen. Plötzlich durfte OBOP auch hochpolitische Fragen untersuchen – etwa das Maß des Vertrauens, das die Bürger den einzelnen staatlichen Institutionen und selbst der im Januar 1982 verbotenen Gewerkschaft Solidarność entgegenbrachten. Gefragt wurde auch, wie sie die Versorgungslage einschätzten und ob sie der Ansicht waren, das Kriegsrecht solle aufgehoben oder länger beibehalten werden.

3

OBOP-Untersuchungen wird oft pauschal vorgehalten, unglaubwürdig zu sein, da allein schon das Umfeld, in dem vor 1989 Umfragen durchgeführt wurden, zu Verfälschungen führen musste. Letzteres ist sicher richtig: Meinungsforschung funktioniert unter pluralistischen Bedingungen anders als unter nicht-pluralistischen. Doch betrifft dies die Wirkung, die Umfragen entfalten können, nicht aber ihren Wert als historische Quellen.6 Für diesen Quellenwert ist ein anderer Verdacht wichtiger: dass die Umfrageergebnisse der Zensur unterlagen bzw. auf den unterschiedlichen Etappen von der Ausarbeitung der Fragebögen bis zum Vorlegen der Ergebnisse und ihrer Interpretation manipuliert wurden. Dagegen sprechen jedoch mehrere Argumente. Eine Verfälschung von Umfragedaten durch OBOP wäre dem Erkenntnisinteresse der Auftraggeber zuwidergelaufen. Diese hätten sich damit selbst getäuscht – und aus der Sicht von OBOP wäre es dann einfacher gewesen, Ergebnisse einfach zu erfinden, statt zuerst zeitaufwendige Umfragen durchzuführen und anschließend die Resultate zu manipulieren. Trotzdem gab es selbstverständlich Anpassungen des Untersuchungsmaterials an die antizipierten Erwartungen der Auftraggeber, allerdings weniger auf der Ebene des Datenmaterials als vielmehr bei der Interpretation. In einigen Fällen versuchten die Autoren der Berichte ihren Abnehmern unangenehme Wahrheiten mit Hilfe von Interpretationen näherzubringen, indem bestimmte Daten hervorgehoben und andere bagatellisiert wurden. Die Prozesse, die solchen Entscheidungen zugrunde lagen, lassen sich auf Basis des vorhandenen Materials nicht mehr nachvollziehen. Sie scheinen aber stärker in der Antizipation der von oben vorgegebenen Linie und in theoretischen Überlegungen bestanden zu haben als in Reaktionen auf gesellschaftliche Veränderungen.7

Durch die Präferenz für politisch weniger anstößige Themen ging man zugleich möglichen Verfälschungen der Ergebnisse auf der Ebene „Fragesteller – Befragter“ aus dem Weg, die dadurch entstehen konnten, dass die Befragten wegen der Art der Fragen hätten annehmen können, die Befragung sei nicht anonym und diene statt wissenschaftlichen oder kommerziellen Zwecken vor allem dem Erwerb von Herrschaftswissen. Spuren dieses Misstrauens zeigen sich in den Umfragen an relativ hohen Anteilen ausweichender Antworten („Ich weiß nicht“, „keine Meinung“). Dieses Phänomen taucht immer auf, wenn die Frage den Schluss nahelegte, das Thema sei entweder politisch sehr kontrovers oder die Antwort könne negative Folgen für die Befragten nach sich ziehen.8 Laut Demoskopen, die damals selbst an Umfragen beteiligt waren, herrschte vor 1990 jedoch eine deutlich größere Bereitschaft, Fragen klar zu beantworten und sich überhaupt an Umfragen zu beteiligen, als in den Jahren danach. Umfragen galten damals als willkommene Gelegenheit, seine Meinung zu äußern, während sie später, aufgrund der rapiden Zunahme kommerzieller Umfragen und expandierender Marktforschung, immer mehr als lästig empfunden wurden.9

Viele Ergebnisse der OBOP- und CBOS-Umfragen widersprachen sowohl der damaligen Propaganda der PVAP und des Staatsapparats als auch Ex-Post-Interpretationen, die in den 1990er-Jahren von Historikern, Publizisten und Politikern formuliert wurden. Auch das ist ein Indiz für die Glaubwürdigkeit der Untersuchungen. Besonders gilt dies zum einen für Umfragen, die einen Bezug zum Militär, zu militärischen Traditionen und zur neueren Geschichte haben, zum anderen für die Haltung der Bevölkerung zum Kriegsrecht in den 1980er-Jahren. Die Ergebnisse aus dieser Zeit gehen weder mit dem Anspruch konform, Solidarność habe die Bevölkerungsmehrheit repräsentiert, noch mit der Behauptung der offiziellen Propaganda, die Gewerkschaft sei zu einer Clique verkommen, die nur noch von der Bevölkerung isolierte, kompromisslose Radikale vertrete.

4

Trotz des umfangreichen Materials, das für die Zeit der Volksrepublik vorliegt, wurden Umfragedaten bisher nur bruchstückhaft für historische Arbeiten herangezogen, aber von niemandem systematisch ausgewertet. Auch die Frage ihrer Glaubwürdigkeit wurde kaum diskutiert. Gelegentlich wurden sie für Spezialstudien als eine Art Illustrationsmaterial benutzt, wobei die Autoren dann in der Regel nur die Ergebnisse zitierten, die ihre eigenen Thesen bestätigten.10 Davon abgesehen fanden die Ergebnisse der OBOP- und CBOS-Umfragen natürlich Eingang in zahlreiche sozial- und politikwissenschaftliche Studien zu Religiosität und Säkularisierung sowie über allgemeine Stimmungstrends in den 1980er-Jahren (wozu OBOP regelmäßig Umfragen durchführte). Dabei wurde meist implizit die Glaubwürdigkeit dieser Daten unterstellt.11 Die meisten Untersuchungen, die Umfragen nutzten, behandeln die 1980er-Jahre, darunter auch die umfangreichste auf Interviews und Umfragematerial aufbauende Monographie von Paweł Kowal.12 Darüber hinaus gibt es mehrere englischsprachige politikwissenschaftliche, oft spieltheoretische Untersuchungen, die sich der demoskopischen Erhebungen bedienten.13 Die polnische Demoskopie der Vorwendezeit an sich war allerdings noch kein Gegenstand einer umfassenden Darstellung.

2. Stadt-Land-Gefälle und soziale Unterschiede auf dem Land in den 1960er-Jahren
 

Mit sozialer Ungleichheit beschäftigte sich OBOP zum ersten Mal 1967. Danach kam das Umfrageinstitut 1969, 1974 und 1980 auf das Thema zurück, allerdings mit variierenden Fragen, die nicht ohne Weiteres vergleichbar sind. CBOS widmete sich dem Thema erstmals 1985.14 In den 1980er-Jahren (als sich im Zuge der wirtschaftlichen Liberalisierung die Einkommensunterschiede weiter vergrößerten) verschwand das Interesse von OBOP an sozialer Ungleichheit. Andere Themen traten in den Vordergrund: Partizipation bei Wahlen und Abstimmungen, Meinungen über die Versorgungslage, Umfragen über institutionelles Vertrauen. Nun war man vor allem daran interessiert, den Grad der gesellschaftlichen Protestbereitschaft und Unzufriedenheit mit der politischen und wirtschaftlichen Ordnung zu messen. In diesem Zusammenhang wurde dann 1988 nur noch einmal nach Haltungen zu sozialen Unterschieden gefragt.

1967 erarbeiteten OBOP-Mitarbeiter einen umfangreichen Bericht, der auf einer Umfrage unter 1.200 männlichen Landbewohnern beruhte, die nach ihren Haltungen und Meinungen zu Polens Staatsgütern befragt wurden.15 Ziel der Umfrage war es, das Prestige der Beschäftigten solcher Staatsgüter (Państ-wowe Gospodarstwa Rolne, PGR) und damit gesellschaftliche Hemmnisse für den Ausbau dieser damals als fortschrittlich angesehenen Betriebsform zu ermitteln. Im Zuge der Entstalinisierung nach 1956 hatten Bauern die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften wieder verlassen dürfen und dies auch getan; seither hatte Polens Landbevölkerung eine weitgehende Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Arbeitsplatzes und der Betriebsform. Bauern konnten einer Genossenschaft beitreten, als Arbeiter mit geregeltem Tagesablauf, relativ wenig Verantwortung und festem Lohn in einer PGR Arbeit suchen oder ihre eigene, „individuelle“ Landwirtschaft betreiben – allerdings auf relativ geringer Fläche, mit eigenem unternehmerischem Risiko und damit auch ohne stabiles Einkommen und ohne geregelte Arbeitszeiten. Daraufhin war es offenbar, wie der OBOP-Bericht andeutete, zu einer Abwanderung von Arbeitskräften in die Stadt gekommen. Nun wollten die Interviewer des Instituts herausfinden, ob dahinter ökonomische Erwägungen steckten oder ob es am niedrigen sozialen Status von Landarbeitern lag. Zu diesem Zweck gaben sie ihren Befragten eine Reihe vorgefertigter Antwortvarianten, die dies messen sollten.

5

Die Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft, die der Bericht widerspiegelt, drehte sich im Kern um die Frage der Effizienz kollektivistischer und staatlich gelenkter Betriebe im Vergleich zu privatwirtschaftlich geführten. So gesehen lässt sie begrenzte Schlussfolgerungen darüber zu, in welche Richtung die gesellschaftlichen, sozialwissenschaftlich messbaren Präferenzen damals gingen und welche Motive hinter ihnen standen: Zogen die Befragten Stabilität und Gleichheit (in den PGR) der mit mehr Risiko und Verantwortung verbundenen Arbeit in einem Privatbetrieb vor, der unter Umständen mehr Verdienst bot? Die Umfrageergebnisse waren recht eindeutig und wenig vorteilhaft für die PGR, obwohl die Berichterstatterin ihr Möglichstes tat, sie den antizipierten ideologischen Erwartungen ihrer Auftraggeber anzupassen, die sich zweifellos einen hohen sozialen Status für die Arbeit in den PGR erhofft hatten. Nur eine Minderheit hielt die PGR für modern, und auch lediglich ein Drittel der Befragten teilte die Überzeugung, PGR kümmerten sich um ihre Mitarbeiter. Noch weniger Befragte schrieben den PGR gute Zuchtergebnisse und hohe Erträge zu, während nur knapp 17 Prozent zu Protokoll gaben, PGR könnten privaten Einzelhöfen als Vorbild dienen (siehe Anhang, Tab. 1).

Als Nächstes fragten die Interviewer nach dem Prestige der PGR im Verhältnis zu anderen Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Land. Die Frage lautete: „Was würden Sie einem landlosen Sohn eines Nachbarn raten, der nicht in der Stadt Arbeit suchen, sondern auf dem Land bleiben will?“ Von vornherein ausgeschlossen wurde die Konkurrenz zwischen Arbeit in der Stadt und Arbeit auf dem Land. Die Berichterstatterin ging davon aus, dass erstere mit Sicherheit höher bewertet würde als jede andere Beschäftigungsmöglichkeit auf dem Land. Obwohl die Befragten damit ihrer mutmaßlich wahrscheinlichsten Antwortmöglichkeit beraubt waren, blieb das Ergebnis aus der Sicht der PGR-Propagandisten wenig befriedigend. 36 Prozent der Befragten gaben an, dem Nachbarssohn zu raten, in einem Betrieb eine Anstellung zu suchen, der der Landwirtschaft zuarbeitete. 32 Prozent hätten ihm empfohlen, sich um einen Kredit zum Erwerb eigenen Landes zu bemühen. Nur 19 Prozent hätten ihm zur Aufnahme einer Arbeit in einer PGR geraten.16 Lediglich bei einem Vergleich mit den verhassten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften schnitten die PGR besser ab. Vor die Wahl gestellt, entweder dort oder in einer PGR zu arbeiten, entschieden sich 46 Prozent für die PGR, aber nur 9 Prozent für die LPG. Zugleich war der Anteil ausweichender Antworten jedoch ungewöhnlich hoch. 45 Prozent der Befragten wählten die Option „schwer zu sagen“ oder „keine Antwort“.

Das geringe Prestige, das den PGR von der männlichen Landbevölkerung zugeschrieben wurde, erklärte sich vor allem mit den Stereotypen über diejenigen, die dort arbeiteten. Dies wurde deutlich, als die OBOP-Interviewer entsprechende Fragen stellten. Wer, wollten sie wissen, arbeite denn in einer PGR? Die Umfrageergebnisse (siehe Anhang, Tab. 2) zeigen die weit verbreiteten eher negativen Meinungen über PGR-Beschäftigte. Dort würden überwiegend Menschen arbeiten, die nichts Besseres zu tun wüssten, keine Verantwortung tragen wollten und sich für Arbeit mit höherem Prestige nicht eigneten. Das bestätigten auch die Antwortverteilungen auf Fragen nach der mutmaßlichen Aus-bildung von PGR-Beschäftigten. Knapp 55 Prozent der Befragten gaben an, nur einige PGR-Arbeiter könnten als Facharbeiter angesehen werden; weniger als 5 Prozent fanden, dies gelte für fast alle.

6

Die ursprünglichen Datensätze sind nicht erhalten. Daher ist es unmöglich, im Nachhinein Korrelationen mit anderen Fragen oder mit Angaben über die Befragten herzustellen. Die Berichterstatterin konfrontierte die Stereotypen aus der Umfrage mit statistischen Erhebungen über das tatsächliche Ausbildungsniveau von PGR-Arbeitern, um den Wahrheitsgehalt zu eruieren.17 Hier geht es jedoch nicht darum, ob die Ansichten der Befragten die Realität widerspiegelten, sondern darum, welche Haltungen über Gleichheit und Ungleichheit sich aus ihnen ergeben.

Zum einen lässt sich aus Tabelle 1 eine klare Hierarchie ablesen: Am angesehensten waren 1967 unter der Landbevölkerung die privaten Individualhöfe, gefolgt – mit großem Abstand – von den PGR und als Schlusslicht den Genossenschaften. Was Erwerbstätigkeit anging, so gab es eine leichte Präferenz zugunsten abhängiger Arbeit (die Anstellung bei einem landwirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen hatte Vorrang vor der Selbstständigkeit), allerdings nur dann, wenn es sich dabei nicht um eine Anstellung in einer PGR handelte. Man kann aber nicht sagen, dass die Befragten es vorgezogen hätten, eine private Anstellung anzunehmen statt einer staatlichen, denn Ende der 1960er-Jahre waren auch Saatgutunternehmen, Dienstleistungsunternehmen und andere Branchen rund um die Landwirtschaft schon seit langem in staatlichem Besitz.

Des Weiteren belegt die Untersuchung nicht nur den niedrigen sozialen Status der PGR-Arbeiter, sondern auch den relativ hohen Rang, den in der sozialen Hierarchie auf dem Land Bauern (polnisch: rolnicy) einnahmen, und zwar ohne Rücksicht auf den Umfang der Fläche, die sie ihr Eigen nannten. Wichtiger als die Größe des Hofes war aus Sicht der anderen (männlichen) Landbewohner die Tatsache, dass ein solcher Bauer Eigentümer seines Landes war. Gefragt nach den Kriterien, die einen Bauern ausmachten, wählte eine relative Mehrheit der Befragten die Antwortoption, ein solcher müsse einen eigenen Hof haben (37 Prozent). Die Anteile der Befragten, die fanden, auch ein Landarbeiter, Genossenschaftler oder PGR-Arbeiter könne als Bauer gelten, waren deutlich geringer. Der Respekt, der Bauern als Stand entgegengebracht werde, habe seinen Ursprung primär im gesellschaftlich verankerten Verhältnis zum Privateigentum und nicht in der Ausbildung, der Höhe des Einkommens oder dem Wohlstand, den Bauern genossen, folgerte die Berichterstatterin. „Das Eigentum an Grund und Boden erscheint hier als Symbol und Bedingung des bäuerlichen Prestiges, das dem Bauern seinen Platz in der gesellschaftlichen Anerkennung zuweist und ihn zum Bauern macht.“18

7

Eine weit größere Kluft als zwischen Privatbauern und PGR-Arbeitern tat sich zwischen Fabrikarbeitern in der Stadt und PGR-Arbeitern auf. In den Augen der Befragten hatten erstere ein enormes Prestige: Sie galten als besser ausgebildet, besser verdienend, ihnen wurden mehr soziale Vergünstigungen und ein besserer Zugang zu Kultur und Unterhaltung zugeschrieben. Dahinter stand zu einem großen Teil ein mentaler Graben zwischen Stadt und Land. Während die (männlichen) Landbewohner das flache Land für rückständig hielten, galt bei ihnen die Stadt als Ort des Fortschritts, der Modernität und eines allgemein besseren Lebens. Für die meisten Befragten war die Hauptursache für die Kluft zwischen Stadt und Land jedoch nicht in den unterschiedlichen Einkommen, in den Unterschieden im Bildungssystem und im schlechteren Zugang zur Kultur auf dem Lande zu suchen, sondern in infrastrukturellen Problemen. Dieser Befund wurde deutlich, als OBOP danach fragte, wie das Gefälle zwischen Stadt und Land am besten zu beseitigen wäre. Knapp 56 Prozent der Befragten wählten (unter insgesamt 9 Optionen) die Antwort: „durch eine Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Land, wie den Anschluss an die Kanalisation und Wasserversorgung sowie Zentralheizung“. Erst nach diesen praktischen materiellen Verbesserungen des Lebensstandards kam mit großem Abstand die Option, den Landbewohnern den Zugang zur Kultur zu erleichtern (Neubau von Kinos, Kulturzentren etc.).19

3. Die Perzeption der gesellschaftlichen Hierarchie in den 1970er-Jahren
 

Eines der größten Probleme, welche die Zweite Republik von der Feudalgesellschaft geerbt hatte, war eine verfestigte Sozialstruktur mit nur geringer sozialer Mobilität nach oben. Wer arm geboren war, hatte kaum Chancen, das für die nachkommenden Generationen seiner Familie zu ändern; wer auf dem Land lebte, hatte wenig Chancen, in die Stadt zu kommen; wer ungebildet war, dessen Kinder hatten kaum Chancen auf bessere Bildung. Dies wandelte sich nach 1945 grundlegend: Die Bevorzugung von Arbeiterkindern beim Zugang zu höherer Bildung, die forcierte Industrialisierung und die damit einhergehende Urbanisierung sowie die Abschöpfung des auf dem Land erwirtschafteten Mehrwerts für Industrieinvestitionen und höhere Fabrikarbeiterlöhne trugen dazu bei, dass Arbeiterkinder Polizisten, Offiziere, Beamte oder Verwaltungsangestellte werden konnten, während umgekehrt eine großbürgerliche oder adlige Abstammung als Manko galt. Es kam zu einer deutlich stärkeren sozialen Mobilität, die in den 1960er-Jahren allerdings wieder rückläufig war. Darin ist sicherlich auch einer der Gründe für die sozialen und kulturellen Proteste seit Ende des Jahrzehnts zu sehen.

Für Polens politisches Establishment war die in den Zeiten des stalinistischen Terrors von oben durchgesetzte höhere soziale Mobilität ein wichtiges Argument zur Legitimierung ihrer Herrschaft und ein gern angeführter Beweis dafür, dass es sich bei den bürgerkriegsähnlichen Kämpfen der ausgehenden 1940er-Jahre nicht um einen Putsch gehandelt hätte, sondern um eine soziale und politische Revolution. Schließlich hätten Polens Kommunisten nicht nur das politische System und die geopolitische Situation des Landes, sondern auch die Eigentumsordnung umgewälzt und mit der Landreform eines derjenigen Probleme radikal gelöst, die vor dem Zweiten Weltkrieg als unlösbar gegolten und zu den enormen sozialen Spannungen im Land beigetragen hatten.

8

Doch wie sah es in der gesellschaftlichen Perzeption aus? Sozialer Aufstieg (und Abstieg) konnten auch stattfinden, ohne dass sich die Betroffenen dessen bewusst waren. Umgekehrt konnten sie sich sozial deklassiert fühlen, obwohl sich ihre Position in der Sozialstruktur nicht verändert hatte. Mithilfe eines Fragebogens, der bereits 1961 zur Messung so genannter subjektiver Deprivation verwendet worden war, führte Elżbieta Otawska 1974 eine Vergleichsanalyse durch. Wie 1961 wurde eine Gruppe männlicher Stadtbewohner befragt. Das Ergebnis zeigte, dass 1974 ein deutlich höherer Anteil der Befragten angab, eine überdurchschnittliche gesellschaftliche Position zu haben, als dies 1961 der Fall gewesen war (siehe Anhang, Tab. 3).20

Leider stehen nur Daten aus diesen zwei Jahren zur Verfügung. Deshalb muss offenbleiben, ob sich dahinter ein dauerhafter Trend verbarg, der sich über 13 Jahre hinzog, oder ob die Veränderung die Folge eines einmaligen, dramatischen Ereignisses und seiner Nachwehen war. Beides ist möglich, denn in diese Zeitspanne fällt der Konflikt der Jahre 1967/68, in dessen Verlauf sowohl in ihrem Aufstieg gehemmte Kader des Partei- und Staatsapparats als auch die polnischen Babyboomer der unmittelbaren Nachkriegszeit auf die Barrikaden gingen und dabei in Bürokratie, Hochschulen und Parteiapparat zahllose Umbesetzungen, Entlassungen und Rochaden auslösten.21 Sicher ist jedoch, dass sich zu Beginn der 1970er-Jahre weit mehr Polen als soziale Aufsteiger empfanden, als dies zu Beginn der 1960er-Jahre der Fall gewesen war. Gefragt nach der eigenen Position im Vergleich zur Position des eigenen Vaters fanden 1974 rund 58 Prozent die eigene Position der ihres Vaters übergeordnet, während es 1961 nur 44 Prozent gewesen waren. Umgekehrt sank der Anteil derer, die sich als relative Absteiger im Vergleich zu ihrem Vater sahen, von gut 22 Prozent 1961 auf knapp 8 Prozent 13 Jahre später.22 Was subjektive soziale Mobilität nach oben hin angeht, schienen die meisten Befragten der Parteipropaganda zuzustimmen: Die Volksrepublik hatte ihnen nicht nur einen objektiven, in Wirtschaftsstatistiken messbaren Aufstieg verschafft, sondern ihnen auch das Gefühl vermittelt, in Bezug auf die Gesellschaft als Ganzes und hinsichtlich der familiären Ausgangslage aufgestiegen zu sein.

Der weitere Verlauf der Untersuchung lieferte noch mehr Unterstützung für die offizielle Legitimierungsstrategie der Partei: Nichts trug so sehr zum Aufstiegsgefühl bei wie die eigene materielle Lage. Diese diente knapp 47 Prozent der Befragten als maßgeblicher Aufstiegsindikator; danach kamen mit großem Abstand die Ausbildung (19 Prozent), das Prestige des eigenen Berufs (12 Prozent) und die Funktion im Betrieb (11 Prozent).23 Die im Grunde marxistische Annahme, die materielle Lage entscheide über die künftige Position in der Gesellschaft, spiegelte auch die Verteilung der Antworten auf die Frage wider, wovon nach Ansicht der Befragten die Zukunft eines Kindes am meisten abhänge. Hier verwiesen 82 Prozent auf den „Reichtum der Eltern“, gefolgt von deren Ausbildung (74 Prozent), dem Wohnort (68 Prozent) und dem Beruf der Eltern (62 Prozent).24

9

Noch konformer mit der offiziellen Legitimierungsstrategie gingen die Ergebnisse eines anderen Vergleichs. Hier wollten die Soziologen feststellen, welche Vorstellung von der Gesellschaftsstruktur dominierte. Sie gaben mehrere alternative Modelle vor (siehe Anhang, Tab. 4). Das von der größten Gruppe der Antwortenden bevorzugte Modell ging davon aus, dass in Polen verschiedene funktional definierte Gruppen miteinander konkurrierten und zugleich voneinander abhängig waren. Demzufolge wies die Gesellschaft keine klare Hierarchie zwischen „denen da oben und denen da unten“ auf. 1961 stimmten rund 28 Prozent der Befragten diesem Erklärungsmodell zu, während es 1974 bereits 32 Prozent waren. Gemessen am ideologischen Anspruch des Parteistaats, für mehr Gleichheit zu sorgen, bedeutete dieses Ergebnis, dass es zumindest Fortschritte in der Perzeption wachsender sozialer Gleichheit gegeben hatte. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Antwortverteilung auf die unterschiedlichen Modelle miteinander vergleicht. 1974 fanden immer noch 22 Prozent (statt 27 Prozent 1961), dass Polen eine dichotomische Gesellschaft aus Armen und Reichen bzw. Herrschenden und Beherrschten sei. 17 Prozent fanden weiterhin, dass der wichtigste gesellschaftliche Graben zwischen einer nicht näher definierten „Elite“ und den „grundlegenden Klassen“ (die auch nicht näher benannt wurden) verlaufe. Hier war der Rückgang geringer – 1961 hatten dieses Gesellschaftsmodell 19 Prozent für zutreffend gehalten. Insgesamt erschien den Befragten im Abstand von 13 Jahren die Gesellschaft der Volksrepublik als egalitärer. Im gesellschaftlichen Bewusstsein war sie 1974 etwas weniger von Privilegien geprägt (oder die Privilegien schienen breiter verteilt zu sein), als dies 1961 der Fall gewesen war.25 Was die Leser der Untersuchung in Regierung und Partei hätte aufmerksam machen müssen, was aber im Bericht nicht herausgestellt wurde, war die Tatsache, dass eine Mehrheit der Befragten dichotomischen Modellen den Vorzug gab, auch wenn diese bei weitem nicht nur auf materiellen Unterschieden beruhten.

Der materielle Besitz war allerdings der dominierende Faktor, der darüber entschied, wer als „oben“ und wer als „unten“ auf der gesellschaftlichen Leiter zu gelten hatte. Deshalb verwundert es nicht, dass auch die meisten Befragten angaben, Einkommens- und Vermögensunterschiede seien dafür verantwortlich, wenn eine Gruppe eine andere ablehne. Auch dabei hatte sich eine deutliche Veränderung zu 1961 ergeben: Damals hatten die meisten Befragten „denen unten“ die Tendenz zum Ausgrenzen anderer Gruppen zugeschrieben; 1974 machte dann eine Mehrheit „die da oben“ für Ausgrenzungen verantwortlich. Das mag damit zusammenhängen, dass die Befragten generell mehr dazu neigten, allgemeine, außerhalb des Verantwortungsbereichs des Einzelnen liegende Gründe für Armut anzugeben, während sie die Ursache von Reichtum zumeist in moralisch verwerflichem Handeln derer suchten, die als reich galten. „Arm“ war im Lichte der Umfrageergebnisse, wem es an etwas fehlte. „Reich“ dagegen war, wer es durch Betrug, List, das Übervorteilen anderer und durch Kontakte und Bekanntschaften geschafft hatte, mehr zusammenzuraffen als andere. 21 Prozent gaben an, man könne reich werden durch eigene Arbeit, 15 Prozent verwiesen auf das Ausüben eines gutbezahlten Berufs. Alle negativ besetzten Angaben zusammen brachten es dagegen auf 46 Prozent. Familiäre Gründe galten dabei häufiger als Ursache für Armut denn als Ursache für Reichtum.

An dieser Stelle muss auf zwei Einschränkungen hingewiesen werden, die für das Verständnis des Umfragekontexts wichtig sind. Der Vergleich zwischen 1961 und 1974 offenbarte Unterschiede in der Art und Weise, wie sich die Befragten jeweils die Struktur der Gesellschaft, Gruppenantagonismen und ihren Platz in der sozialen Hierarchie vorstellten. Er liefert aber keine Informationen zu normativen Vorstellungen über soziale Unterschiede, das heißt darüber, wie viel Gleichheit bzw. Ungleichheit die Befragten anstrebten oder zu tolerieren bereit waren, wie Ungleichheit eingeebnet werden solle (hier war die Frage zum Stadt-Land-Gefälle die einzige Ausnahme) bzw. welches gesellschaftspolitische Modell ihnen vorschwebte. Dies mag daran gelegen haben, dass ein bestimmtes Gesellschaftsmodell vorgegeben war und von den Forschern nicht in Frage gestellt wurde.

10

Die zweite Einschränkung betrifft die Veränderungen zwischen 1961 und 1974. Die Wahl genau dieses Erhebungszeitraums erscheint aus der Retrospektive unglücklich und verzerrend, denn 1974 war das letzte Jahr, in dem Umfragen über die allgemeine Lage, Optimismus und Pessimismus, die gesellschaftliche Stimmung und die Haltung zu Staat und Partei noch eine positive Tendenz widerspiegelten. Das war sehr stark beeinflusst vom mit Westkrediten finanzierten Konsum- und Investitionsschub der Gierek-Ära. Diese positive Grundstimmung kippte zur Mitte des Jahrzehnts. Es kam zu einem beständig stärker werdenden negativen Trend, der sowohl zu einem Verlust an Vertrauen in die Institutionen und zu Pessimismus führte als auch die Protestbereitschaft stärkte. Das äußerte sich dann in den Streiks von 1976 in Ursus und Radom und schließlich – nach Einsetzen der durch die Westverschuldung ausgelösten Wirtschaftskrise – in der großen Streikwelle im Sommer 1980. Es ist daher anzunehmen, dass ein Vergleich der Ausgangswerte von 1961 mit Werten aus der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre ganz andere Resultate erbracht hätte als die oben vorgestellten.

4. Ungleichheit und Ungerechtigkeit ab 1980
 

In das konfliktreiche Jahr 1980 fiel die erste Umfrage (durchgeführt im September und Oktober), die sich explizit und detailliert mit dem Thema sozialer Gerechtigkeit und Ungleichheit beschäftigte. Sie umfasste ein Sample von Befragten, das für die polnische Bevölkerung über 15 Jahre hinweg als repräsentativ galt. Im Rahmen dieser Umfrage wurden unmittelbar politische Fragen gestellt, was vermutlich vor allem durch das Klima der Umbruchzeit ermöglicht wurde. Dabei erkundigten sich die Interviewer in einer offenen Frage nach den Merkmalen, die eine gute Gesellschaftsordnung aus Sicht der Befragten aufweisen sollte – genannt wurden vor allem Gleichheit und Gerechtigkeit (siehe Anhang, Tab. 5). Gerechtigkeit wurde dabei in erster Linie als soziale und ökonomische Gleichheit sowie als Gleichheit vor dem Recht verstanden. Je mehr die Umfrage ins Detail ging, desto deutlicher wurde, dass die Befragten den Aufruhr des Jahres 1980 offenbar als Versuch deuteten, die Versprechen des Sozialismus (und nicht seine Abschaffung) bei den Herrschenden einzuklagen. Die ideale Ordnung erschien als ein Staat, der alle wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse seiner Bürger befriedige, rechtsstaatlich verfasst sei, gut und effizient regiert werde, Sicherheit garantiere und zugleich ein möglichst hohes Maß an gleicher Verteilung der Güter sicherstelle. „Die Merkmale entsprechen denjenigen, die von der sozialistischen Ideologie empfohlen werden“, schrieb der Berichterstatter, „das würde bestätigen, dass sich die sozialistischen Grundwerte im Bewusstsein der polnischen Gesellschaft weit verbreitet haben.“26

Je höher der Bildungsgrad der Befragten, desto größer war der Anteil derer, die große Ungleichheit in Polen konstatierten. Besonders unzufrieden darüber war die Arbeiterschaft: 85 Prozent der befragten Arbeiter klagten über zu große soziale Unterschiede in der Gesellschaft. Erstaunlicherweise sahen dies auch Parteimitglieder eher als ein Problem (92 Prozent) als Parteilose (84 Prozent). Vor dem Hintergrund der Streikwellen, der Gründung der Solidarność und der darauffolgenden innenpolitischen Auseinandersetzungen ist es auch bedeutsam, dass zwei Drittel der Befragten angaben, die Ungleichheit habe im vergangenen Jahrzehnt deutlich zugenommen.

11

Um die Art der beobachteten Ungleichheiten festzustellen, überließen die Befrager den Befragten das Wort und verzichteten auf vorgegebene Antworten. Die gesammelten Antworten wurden dann in mehrere Kategorien eingeteilt. Die häufigsten Verweise gab es in der Kategorie „Einkommensunterschiede“, gefolgt von Unterschieden in der Hierarchie, in sozialem Kapital (damals nannte man das „Unterschiede im Bezug auf Bekanntschaft und Einfluss“) und zwischen Gruppen mit unterschiedlichen beruflichen Privilegien (als Beispiel dienten hier Armee und die Polizei, die damals offiziell „Bürgermiliz“ hieß [Milicja Obywatelska]). Wie schon bei den vorherigen Untersuchungen spitzte sich alles auf die Unterschiede im Einkommen und Besitz zu: 86 Prozent der Befragten teilten die Ansicht, die Einkommensunterschiede in Polen seien „empörend“. Ungerecht behandelt würden daher in Polen in erster Linie „Arme gegenüber denjenigen, die Geld haben“. Das fanden 67 Prozent der Befragten, während 34 Prozent angaben, das Verhältnis zwischen Parteimitgliedern und Parteilosen sei ungerecht. Der Gegensatz zwischen Land und Stadt spielte kaum mehr eine Rolle; nur 23 Prozent aller Angaben entfielen darauf.27 Die Ergebnisse der Umfrage, so die Zusammenfassung des Berichts, deuteten darauf hin, dass die Vertrauenskrise von 1980 vor allem auf stark empfundene Ungleichheit und Ungerechtigkeit zurückzuführen sei. Dies war vier Jahre später weiterhin so. In den Akten des Ministerrats finden sich Hinweise auf eine CBOS-Umfrage vom August 1984, in der die Frage nach Gleichheit in aller Einfachheit und Direktheit den Befragten vorgelegt worden war: „Sollte der Staat von oben die Höhe der Einkommen und die Art und Weise, wie sie erzielt werden, festlegen, so dass die einen nicht übermäßig reich und die anderen nicht arm werden?“ 48,5 Prozent waren mit einer solchen Lösung einverstanden, 42 Prozent waren dagegen.28

Die umfangreichste Untersuchung zu Einstellungen über Ungleichheit und deren Legitimität in den Augen der Bevölkerung stammt ebenfalls aus dem Jahr 1984 (siehe Anhang, Tab. 6).29 Sie bestätigte, wie wichtig der materielle Besitz für die Einschätzung der eigenen Lage und der Lage anderer war. Materielles war, im Lichte der Ergebnisse, mehr als doppelt so wichtig wie die berufliche Situation und die Lage des gesamten Landes und fand sich mit 46 Prozent der auf sie entfallenden Angaben nur hinter der Kategorie „Familienleben“. Mit anderen Worten: Wenn der Familienzusammenhalt gegeben war, ging es fast allen Polen gut; wenn der Haussegen aber schief hing, war das der Hauptgrund, warum sie angaben, es gehe ihnen schlecht. Gleich danach kam in der Wertehierarchie der materielle Wohlstand. In einem nächsten Schritt wollten die Soziologen wissen, ob jene Faktoren, die für die Befragten subjektiv so wichtig waren, auch tatsächlich eine Quelle der Zufriedenheit für die Befragten waren. Nun offenbarte sich einer der wichtigsten Gründe für die gesamtgesellschaftliche Frustration, die in den 1980er-Jahren um sich griff.

Alles, was im Sinne dieser Untersuchung wichtig für die polnische Gesellschaft war, erschien zugleich unbefriedigend. Familie war wichtig, doch weit weniger Befragte, die Familienleben für wichtig hielten, gaben an, sie bezögen daraus Freude. Entsprechendes galt für alle anderen Kategorien. Dabei muss man berücksichtigen, dass sich für ungefähr 30 Prozent der Befragten ihre materielle Lage in den vorausgegangenen zwei bis drei Jahren nach ihrer eigenen Einschätzung verschlechtert hatte. Diese Befragten erwarteten für die kommenden Jahre einen weiteren Abstieg. „Dies ist eine ungewöhnlich wichtige und beunruhigende Schlussfolgerung“, hieß es im CBOS-Bericht. „Das Gefühl, der eigene materielle Status habe sich verschlechtert, fördert, wie man weiß, die allgemeine Frustration und Unzufriedenheit, verursacht Pessimismus bei der Einschätzung der eigenen Chancen und leistet Anspruchshaltungen Vorschub und ist damit ein Faktor, der Konflikte auslöst.“

12

Vorsichtig versuchten die Soziologen herauszufiltern, wie sich diese Einstellungen auf die Haltungen zur herrschenden Ordnung auswirkten. Zu ihrer im Text spürbaren Erleichterung gab es jedoch keine Anzeichen für revolutionäre Tendenzen. Gefragt nach dem Verhältnis von Vor- und Nachteilen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung in Polen in den vorausgegangenen 40 Jahren, antworteten zwar nur 2 Prozent der Befragten, sie sähen darin ausschließlich Vorteile, doch 27 Prozent fanden, es gebe „mehr Vor- als Nachteile“. 52 Prozent wählten die Option „sowohl Vor- als auch Nachteile“. 10 Prozent fanden, die Volksrepublik habe ihnen „mehr Nachteile als Vorteile“ gebracht, während der Anteil derer, die nur Nachteile sahen, mit 1,4 Prozent noch geringer war als der Anteil derer, die nur Vorteile wahrgenommen hatten. Dennoch war nach Ansicht des ungenannten Autors Besorgnis angebracht, denn die wahrgenommene Ungleichverteilung materieller Güter war für die meisten Befragten nicht nur eine Ursache für Frustration, sondern auch für soziale Konflikte. 75 Prozent der Befragten gaben an, die materiellen Lebensbedingungen seien die Hauptursache für Konflikte in Polens Gesellschaft, wobei sich Arbeiter und Intelligenz kaum unterschieden. Politische Differenzen standen in der Hierarchie der potentiellen Konfliktherde erst an zweiter Stelle.30

Wer daraus den Schluss zog, die Krise der späten 1980er-Jahre hätte ihre Ursache in der gesellschaftlichen Enttäuschung darüber, dass die Staatsmacht ihren sozialen Gleichheitsversprechungen nicht nachgekommen wäre, der irrte allerdings. Das belegt eine Umfrage, die kurz vor den Streiks von 1989, der Einberufung des Runden Tisches und den Juni-Wahlen durchgeführt wurde.

Im Dezember 1981 hatte eine Generalsjunta um Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht über Polen verhängt. Nach einer kurzzeitigen Verbesserung der Versorgungslage folgten weitere Stagnation, Hyperinflation sowie ein jahrelanges Patt zwischen der Opposition, die zum großen Teil in den Untergrund ging, und der Staatsmacht, die sich als unfähig erwies, die Wirtschaft zu reformieren. Gegen Ende des Jahrzehnts war bereits klar, dass dieses Patt nur durch einen breit angelegten Kompromiss und eine Übergangsregierung aufgelöst werden könnte. Die Generäle und die PVAP-Führung versuchten, prominente gemäßigte Oppositionelle und Unabhängige in die Regierung zu kooptieren, um auf diese Weise die schrumpfende gesellschaftliche Basis für ihre Macht zu festigen. Sie taten es, wie die OBOP-Umfragen zeigen, gegen den Unmut der Bevölkerungsmehrheit, die das Vertrauen in die PVAP zwar längst verloren hatte, allerdings noch Sympathien für General Jaruzelski und die Armee hegte. Die meisten Kooptierungsversuche scheiterten. Einer der letzten Versuche wurde von Mieczysław Rakowski unternommen, der 1988 zum Premierminister gewählt worden war und in seiner Antrittsrede die Bürger mit einer Reihe von Dilemmata konfrontierte. Teile der Rede wurden von OBOP für eine Umfrage verwendet. Nun erwies sich, dass die Mehrheit derer, die eine Meinung zu den von Rakowski angesprochenen Problemen hatte, keineswegs in egalitäre Illusionen flüchtete, sondern radikale Lösungen bevorzugte – etwa die Bindung des Lohnniveaus an die Arbeitsproduktivität (siehe Anhang, Tab. 7).31

13

Natürlich reicht eine Umfrage nicht aus, um zu erklären, warum die Bürger der Regierung Rakowski schließlich das Vertrauen endgültig entzogen und die von der PVAP- und Staatsführung gebildeten Listen bei den Wahlen im Juni 1989 durchfallen ließen. Schlussfolgerungen, die sich aus dieser Umfrage ziehen ließen, ständen im diametralen Widerspruch zu denen in der zweiten Hälfte des Jahres 1980: Was die Mehrheit der Bürger der Staatsmacht nun vorwarf, war nicht, dass sie ihre sozialistischen Versprechen nicht gehalten hätte, sondern dass sie nicht im Stande sei, eine radikale marktwirtschaftliche Reform durchzusetzen. Angesichts der Krise waren Forderungen nach mehr Gleichheit in den Hintergrund getreten; nun zählte vor allem die Effizienz der Wirtschaft. Die vorliegenden (fragmentarischen) Daten belegen, dass dieser Meinungsumschwung in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre stattgefunden haben muss. Allerdings gibt es kein demoskopisches Material, das Aufschluss geben könnte, wann, wie und warum dies geschah.

In einem Punkt wichen die Befragten allerdings von der pro-marktwirtschaftlichen Haltung ab. Von den Interviewern vor die Wahl gestellt, Schlange zu stehen für defizitäre, aber billige Güter, oder Preiserhöhungen zu erdulden, sprachen sich die meisten Befragten gegen Preiserhöhungen aus. Im Gegensatz zu abstrakten Schreckensszenarien, die in den anderen Fragen enthalten waren, drohten Preiserhöhungen in der unmittelbaren Zukunft, wenn es durch Subventionsabbau, Firmenkonkurse und Massenentlassungen zu Prozessen käme, die man in Polen bis dahin allenfalls aus Sendungen westlicher Satellitenprogramme kannte. Die PVAP-Regierung, die den Anlass für diese Umfrage gegeben hatte, musste bald darauf einer Übergangsregierung weichen. Diese führte dann all jene rücksichtslos unsozialen Maßnahmen durch, für die sich die Befragten ausgesprochen hatten und die so sehr im Widerspruch zu den egalitären Forderungen standen, die eine ähnliche Mehrheit 1980 erhoben hatte. Es blieb Rakowski vorbehalten, unmittelbar vor seinem Rücktritt die einzige Maßnahme durchzusetzen, für die es in der Umfrage keine Mehrheit gegeben hatte – enorme Preiserhöhungen für Lebensmittel, die innerhalb eines Tages den Schwarzmarkt für Fleischwaren beseitigten und dafür sorgten, dass die Fleischerläden gefüllt waren mit für viele nahezu unbezahlbarer Ware.

Die Protestwelle des Jahres 1980 und die Gründung der Gewerkschaft Solidarność hatten zumindest eine Ursache in der Enttäuschung darüber, dass die staatliche Ordnung in der Volksrepublik Polen zu große Unterschiede zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“ zugelassen hatte. Für die Ereignisse gegen Ende der 1980er-Jahre ist das jedoch keine Erklärung. Irgendwann in der Mitte der 1980er-Jahre hatte sich das Meinungsklima gewandelt: Nun waren mehr Menschen bereit, Ungleichheit im Namen einer effizienteren Wirtschaft zu akzeptieren. Die Machthaber wurden abgestraft, weil sie nicht imstande waren, diesem Stimmungswandel so schnell zu folgen, und verloren die Juniwahlen 1989. Ob die Rosskur der Reformen von 1990 eine demokratische Legitimität hatte oder während eines historischen „window of opportunity“ der Gesellschaft aufgezwungen wurde, ist damit noch nicht entschieden. Die Wahlergebnisse von 1993 zeigen, dass die Reformen für eine Mehrheit der Wähler offensichtlich zu radikal gewesen waren.32 Zumindest scheint die Einführung der Marktwirtschaft 1990 aber im gesellschaftlichen Trend der ausgehenden 1980er-Jahre gelegen zu haben.

Anhang: Tabellen

Tab. 1

 

Tab. 2

 

Tab. 3

 

Tab. 4

 

Tab. 5

 

Tab. 6

 

Tab. 7

 

Anmerkungen: 

1 „Privatunternehmer“ wird hier in Anführungszeichen gesetzt, weil es als Synonym für den pejorativ gemeinten polnischen Ausdruck „prywaciarz“ verwendet wird. Privatunternehmer in dem Sinne, wie der Ausdruck im Deutschen verwendet wird, heißt auf Polnisch „prywatny przedsiębiorca“.

2 Jerzy Kochanowski, Das „Problem Nummer 1“ und seine Protagonisten. Fleisch und Fleischspekulanten in Polen 1944 bis 1989, in: Silke Satjukow/Rainer Gries (Hg.), Unsere Feinde. Konstruktionen des Anderen im Sozialismus, Leipzig 2004, S. 455-464; Małgorzata Mazurek, Społeczeństwo kolejki. O doświadczeniach niedoboru 1945–1989 [Die Gesellschaft der Warteschlangen. Über die Erfahrungen des Mangels 1945–1989], Warszawa 2010, S. 79-90.

3 Zu CBOS liegen die umfangreichen Erinnerungen seines Gründers und langjährigen Chefs Stanisław Kwiatkowski vor: Szkicownik z CBOS-u. Rysunki socjologiczne z tamtych lat [Das CBOS-Notizbuch. Soziologische Zeichnungen aus jenen Jahren], Tyczyn 2004. Ein Teil der CBOS-Berichte aus den 1980er-Jahren wurde später veröffentlicht: Barbara Badora, Społeczeństwo i władza lat 80tych w badaniach CBOS [Die Gesellschaft und die Staatsmacht der 1980er-Jahre in CBOS-Untersuchungen], Warszawa 1994.

4 Von diesen ist nur ein Teil erhalten geblieben, und das auch nur in Form von Berichten. Sie wurden ausgewertet im Rahmen des Projekts „Wertewandel in Polen und der DDR”, das im Zeitraum 2011–2013 von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung in Frankfurt (Oder) gefördert und vom Center for the Study of Democracy der University of Social Sciences and Humanities (Warschau) und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam durchgeführt wurde. Dabei erwies sich, dass die Originalfragebögen und Datensätze aus der Zeit vor 1990 nicht mehr vorhanden sind. Der größte Teil der Berichte kann vom Internetportal <http://www.obop.pl> heruntergeladen werden (mit Ausnahme einiger maschinenschriftlicher Berichte, die ich im Archiv eingesehen habe und die zu undeutlich abgedruckt waren, um sie scannen und ins Internet stellen zu können).

5 Klaus Bachmann, Repression, Protest, Toleranz. Wertewandel und Vergangenheitsbewältigung in Polen nach 1956, Dresden 2010, S. 17-44.

6 Siehe dazu ausführlich ebd., S. 23-44.

7 So stellen es jedenfalls die wenigen Autoren dar, die eigene Erfahrungen bei OBOP in ihre Veröffentlichungen einfließen ließen; v.a. Janina Sobczak, Polski Gallup. Powstanie i pionierskie lata Ośrodka Badania Opinii Publicznej [Der polnische Gallup. Die Entstehung und die Pionierjahre von OBOP], in: Kultura i Społeczeństwo [Kultur und Gesellschaft] 43 (1999) H. 4, S. 63-72. Bei der Durchsicht der alten Umfragen drängt sich oft der Eindruck auf, dass bestimmte Fragen eine Reaktion auf theoretische und methodologische Trends waren, die zur damaligen Zeit in der internationalen (westlichen) Soziologie aufgekommen waren und die die OBOP-Forscher in ihrem Land testen wollten. Politischer Einfluss scheint sich dagegen bei der Auswahl dessen bemerkbar gemacht zu haben, wonach man nicht fragte. So fehlen Umfragen zu historischen Umbrüchen und dramatischen innenpolitischen Ereignissen wie den Studentenunruhen 1968, den Arbeiterprotesten von 1970 an der Küste und ihrer Niederschlagung durch die Armee oder den wilden Streiks von Radom und Ursus 1976. Eine Ausnahme bildeten die regelmäßigen, nach dem gleichen Muster strukturierten Umfragen zu anstehenden PVAP-Parteitagen.

8 Zur Problematik „ausweichender Antworten“ siehe auch Antoni Sułek, Jak działa filtr „nie wiem“? O perspektywie poznawczej w metodologii badań sondażowych [Wie funktioniert der Filter „ich weiß nicht“? Über die Vergleichsperspektive in der Methodologie der Meinungsumfragen], in: Kultura i Społeczeństwo 37 (1993) H. 3, S. 31-44; Krystyna Lutyńska, Społeczne uwarunkowania odpowiedzi typu „trudno powiedzieć“ w badaniach sondażowych lat osiemdziesiątych [Gesellschaftliche Bedingungen der Antwort „schwer zu sagen“ in Umfragen der 1980er-Jahre], in: Kultura i Społeczeństwo 34 (1990) H. 1, S. 175-183.

9 Dies bestätigten Teilnehmer einer Konferenz, die im April 2012 im Rahmen des in Anm. 4 erwähnten Projekts in Warschau stattfand. Einige der Teilnehmer hatten selbst in den 1980er-Jahren Umfragen bei OBOP durchgeführt. Auch in der Tschechoslowakei scheinen die Bürger vor 1990 aufgeschlossener für Umfragen gewesen zu sein als danach.

10 Janusz Mariański, Religijność społeczeństwa polskiego w perspektywie europejskiej. Próba syntezy socjologicznej [Die Religiosität der polnischen Gesellschaft aus europäischer Perspektive. Versuch einer soziologischen Synthese], Kraków 2004; Tadeusz Szawiel, Społeczne podstawy zjawiska religijnego „Pokolenia JP2“ [Die sozialen Grundlagen des religiösen Phänomens einer „Generation JP2“], in: Pokolenie JP2. Przeszłość i przyszłość zjawiska religijnego. Pod redakcja Tadeusza Szawiela [Generation Johannes Paul II. Die Vergangenheit und Zukunft eines religiösen Phänomens], Warszawa 2008, S. 70-89; Antoni Dudek, Reglamentowana rewolucja. Rozkład dyktatury komunistycznej w Polsce 1988–1990 [Die reglementierte Revolution. Der Zerfall der kommunistischen Diktatur in Polen 1988–1990], Kraków 2004; ders./Ryszard Gryz, Komuniści i Kościół w Polsce (1945–1989) [Die Kommunisten und die Kirche in Polen (1945–1989)], Kraków 1993.

11 Historiker haben die Frage der Glaubwürdigkeit der OBOP-Erhebungen bisher nicht einmal dann diskutiert, wenn sie diese selbst wiedergaben; siehe etwa Grzegorz Majchrzak/Bogusław Kopka, Stan wojenny w dokumentach władz PRL (1980–1983) [Der Kriegszustand in Dokumenten der Staatsmacht der Volksrepublik (1980–1983)], Warszawa 2001, Dok. 4, und Marcin Zaremba, Społeczeństwo lat sześćdziesiątych – między małą stabilizacją i małą destabilizacją [Die Gesellschaft der 1960er-Jahre – zwischen kleiner Stabilisierung und kleiner Destabilisierung], in: Konrad Rokicki/Sławomir Stępień (Red.), Oblicza Marca 1968 [Die Gesichter des März 1968], Warszawa 2004, S. 49. Eine der wenigen systematischen Auswertungen von demoskopischem Material aus den 1960er-Jahren findet sich bei Patryk Plaskot, Wielki mały ekran. Telewizja a codzienność Polaków w latach sześćdziesiątych [Der große kleine Bildschirm. Das Fernsehen und der Alltag der Polen in den 1960er-Jahren], Warszawa 2007.

12 Paweł Kowal, Koniec systemu władzy. Polityka ekipy gen. Wojciecha Jaruzelskiego w latach 1986–1989 [Das Ende des Herrschaftssystems. Die Politik der Mannschaft von General Wojciech Jaruzelski in den Jahren 1986–1989], Warszawa 2012. Einige der Untersuchungen über die Solidarność-Zeit (1980/81) nutzen auch das damals erhobene demoskopische Material: Ireneusz Krzemiński (Hg.), Polacy – jesień 1980 [Polen – Herbst 1980], Warszawa 2005; Krzysztof Kosiński, Nastolatki ‘81. Świadomość młodzieży w epoce Solidarności [Teenager ‘81. Das Bewusstsein der Jugend in der Epoche der Solidarität], Warszawa 2002. Systematisch ausgewertet werden die von OBOP erhobenen Daten über das Abhören westlicher Rundfunksender bei Lechosław Gawlikowski/Yvette Neisser Moreno, The Audience to Western Broadcasts to Poland during the Cold War, in: A. Ross Johnson/R. Eugene Parta (Hg.), Cold War Broadcasting. Impact on the Soviet Union and Eastern Europe. A Collection of Studies and Documents, Budapest 2010, S. 121-141.

13 Jacqueline Hayden, The Collapse of Communist Power in Poland. Strategic Misperceptions and Unanticipated Outcomes, London 2006; Marjory Castle, Triggering Communism’s Collapse. Perceptions and Power in Poland’s Transition, Lanham 2005.

14 CBOS, Materialne warunki życia społeczeństwa. Analiza porównawcza na podstawie wyników badań ankietowych [Materielle Bedingungen des Lebens der Gesellschaft. Eine vergleichende Analyse aufgrund der Ergebnisse von Umfragen], BD/411/26/85. Der Bericht wurde dem Büro des Premierministers vorgelegt, wie die Dokumente im Archiv für neue Akten zeigen (Archiwum Akt Nowych, AAN). Ich danke Dr. Patryk Wasiak für seine dortigen Recherchen. AAN, URM, gabinet Prezesa Rady Ministrów 52-27/85 vom 12.12.1985. Die Berichte von CBOS sind, soweit sie der Regierung oder Parteiorganen vorgelegt wurden, im genannten Archiv einsehbar.

15 Lili Maria Szwengrub, Wstępne opracowanie wyników badania „Rozmawiamy o PGR-ach“ [Vorläufige Ergebnisse der Untersuchung „Reden wir über die PGR“], 1967-05-31, OBOP M.0027a.

16 Die anderen Antwortvarianten sahen folgende Ratschläge vor:
– die Schule beenden und einen Beruf erlernen (4,4 Prozent),
– der Genossenschaft beitreten (2,4 Prozent),
– bei einem reichen Bauer arbeiten (2 Prozent),
– eine Bauerntochter heiraten, um in Zukunft Land zu besitzen (0,7 Prozent),
– in die Westgebiete wandern und dort Landwirt werden (0,3 Prozent),
– andere Antworten (1,1 Prozent),
– keine Antwort (1 Prozent).
In diesem Fall summieren sich alle Antworten auf 100 Prozent (leichte Abweichungen rundungsbedingt).

17 Lili Maria Szwengrub, Państwowe Gospodarstwa Rolne w opinii mieszkańców wsi. Z socjologicznej problematyki zawodu robotnika rolnego [PGR in der Meinung von Landbewohnern. Zur soziologischen Problematik des Berufs von Landarbeitern], OBOPiSP 1969, OBOP 1969 M.0027b. Der Bericht wurde von unbekannter Hand mit dem Vermerk versehen, dass er sich wegen der Form und der Ergebnisse nicht zur Veröffentlichung eigne.

18 Ebd.

19 Ebd. Mehrfachnennungen waren möglich. Die „kulturelle Option“ wurde von knapp 44 Prozent gewählt, danach kamen mit ca. einem Drittel der Befragten zwei „soziale Optionen“ („Die Arbeitszeit der Bauern soll verringert werden“ und „mehr soziale Errungenschaften sollen aufs Land ausgedehnt werden“).

20 Elżbieta Otawska, Wstępny raport z badania pt. „Nasze miejsce w społeczeństwie“ [Vorläufiger Bericht über die Untersuchung „Unser Platz in der Gesellschaft“], 1974-05-15, OBOP 1974 M.0420. Bei dieser Untersuchung wurden 878 männliche, erwachsene Stadtbewohner befragt.

21 Dazu gehörte die Säuberung des Staatsapparats, der Partei und der Armee von angeblichen Zionisten, die als antisemitische Kampagne in die Literatur einging und heftige Kritik im westlichen Ausland auslöste. Sie führte zu einer Emigrationswelle von überwiegend gut ausgebildeten Auswanderern nach Israel, Skandinavien, Frankreich und die USA. Die Säuberungswelle fiel zusammen mit Jugendprotesten im ganzen Land und einem Aufbegehren unter Intellektuellen, die sich hinter die Jugendlichen stellten. Damit kulminierten gleichzeitig ein Machtkampf innerhalb der PVAP (der mit der Säuberungswelle endete) und gesellschaftlicher Protest, mit dem sich die Babyboomer ihren Weg in die Institutionen bahnten und Intellektuelle und Studenten gegen eine immer engstirnigere Kultur- und Bildungspolitik protestierten. Vgl. ausführlicher: Bachmann, Repression, Protest, Toleranz (Anm. 5), S. 306-315.

22 Der Anteil derer, die keine Veränderung mit Bezug auf die Position des Vaters wahrnahmen, war im gleichen Zeitraum von knapp 24 auf 27 Prozent gestiegen.

23 Bei dieser Frage summierten sich die Angaben zu 100 Prozent.

24 Mehrfachnennungen waren möglich. Hinter der Frage nach dem Wohnort verbirgt sich natürlich wieder die Kluft zwischen Stadt und Land.

25 Der Bericht lässt offen, wie genau die Äußerungen der Befragten gesammelt und den Modellen zugeordnet wurden. Es ist anzunehmen, dass dies in Form von offenen Fragen geschah, deren Antworten dann von den Interviewern oder später bei der Analyse von Dritten den entsprechenden Modellen zugeordnet wurden. Die Modelle selbst entstammen einer Arbeit von Stanisław Ossowski, Struktura klasowa w społecznej świadomości [Die Klassenstruktur in der gesellschaftlichen Perzeption], Wrocław 1957.

26 O.Verf., Nierówności i niesprawiedliwości społeczne w świadomości społeczeństwa polskiego [Gesellschaftliche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Bewusstsein der polnischen Gesellschaft], 1980-09-30, OBOP 1980 K.27/189/80. Der Kurzbericht trägt den Vermerk: „Zum Dienstgebrauch“.

27 Auch hier konnten die Befragten mehrere Angaben machen, so dass sich die Prozentzahlen nicht auf 100 Prozent summieren.

28 CBOS, Nastroje społeczne i poglądy polityczne Polaków [Gesellschaftliche Stimmungen und Ansichten der Polen]. AAN, Zespół Gabinetu Urzędu Rady Ministrów 1.5 83, 52-2/86, 15.1.1986.

29 CBOS, Materialne warunki życia sołeczeństwa (Anm. 14), S. 4. Der Bericht trägt das Datum 1985, die Umfrage, die ihm zugrunde lag, stammt aber, wie aus dem Inhalt hervorgeht, von 1984.

30 Mehrfachnennungen waren möglich.

31 OBOP-Archiv, Mat. 33/498 vom 1.11.1988. Kommunikat z badań: Opinie społeczne o nowym rządzie [Untersuchungskommuniqué: Gesellschaftliche Meinungen über die neue Regierung]. Die Umfrage wurde am 24. und 25. Oktober 1988 unter Erwachsenen durchgeführt und umfasste ein für die erwachsene Gesamtbevölkerung repräsentatives Sample.

32 Bei den Parlamentswahlen 1993 gewannen die aus der PVAP hervorgegangenen Sozialdemokraten und ihre Bundesgenossen (die „Allianz der demokratischen Linken“, Sojusz Lewicy Demokratycznej, SLD) und die „Polnische Bauernpartei“ (Polskie Stronnictwo Ludowe, PSL) die Wahlen und bildeten eine Koalitionsregierung. Im Wahlkampf hatten sie eine soziale Abfederung der Reformpolitik und weniger Reformen versprochen.

Lizenz

Copyright © Clio-online – Historisches Fachinformationssystem e.V. und Autor/in, alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist zum Download und zur Vervielfältigung für nicht-kommerzielle Zwecke freigegeben. Es darf jedoch nur erneut veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der o.g. Rechteinhaber vorliegt. Dies betrifft auch die Übersetzungsrechte. Bitte kontaktieren Sie: <kirsch@zzf-potsdam.de>.

Für die Neuveröffentlichung von Bild-, Ton- und Filmmaterial, das in den Beiträgen enthalten ist, sind die dort jeweils genannten Lizenzbedingungen bzw. Rechteinhaber zu beachten.