Bundesrepublik und DDR in der Doppelkrise europäischer Industriegesellschaften

Zum sozialökonomischen Wandel in den 1970er-Jahren

Anmerkungen

Die gegenwärtigen wirtschafts- und sozialpolitischen Probleme der meisten europäischen Industriestaaten werfen Fragen nach den Wurzeln dieser Probleme auf. Dabei fällt der Blick schnell auf die im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eingetretenen ökonomischen und sozialen Veränderungen und ihre Folgen. Dem vorliegenden Aufsatz liegt die These zugrunde, dass es sich dabei um eine systemübergreifende Krise europäischer Industriegesellschaften handelte. Anscheinend begann in den 1970er-Jahren eine wirtschaftliche Strukturanpassungskrise, die in eine Krise des Sozialstaates mündete. Zugleich war sie im Ostblock wesentlicher Teil der finalen Systemkrise. Im Westen besaß die Krise Durchgangscharakter - allerdings mit bis heute reichenden Folgen.1 Diese zweifache Doppelstruktur ergab sich daraus, dass die europäischen Industriestaaten in West und Ost nach dem Golden Age die Auswirkungen des durch die dritte industrielle Revolution bedingten wirtschaftlichen Strukturwandels und der neuen demographischen Transition auf unterschiedlichen Wegen, aber zeitlich parallel zu bewältigen suchten.

Durch die Bipolarität der Systemkonkurrenz, die Erinnerung an frühere wirtschaftliche Erfolge und den Glauben an deren Reproduzierbarkeit wurde der Blick auf die systemübergreifende Krise europäischer Industriegesellschaften lange verstellt. Um sich diesem Problemfeld zu nähern, soll im Folgenden zunächst auf den Krisenbegriff eingegangen, anschließend die wirtschaftliche Entwicklung behandelt und dann der Arbeitsmarkt betrachtet werden. Schließlich sind die Verbindungslinien zum Sozialstaat darzustellen. Dabei geht es nicht darum, den sozialökonomischen Wandel in West und Ost im letzten Drittel des 20. Jahrhundert vollständig zu erläutern. Ausgespart bleiben unter anderem die Probleme des demographischen Wandels oder der Immi-gration. Ebensowenig wird hier auf die Veränderung der Akteurskonstellationen eingegangen. Vielmehr wird der Forschungsstand problematisiert,2 um einige offene Fragen und Forschungsperspektiven aufzuzeigen. Dabei konzen-triert sich die Darstellung auf die beiden deutschen Staaten, die hier cum grano salis für die beiden Blöcke in Europa stehen sollen.

1. Der Krisenbegriff

Im Westen Deutschlands wurde in den 1970er-Jahren der Begriff der Krise im hier interessierenden sozioökonomischen Kontext geradezu inflationär gebraucht.3 Das kann wiederum als Spiegelbild eines Krisenbewusstseins gedeutet werden. Zeitgenössisch identifizierten Sprachwissenschaftler „Krise“ als eine „Wortmünze, [...] die komplexe Vorgänge auf einen einfachen und vereinfachenden Nenner bringe“, sowie „als allgemeine und verallgemeinernde, negativ befrachtete schlagworthafte Summierung aller Unruhe und Beängstigung hervorrufenden Entwicklungen und Wandlungen“.4 Auch gegen solche kritischen Begriffsbetrachtungen betonte man im linken Teil des politischen Spektrums, dass die Krise real sei - sowohl in Arbeitslosigkeit, Haushaltsnöten und Wachstumsrückgang als auch in der mit ihr verbundenen Angst. Die Krise lasse sich „sowohl in materiellen Folgen als auch in Einstellungen und Verhaltensweisen [...] fassen“.5

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In der DDR dagegen blieb der Krisenbegriff allein für die westliche Welt reserviert.6 Schließlich legitimierte sich der ostdeutsche Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus; ein öffentlicher Krisendiskurs war da nicht zu erwarten. Selbst intern vermied es die SED-Spitze, diesen Terminus für die eigenen, ab Ende der 1970er-Jahre als durchaus bedrohlich empfundenen Wirtschaftsprobleme zu verwenden. Dagegen reflektierte die Bevölkerung die offensichtlichen Versorgungsengpässe immer wieder als Krise.7 Dies kann als ein Indikator dafür gelten, dass jenseits der gesteuerten Medienöffentlichkeit auch in der DDR ein Krisenbewusstsein vorhanden war.

Blieb im Osten bei der Betrachtung des Westens die Krise auch in der Zeit des Golden Age immer präsent, machten die westlichen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ebenso wie die dortige Historiographie erst seit Beginn der 1970er-Jahre mit dem „Wiederauftauchen“ des Konjunkturzyklus Krisen wieder verstärkt zu ihrem Gegenstand.8 Dennoch blieb der Krisenbegriff „ein Schlagwort, das nur in einigen wissenschaftlichen Kontexten mit kategorialer Stringenz verwendet wird“.9

Der hier zugrunde gelegte Krisenbegriff knüpft an Überlegungen von Hansjörg Siegenthaler und Rudolf Vierhaus an.10 Unter „Krise“ soll eine Situation verstanden werden, in der zuvor stabile und funktionierende Zustände und Strukturen sich auflösen, erodieren und dysfunktional werden. Dabei verlieren die Akteure das Vertrauen in die bis dahin bestehenden Institutionen, kognitiven Regelsysteme sowie die externen und internalisierten Verhaltensnormen. Dieser Verlust an Regelvertrauen, der sich in einem Krisenbewusstsein ausdrückt, tritt infolge anhaltender Unsicherheit ein, die Ergebnis unbefriedigend erscheinender Resultate des Handelns in dem vertrauten Regelsystem ist. In der Krise ergeben sich infolge von Prozessen fundamentalen Lernens Alternativen und neue Möglichkeiten. Auf deren Basis entsteht in diesen Phasen des sozialen Wandels neues Vertrauen, und Unsicherheit wird abgebaut. Sofern solche Regeländerungen - sei es in Gestalt von Reformen oder von Revolutionen - nicht vollzogen werden, löst dies Niedergangs-, Auflösungs- oder Verfallsprozesse aus. Im Unterschied dazu ist für eine Krise also ihr Durchgangs-charakter kennzeichnend. Aus dieser Perspektive ist nun aufzuzeigen, inwieweit für die 1970er-Jahre von einer Krise gesprochen werden kann.11

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2. Wirtschaftliche Entwicklung

In der Bundesrepublik wurde der Begriff der Krise vor allem vor dem Hintergrund der Konjunktureinbrüche 1974/75 und 1981/82 sowie der sich in der Zwischenzeit verstetigenden Sockelarbeitslosigkeit verwendet. Auch die in Reaktion auf die Erdölpreisexplosion verfügten „autofreien Sonntage“ 1973 galten als ein Symbol der Krise. Doch kann das seit den 1950er-Jahren kontinuierlich sinkende durchschnittliche Wirtschaftswachstum kaum den Um-bruchcharakter dieses Jahrzehnts belegen, denn in langfristiger Perspektive normalisierte es sich nur nach dem außergewöhnlichen Wachstum des Golden Age.12 Deutlicher wich indes die Inflation - gemessen am Lebenshaltungs-kostenindex - von den Jahrzehnten davor und danach ab: In den 1970er-Jahren stiegen die Preise in der Bundesrepublik bei relativ schwachem Wirtschaftswachstum ungewöhnlich stark an. Diese Kombination wurde als Stagflation bezeichnet und war ein neues Phänomen.

Durchschnittliche Zuwachsraten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und des Lebenshaltungskostenindex (LHK) der Bundesrepublik pro Konjunkturzyklus (in Prozent)

  1950-54 1955-58 1959-63 1964-67 1968-75 1976-82 1983-93
1994-2003
BIP 8,9 7,4 5,7 3,6 3,6 2,2 2,5 1,6
LHK 0,3 2,1 2,1 2,7 4,7 4,5 2,3 1,5

Berechnet nach: Deutsche Bundesbank, 50 Jahre Deutsche Mark. Monetäre Statistiken 1948–1997, München 1998 (CD-ROM), Tabelle DJ0728, UJ0062. Werte für 1994–2003 (vereinigtes Deutschland) nach Angaben des Statistischen Bundesamts: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/Inlandsprodukt/InlandsproduktsberechnungEndgueltigPDF_2180140.html; https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Preise/Verbraucherpreise/VerbraucherpreisindexLangeReihen.html.

Aus der Vielzahl von Äußerungen, die das damalige Krisenbewusstsein widerspiegelten, stach Mitte der 1970er-Jahre beispielsweise das einflussreiche Buch „Das technologische Patt“ des Innovationsforschers Gerhard Mensch heraus. Er sah den Kern der Krise „in der Drift des Strukturwandels“. Der Wandel löse bei den Menschen auf Angst und Hoffnung basierende Identitätskrisen aus: Angst vor dem Herausgerissensein aus der vertrauten Arbeits- und Lebenswelt, aber auch Hoffnung auf neue Aktivitäten und Perspektiven, die sich aus Innovationen ergeben würden.13

In der DDR brach demgegenüber 1971, 1976 und 1982 das Wirtschaftswachstum ein.14 Allerdings ist das ostdeutsche Wachstum - noch dazu im Vergleich zur Bundesrepublik - infolge von Datenproblemen schwer zu beurteilen. Unabhängig von der verwendeten statistischen Basis zeigt sich, dass die Zuwachsraten seit den 1950er-Jahren ebenfalls kontinuierlich zurückgegangen waren, sich aber in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre noch einmal verbesserten, ehe sie sich in den folgenden Jahren zusehends verschlechterten.15 Auch in der DDR beschleunigte sich die Inflation in den 1970er- und 1980er-Jahren gegenüber den 1960er-Jahren, wobei der Preisanstieg in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre besonders stark ausfiel.16 In Kombination mit den Angebotsdefiziten und staatlich verordneten Sparmaßnahmen nahm die Bevölkerung dies durchaus als krisenhaft wahr.17

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Tendenziell stimmten die ökonomischen Entwicklungen in West und Ost überein. Auf beiden Seiten gab es auch Indikatoren dafür, dass das Regelvertrauen erschüttert wurde, wenngleich die Akteure darauf erst einmal eher mit einem Beharren auf alten Regeln reagierten. Da hier aus dem wirtschaftlichen Handeln in unterschiedlichen politischen Systemen eine Koinzidenz resultierte, muss deren Erklärung augenscheinlich zunächst jenseits des Politikhandelns gesucht werden, bevor dieses dann näher betrachtet wird. Zudem kann nach lang- und mittelfristigen sowie kurzfristigen Ursachen unterschieden werden, wobei hier zunächst auf erstere eingegangen wird.

Erstens hatte sich in der Bundesrepublik das Rekonstruktions- und Aufholpotenzial, welches das schnelle Wachstum getragen hatte, nach und nach erschöpft. Dadurch verschlechterten sich zweitens auch die Angebotsbedingungen. Es wurde zunehmend schwieriger, technischen Fortschritt zu generieren. Auch durch die Erhöhung der Sachkapitalintensität sank die Grenzproduktivität des Kapitals, d.h. mit der gleichen Investitionsquote ließ sich immer weniger Ertrag erzielen. Nachdem die Primärgüterpreise im Boom zunächst nur langsam gestiegen waren, zog das exorbitante Wachstum mittelfristig eine Zunahme der Rohstoffpreise nach sich, wobei der wirtschaftliche Aufstieg einiger asiatischer Länder nicht nur den Konkurrenzdruck für die entwickelten Industrieländer, sondern auch diesen Preisauftrieb bereits vor dem Ölpreisschock von 1973 verstärkte.18 Zudem hatte die Überbeschäftigung im Boom auch die Mobilität der Beschäftigten verringert.19

Drittens veränderte sich während des Golden Age die Nachfrage: Zunehmend gesättigte Konsumgütermärkte und - damit verbunden - anspruchsvollere Konsumenten förderten die Abkehr von Massenprodukten.20 Zugleich hatte das fordistische Produktionsmodell im Boom seine Grenzen erreicht, und die Wachstumsimpulse der dritten industriellen Revolution mit ihrer Flexibilisierung der Technik und dem sich abzeichnenden Postfordismus waren als Ausgleich noch zu schwach. Diese drei Punkte galten - mit Verzögerungen und Abstrichen - auch für die DDR. Allerdings unterschied sich das Wirkungsgefüge dieser Faktoren durch die andere Verfasstheit des Wirtschaftssystems.

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Viertens war in der Bundesrepublik während des Booms die Deagrarisierung abgeschlossen worden und damit eine der wesentlichen Produktivitätsquellen verlorengegangen. Zugleich nahm infolge des technischen Fortschritts seit den 1970er-Jahren die Beschäftigung in der Industrie absolut und relativ ab. Die Basis dafür lag sowohl in der Tertiarisierung der Sachgüterproduktion als auch in der Industrialisierung der Dienstleistungen. Gerold Ambrosius spricht von einem zunehmend „symbiotischen Verhältnis“ zwischen Industrie- und Dienstleistungssektor, wobei sich beide immer weniger unterscheiden ließen. Gleichwohl behielt die Industrie ihre beherrschende Stellung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gefüge der Bundesrepublik.21 Dementsprechend handelte es sich bei der Tertiarisierung im Kern nicht um eine sektorale Strukturverschiebung, sondern um einen sektorübergreifenden Wandel der Produktionsstrukturen, der vom verschärften weltwirtschaftlichen Wettbewerb angetrieben wurde.22 In dem Maße, wie der intersektorale Strukturwandel an Grenzen stieß, verringerte sich schließlich auch das Wachstum.23

Diese Tendenzen wurden mit Verzögerung und gewissen Eigenheiten auch in der DDR wirksam, so dass eine Untersuchung, die für 1989 vergleichbare Werte für die Bundesrepublik und die DDR bestimmte, zu dem Ergebnis kam, dass zum einen die Struktur der DDR-Wirtschaft derjenigen der Bundesrepublik im Jahr 1981 glich. Zum anderen war der ostdeutsche Dienstleistungsbereich größer, als oft unterstellt wird, denn nach diesen Angaben arbeiteten dort mehr als die Hälfte der Beschäftigten.24

Die Konsequenz aus diesen Befunden muss sein, das Konzept des sektoralen Strukturwandels in Frage zu stellen und zu historisieren. Damit wird das Augenmerk auch auf den intrasektoralen Strukturwandel gelenkt. Es ist bemerkenswert, dass die Politik zwar im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit den intraindustriellen Strukturwandel zur Kenntnis nahm,25 kaum aber den Gewichtsverlust des industriellen Sektors innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Bilanz. Vermutlich - so eine mögliche These - war es gerade die sektorübergreifende Form der Umgestaltung der Produktionsstrukturen, die eine größere Aufmerksamkeit für die schwindende Bedeutung der „reinen“ Industriewirtschaft verhinderte.

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Neben diesen lang- und mittelfristigen Faktoren, die den Wachstumseinbruch der 1970er-Jahre verursachten, lassen sich dafür ebenso kurzfristige Umstände ausmachen. Erstens folgte den ohnehin schon steigenden Weltmarktpreisen für Rohstoffe und Nahrungsmittel 1973 die erste Explosion der Erdölpreise, was wiederum einen Konsumrückgang im Westen nach sich zog.26 Zweitens brach das Weltwährungssystem von Bretton Woods mit seinen feststehenden, aber anpassbaren Wechselkursen 1973 zusammen. Damit erhöhte sich die Volatilität im gesamten Wirtschaftskreislauf und in der Folge auch die Unsicherheit bei den Akteuren. Zudem nahm die internationale Kapitalmobilität weiter zu, was den Anpassungsdruck für die nationalen Produzenten steigen ließ. Drittens wurde die heute nur als Konjunkturdelle angesehene Krise von 1966/67 relativ schnell überwunden, und der folgende Aufschwung verknappte den Faktor Arbeit bei zunehmender Inflation, was hohe Lohnforderungen nach sich zog. In der Folge stiegen zwischen 1969 und 1974 die Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft nominal jährlich im Mittel um 11,4 Prozent, was die Inflation weiter anheizte.27 Dieser Kostenanstieg bei den wesentlichen Produktionsfaktoren - Kapital, Arbeit und Rohstoffen - beschränkte die Gewinne und Investitionen und war im Zusammenspiel mit den angeführten langfristigen Faktoren die Basis für den Wachstumseinbruch.

Diese strukturellen Bedingungen wurden durch die Wirtschaftspolitik noch verschärft: Die Bundesbank nutzte die geld- und währungspolitischen Spielräume, die sich nach dem Wegfall des Systems von Bretton Woods eröffneten, und stützte ab dem Frühjahr 1973 nicht mehr den US-Dollar. Sie ging zur Hochzinspolitik über, um die Inflation zu dämpfen.28 Im Verlauf der nächsten Jahre verfolgte sie immer mehr eine monetaristische Politik. Die Bundesregierung versuchte im Sinne keynesianischer Politik die überhitzte Konjunktur zu bremsen, auch weil der Sachverständigenrat noch Wachstum voraussagte, als bereits die Rezession einsetzte. Daraufhin erlebte die Bundesrepublik 1975 ihren bis dahin tiefsten Konjunktureinbruch.29 Trotz eines ursprünglich nicht vorgesehenen Programms zur Konjunkturankurbelung, das letztlich die Inflation weiter befeuerte, stieg die Arbeitslosigkeit. Die damit auch wachsenden Haushaltsdefizite engten den Spielraum für weitere Konjunkturspritzen ein. Daraufhin erließ die Bundesregierung im Januar 1976 ein erstes Haushaltsstrukturgesetz, das die öffentlichen Defizite reduzieren sollte. Das neuartige Phänomen der Stagflation bei hoher Arbeitslosigkeit sowie die Unsicherheit im Umgang damit erklären möglicherweise das für die folgenden Jahre typische Schwanken der Wirtschaftspolitik zwischen Versuchen, die Haushalte zu konsolidieren, und in sich widersprüchlicher Interventionen zugunsten unterschiedlicher Ziele. Sie wurden nur teilweise erreicht, und die Staatsverschuldung stieg weiter an.30 Zeitgenössisch wiesen bereits Michael J. Piore und Charles F. Sabel darauf hin, dass der Kern der Krise der 1970er-Jahre nicht nur in den wirtschaftlichen Einbrüchen zu sehen sei, sondern auch darin, dass diesen mit den Theorien und Strategien der zurückliegenden Jahrzehnte nicht zu begegnen sei, was sich „im öffentlichen Bewußtsein zu einer umfassenden Krise des industriellen Systems“ verdichte.31

Die Politik verlor nun offensichtlich das Vertrauen in den Anspruch von Reformen und politischer Planung, wie er wirtschaftspolitisch mit der Globalsteuerung und der Konzertierten Aktion verbunden war, deren Vorgeschichte bis in die zweite Hälfte der 1950er-Jahre zurückreichte.32 Gleichwohl kam der Keynesianismus in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich so spät und zurückhaltend zum Tragen, dass Werner Abelshauser konstatiert, die „keynesianische Revolution“ habe in der Bundesrepublik nicht stattgefunden.33 Es war eine Ironie der Geschichte: Gerade in dem Moment, als der Umfang der Arbeitslosigkeit es erstmals seit den 1930er-Jahren zweckmäßig erscheinen ließ, keynesianische Prozesspolitik anzuwenden, wurden die Schwächen dieser Politik bzw. ihrer theoretischen Basis thematisiert, und man wandte sich von ihr ab.34

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Der Vertrauensverlust bei den Akteuren in den 1970er-Jahren hatte zwei Folgen: Zum einen schuf er die Basis für die Abkehr von der keynesianisch inspirierten Nachfragepolitik hin zur monetaristisch orientierten Angebotspolitik, die aber in der Bundesrepublik auch nicht im selben Maße wie im angelsächsischen Raum umgesetzt wurde. Zum anderen veränderte er die wirtschaftlichen Gegebenheiten; die Unternehmen reagierten mit Diversifikation und Divisionalisierung. Mit Übernahmen und Fusionen wurden Konkurrenten ausgeschaltet und somit in der Regel Arbeitsplätze abgebaut. Zudem verringerten die Akteure bei Unsicherheit ihre Nachfrage nach Kapitalgütern. Letztlich führte so „die Kumulation nichtintendierter Handlungsfolgen [...] die Ökonomie in die Krise“.35

Die Wirtschaftspolitik wurde nun als Krisenmanagement eher von kurzfri-stigen Reaktionen auf veränderte Gegebenheiten bestimmt.36 Unbefriedigendes Wissen über die Funktionsweise des ökonomischen Systems, das auch auf Erklärungsdefiziten der Wirtschaftstheorie basierte, führte zu Ratlosigkeit und Aktionismus.37 Das Dilemma der sozialliberalen Regierung bestand darin, dass der von ihr akzeptierte intraindustrielle Strukturwandel ständig soziale Kosten produzierte, während sich die Gestaltung dieses Wandels weitgehend ihrem Einfluss entzog. Ihr Krisenmanagement erreichte seine Grenzen, wenn die sozialen Kosten die Möglichkeiten des Sozialstaates und die Bereitschaft der Gewerkschaften zu Zugeständnissen überschritten. Mit diesem Problem hatte auch die 1982 folgende konservativ-liberale Regierung zu kämpfen, die darüber hinaus die Staatseingriffe zurückschrauben, die Soziale Marktwirtschaft und das Unternehmertum stärken wollte.38 Im Verlauf der 1980er-Jahre konnte sie gewisse Erfolge erzielen, wobei die Wende in der Wirtschaftspolitik schrittweise aber bereits unter der sozialliberalen Koalition stattgefunden hatte.39 Eine neue Wachstumsdynamik konnten weder keynesianische noch neoklassisch-monetaristische Konzepte schaffen.40

In der DDR dagegen meinte die SED-Spitze zunächst, dass sie die Preisexplosion für Rohstoffe nicht betreffe. Schließlich bekam sie den Großteil der Rohstoffe aus der Sowjetunion zu Preisen, die nur verzögert das Weltmarktniveau widerspiegelten. Jedoch wurde auf Verlangen der Sowjetunion ab 1975 der Preisbildungsmechanismus im RGW geändert, so dass sich die gestiegenen Weltmarktpreise jetzt auch dort schneller bemerkbar machten. Damit hatte die DDR höhere, wenngleich immer noch unter dem Weltmarktniveau liegende Rohstoffpreise zu zahlen.41 Ebenso betrachtete die DDR-Führung die Währungsturbulenzen und den Fall des Systems von Bretton Woods zunächst als ein Phänomen des kapitalistischen Systems, mit dem man selbst nichts zu tun habe. Angesichts der im Laufe der 1970er-Jahre ansteigenden Westverschuldung der DDR spielte aber die höhere Volatilität der Kapitalmärkte auch für sie eine Rolle, was ihre Kosten erhöht haben dürfte. Zudem wurde die DDR-Volkswirtschaft durch den Wechsel hin zu einer verstärkten Konsum- und Sozialpolitik, wofür die Technologieoffensive der späten 1960er-Jahre gestoppt wurde, insbesondere in den Jahren zwischen 1971 und 1976 mit hohen zusätzlichen Kosten belastet.42 Wie auch in anderen Ostblockländern sollten mit diesen sozialen Vorleistungen bessere Arbeitsmotivation und höhere Arbeitsproduktivität erzielt werden.

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Damit ging die Wirtschaftspolitik in der DDR seit Anfang der 1970er-Jahre aber tendenziell zu Lasten der volkswirtschaftlichen Substanz. Schon auf die Wachstumskrise Ende der 1960er-Jahre hatte die SED-Spitze mit dem Abbruch der Wirtschaftsreform reagiert und den planwirtschaftlichen Lenkungsmechanismus „klassischer“ Provenienz wieder etabliert. Damit sollte gegen in der Reform entstandene Unsicherheiten vorgegangen und mit den alten Institutionen wieder Regelvertrauen geschaffen werden. Dies vergrößerte aber weiter die bekannten Ineffizienzen. Strukturwandel und Innovation wurden nur noch als abgeleitete Ziele betrachtet. Spätere gezielte Versuche, die Mikroelektronik zu entwickeln, konnten unter den gegebenen Rahmenbedingungen nur unbefriedigende Ergebnisse erzielen. Damit ging der Verlust der utopisch-visionären Aspekte des Sozialismus-Projektes einher. Dies wiederum führte neben dem fortschreitenden Substanzverlust und den sich verschlechternden weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen dazu, dass die Wirtschaftspolitik in der DDR ähnlich wie in der Bundesrepublik als Krisenmanagement und mit Aktionismus betrieben wurde. Auch dadurch wurde bei den Funktionseliten und der Bevölkerung wenigstens ab Ende der 1970er-Jahre das Regelvertrauen brüchig oder ging ganz verloren.43

Alles in allem zeigten sich in den beiden Blöcken analoge Erscheinungen nachlassenden Wachstums, die systemübergreifende Ursachen hatten, wenngleich sie in ihren Wirkungszusammenhängen systemspezifisch geprägt waren. Die Konsequenzen dieser Entwicklungen für den Arbeitsmarkt wiesen in beiden Systemen ebenso Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf.

3. Arbeitsmarkt

Der Sozialismus trat bekanntlich mit dem Anspruch an, im Unterschied zum marktwirtschaftlichen System Vollbeschäftigung zu gewährleisten. Als der Westen in den 1970er-Jahren massiv mit Unterbeschäftigung zu kämpfen hatte, wurden aber auch in den Ländern des Ostblocks die Arbeitsmarktverhältnisse prekärer: Während Polen nach dem Zweiten Weltkrieg immer unter einer mehr oder weniger verdeckten Unterbeschäftigung litt und in Ungarn mit der Wirtschaftsreform in den 1980er-Jahren Betriebsschließungen und damit zumindest temporäre Arbeitslosigkeit zugelassen wurden, bot die DDR bis zu ihrem Zusammenbruch den Anschein von Arbeitskräftemangel und Überbeschäftigung. Dahinter verbarg sich aber die durch niedrige Produktivität bedingte „verdeckte“ Arbeitslosigkeit, die für 1989 (mit einer nicht unumstrittenen Methode) auf 15 Prozent geschätzt wurde.44 Dazu kam im Zusammenhang mit der Fluktuation der Arbeitskräfte noch eine offene, unregistrierte Arbeitslosigkeit, die sich Anfang der 1980er-Jahre auf etwa 0,6 Prozent belief.45 Das Hauptproblem im Sozialismus waren also weniger die bei offener Arbeitslosigkeit vollkommen brachliegenden Arbeitskräfte, sondern die ineffizient eingesetzten Beschäftigten. Die Entwicklung des „Arbeitsmarktes“ in den sozialistischen Ländern bedarf jedoch noch näherer Untersuchung.

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Dagegen sind die Eckdaten der Arbeitsmarktentwicklung der Bundesrepu-blik gut bekannt. Im Boom herrschte Vollbeschäftigung: Von 1960 bis 1973 - mit Ausnahme des Jahres des ersten Konjunktureinbruchs 1967 - lag die Zahl der offenen Stellen über derjenigen der Arbeitslosen. Letztere stieg mit dem Wachstumseinbruch 1974/75 schnell auf über eine Million. Diese Grenze unterschritt sie in den folgenden Jahren bei anspringender Konjunktur nur leicht, um mit dem nächsten Konjunktureinbruch 1981/82 wieder schnell auf nun weit über zwei Millionen zuzunehmen. Bis 1989 rutschte die Zahl der Arbeitslosen nicht unter diesen Wert, wobei die Quote mit 9,3 Prozent 1985 ihren Höchststand in diesem Jahrzehnt erreichte.46 So ist mit dem französischen Soziologen Robert Castel vom „Bruch einer Verlaufskurve“ zu sprechen, der einen markanten Einschnitt in der Entwicklung moderner Arbeitsgesellschaften und ihrer sozialen Sicherungssysteme bedeutete.47

Ohne hier auf die Vielzahl der Erklärungen für die Arbeitslosigkeit eingehen zu können,48 ist mit Bezug auf den intrasektoralen Strukturwandel bemerkenswert, dass die Unterbeschäftigung nicht so sehr auf die Zunahme der Nettofreisetzungen vor allem in den schrumpfenden Branchen (Eisen und Stahl, Textilien, Bekleidung und Schiffbau) zurückgeführt wird, sondern vielmehr auf eine Abnahme der Nettozugänge an Arbeitsplätzen vor allem in den Wachstumsbranchen (hochtechnologischer Maschinenbau, Mikroelektronik, Luft- und Raumfahrzeugbau) und in den mittleren Industrien (chemische und kunststoffverarbeitende Industrie, Straßenfahrzeugbau, Maschinenbau einschließlich Büromaschinenbau und EDV-Bau, elektrotechnische, feinmechanische und optische Industrie). In diesen Branchen entstanden ebenso wie im Dienstleistungsbereich vor allem Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeitskräfte, die aber quantitativ nicht ausreichten, um den gesamtwirtschaftlichen Arbeitsplatzabbau zu kompensieren.49 Insbesondere die gering Qualifizierten bildeten infolge des skill-biased technical change und weniger wegen des zunehmenden internationalen Handels den Kern der sich herausbildenden Sockelarbeitslosigkeit.50 Der Zusammenhang zwischen Strukturwandel und Arbeitslosigkeit ist von den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zwar vielfach thematisiert, aber historisch bisher nur selten untersucht worden.51 Vor allem Analysen auf der Mikro- und Mesoebene versprechen hier neue Erkenntnisse, wobei nicht nur die Verlierer, sondern vor allem auch die Wachstumsbranchen in den Blick zu nehmen wären.

Den glimpflichen Ausgang der Rezession von 1966/67 vor Augen, galt die 1974/75 einsetzende Beschäftigungskrise zunächst als eine zeitweilige Störung und Vollbeschäftigung weiterhin als wiederherstellbarer Normalzustand. Doch die im keynesianischen Geist in Szene gesetzte aktive Arbeitsmarktpolitik erwies sich allenfalls als begrenzt wirksam.52 Seit klar war, dass die steigende Arbeitslosigkeit keine vorübergehende Erscheinung bleiben würde, sondern sich zu verfestigen drohte, suchten westliche Industrieländer auch Entlastung, indem sie das Arbeitszeitvolumen verringerten. Zum einen konnte die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit und zum anderen die Lebensarbeitszeit reduziert oder dereguliert werden. Die erste Variante folgte einem säkularen Trend, der sich in den 1970er-Jahren verstärkte.53 Die zweite Variante - der frühe Ausstieg aus dem Berufsleben - gewann in den 1970er-Jahren parallel zur einsetzenden Beschäftigungskrise an Signifikanz, und zwar in allen entwickelten Volkswirtschaften.54 In der Bundesrepublik ging die effektiv geleistete Jahresarbeitszeit von 1.885 Stunden 1970 auf 1.603 Stunden 1989 zurück.55 Arbeitszeitverkürzung und vorzeitiger Ruhestand spielten aber auch in den Ländern des Ostblocks eine Rolle: In der DDR sank die tatsächlich geleistete Jahresarbeitszeit - wenn auch weniger deutlich und auf einem höheren Niveau als im Westen - von 1.944 Stunden 1970 auf 1.780 Stunden 1989.56 Allerdings müssen die Arbeitszeitpolitik der DDR und deren Konsequenzen für den „Arbeitsmarkt“ in den 1970er- und 1980er-Jahren ebenfalls noch näher untersucht werden.

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Zeitgenössische Erörterungen zum Beschäftigungsproblem in der Bundesrepublik nahmen den Krisenbegriff nur zögernd auf. Die beginnende Erosion der industriell geprägten Erwerbsmodelle und Arbeitsbeziehungen lenkte das Interesse der sozialwissenschaftlichen Forschung seit Mitte der 1970er-Jahre auf die subjektbezogene Seite des Problems.57 Aber es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis der Deutsche Soziologentag das Thema 1982 - allerdings mit Fragezeichen versehen - als „Krise der Arbeitsgesellschaft“ aufgriff.58 Diese Krise sah Claus Offe 1984 dadurch gekennzeichnet, „daß die förmliche Erwerbsarbeit die subjektive Qualität verliert, organisierendes Zentrum der Lebenstätigkeit, der sozialen Fremd- und Selbsteinschätzung und der moralischen Orientierungen zu sein“.59 Zudem mehrten sich die Anzeichen von Verunsicherung und Orientierungsschwäche, wie sie in Jürgen Habermas’ Formulierung von der „neuen Unübersichtlichkeit“ aufscheinen.60 Später kamen weitere Stichworte hinzu wie Ulrich Becks „Risikogesellschaft“ oder die „reflexive“ bzw. „zweite“ Moderne.61 Gemeinsam war solchen Erklärungsansätzen eine durch Unsicherheit und Skepsis geprägte Grundstimmung, die allerdings die Chance der Freiheit offen ließ.62 Doch die neuen Begriffe gaben keine überzeugende Antwort darauf, dass ein Punkt erreicht war, von dem an weder Erweiterungs- noch Rationalisierungsinvestitionen und auch nicht die Erweiterung des Dienstleistungssektors den Arbeitsplatzabbau in der Industrie kompensieren konnten.63

Die Unsicherheit in Bezug auf die Entwicklungstendenzen des Arbeitsmarktes ließ es ratsam erscheinen, an geläufigen Denk- und Handlungsmustern festzuhalten. Zugleich erklärt sie die mangelnde Sensibilität für Krisensymptome der modernen Arbeitsgesellschaften. Nicht zuletzt spiegelte sie auch einen Verlust an Regelvertrauen wider, wobei sich Alternativen bestenfalls andeuteten.

4. Sozialstaat64

Wenn von einer Beschäftigungskrise die Rede ist, kann die Krise der sozialen Sicherungssysteme nicht weit sein, weil soziale Sicherung historisch immer auf menschlicher Arbeit basierte. In dieser Verbindung offenbaren sich die kulturellen und sozialen Dimensionen der Arbeit.65 Deshalb liegt es nahe, die Konsequenzen der in den 1970er-Jahren in Westeuropa aufbrechenden Beschäftigungskrise für die sozialen Sicherungssysteme näher zu betrachten. Schließlich ist deren dauerhafte Funktionsfähigkeit in Frage gestellt, wenn die Zahl derer sinkt, die ihren Lebensunterhalt aus eigenem Erwerbseinkommen bestreiten und darüber hinaus durch Steuern und Beiträge den Sozialstaat mitfinanzieren, während die Zahl derer zunimmt, die von sozialen Transferzahlungen existieren müssen.66

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Hinter dieser einfachen Kausalbeziehung verbirgt sich aber eine weitaus komplexere Problemlage. Sie resultierte einerseits aus der Teilung Europas in konkurrierende Blocksysteme und deutete sich andererseits in differierenden zeitgenössischen Wahrnehmungsmustern an. In Westeuropa betrachtete man die Entwicklung zunächst recht gelassen. Auch wenn die steigende Arbeitslosigkeit Mitte der 1970er-Jahre Anlass zur Sorge gab, blieb Vollbeschäftigung noch eine scheinbar realistische Option. Zudem sah es so aus, dass die sozialen Sicherungssysteme der Last zeitweise erhöhter Arbeitslosenquote standhalten würden. Anders im östlichen Europa: Die 1968 in der CSSR und 1970 in Polen spektakulär aufgebrochenen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten bildeten nur die Spitze des Eisbergs. Die um 1970 erfolgte Korrektur im Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialpolitik entlastete zwar kurzzeitig, denn zunächst konnte man noch von den produktivitätswirksamen Vorleistungen der späten 1960er-Jahre zehren, doch schon 1973/74 liefen sich die wirtschafts- und sozialpolitischen Doppeloffensiven fest - am dramatischsten wiederum in Polen.67 Zum einen kollidierte der aus der dritten industriellen Revolution resultierende hohe Investitionsbedarf mit einem Rückstau sozialer Erwartungen in der Bevölkerung. Zum anderen war die Befriedigung dieser Erwartungen nicht an Leistungsanreize geknüpft, deren Gestaltung aus systemischen Gründen unbefriedigend bleiben mußte. Deshalb gab es auch wenig Anlass zu glauben, dass so die Produktivitätsrückstände aufgeholt werden könnten. Der Unterschied war beträchtlich: Während in Westeuropa einer seit 1974/75 sichtbar werdenden Beschäftigungskrise durchaus noch keine Krise des Sozialstaates folgte, brach diese im östlichen Europa auf, als man versuchte, der anstehenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme Herr zu werden. Die Krise der sozialistischen Sozialstaaten weitete sich rasch zur Systemkrise des „Realsozialismus“.

Die in liberalen Markt- und sozialistischen Planwirtschaften gleichermaßen relativ hohen Wachstumsraten der 1950er-Jahre hatten eine beträchtliche Expansion der Sozialleistungen in West und Ost ermöglicht. In der Bundesrepublik beschleunigte sich der Anstieg der Sozialquote seit den 1960er-Jahren. In der DDR nahm die Sozialquote ebenfalls zu, wenn auch nicht so dynamisch wie in der Bundesrepublik.68 Diese Parallelität legt es nahe, von einer mehr oder minder bewusst akzeptierten Sozialstaatskonkurrenz zwischen West und Ost auszugehen, wobei Anthony Giddens darauf hingewiesen hat, dass sich der westeuropäische keynesianische Wohlfahrtsstaat zugleich auch gegen den amerikanischen Marktliberalismus abgrenzte.69 In der Folge dehnte sich in West und Ost der Kreis derjenigen aus, die auf soziale Transferleistungen Anspruch erheben konnten. In beiden Fällen entstanden im Rahmen einer zunehmend über die Grundsicherung hinausgehenden Sozialpolitik Voraussetzungen für eine verbesserte Lebensqualität besonders der lohnabhängigen Bevölkerungsgruppen. Zugleich machte sich im Gefüge der unterschiedlichen Modelle von Sozialstaatlichkeit eine verwickelte Dialektik geltend: Der bisherige Erfolg barg die Voraussetzungen einer Krise, musste aber nicht zwingend dazu führen. So wies Knut Borchardt bereits vor längerem darauf hin, dass der Wachstums- und Beschäftigungserfolg der Nachkriegszeit die Bedingungen seiner Fortsetzung untergrub. Beispielsweise stärkte die Vollbeschäftigung die Position der Gewerkschaften, weshalb diese auf eine Änderung der Einkommensverteilung drängten, womit sich die Gewinnaussichten der Unternehmen verschlechterten. Zugleich wurden die sozialen Sicherungssysteme ausgeweitet, was die Flexibilität der Wirtschaft beeinträchtigte und die Kosten erhöhte. Beides führte zu Arbeitsplatzabbau.70

Die Sozialsysteme in West und Ost unterlagen wachsenden Belastungen, die mehr oder minder direkt auf die Haushalte der betreffenden Länder durchschlugen und die Staatsquote nach oben trieben. Insofern warf der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit 1974/75 die Frage auf, welche Konsequenzen mit Blick auf die sozialen Sicherungen zu ziehen waren.71 Anders als die Beschäftigungsfrage ist dieses Problemfeld auch frühzeitig erkannt worden. Nachdem erstmals jener Effekt eintrat, dass die anziehende Konjunktur den Arbeitsmarkt nur partiell erfasste, wurde auf die neue Problemlage teils unsicher, teils inkonsequent und inadäquat reagiert. Man registrierte die drohende Überforderung und war gleichwohl überzeugt, die akute Unpässlichkeit sei mit den verfügbaren Hausmitteln zu kurieren: Ab Mitte der 1970er-Jahre bemühte man sich diesseits und jenseits der Blockgrenze, durch Sparmaßnahmen und langfristiges Festschreiben des sozialen Leistungsniveaus den - allerdings aus unterschiedlichen Gründen zustande gekommenen - Druck auf die Sozialsysteme zu mindern. Gleichzeitig hielt die Tendenz zum Ausbau der Sozialsysteme jedoch an. Typisch zeigte sich diese widersprüchliche Entwicklung in der Bundesrepublik, wo seit Mitte der 1970er-Jahre sowohl die finanzielle Konsolidierung der Sozialsysteme als auch deren teilweise Ausweitung, besonders im Bereich der Familienpolitik, betrieben wurde.72

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Im Umgang mit dem wachsenden Druck auf den Sozialstaat wurde ein Spannungsverhältnis maßgebend, das sich zwischen „Erfahrungsräumen“ und „Erwartungshorizonten“ entfaltete. Mit ersteren hat Reinhart Koselleck eine „gegenwärtige Vergangenheit“ umschrieben, „deren Ergebnisse einverleibt worden sind“; der andere Begriff „zielt auf das Noch-Nicht, auf das Nicht-Erfahrbare, auf das Nur-Erschließbare“.73 Unvermeidlich blieb auch die Sozialpolitik der 1970er-Jahre in einer solchen Polarität gefangen. Oder anders gesagt: Pfadabhängigkeit wirkte unter den gegebenen Bedingungen als Orientierungsrahmen und Stabilisierungshilfe gleichermaßen und behinderte die Entwicklung alternativer Konzepte.

Letztlich bahnte sich in West und Ost ein normativer Konflikt zwischen Wirtschaft und Sozialstaat an.74 Exemplarisch zeigte er sich in der Frage, wieviel Sozialstaat man sich künftig noch leisten könne. Auch im sowjetischen Machtbereich kam man nicht umhin, darauf eine Antwort zu finden. Relativ schnell und nicht unzutreffend reagierte darauf beispielsweise die SED-Führung Mitte der 1970er-Jahre in ihrem neuen Programm mit der Formel der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“.75

Tatsächlich bildete die Spannung zwischen wirtschaftlichen und sozialen Zielen, zwischen Erwerbsarbeit und sozialer Sicherung den Kern der hier betrachteten Problematik. Zu fragen ist allerdings, ob die Komplexität dieser Situation im politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess adäquat berücksichtigt wurde. Vereinfachend lässt sich festhalten, dass westliche Gesellschaften den Fokus eher auf die Situation der Arbeitsmärkte richteten, während im Ostblock die vorrangige Sorge der Sozialpolitik galt. Den gemeinsamen Nenner beider Systeme stellte aber die Sorge um die politische Stabilität dar. Diese bildete ein Entscheidungskriterium letzter Instanz: Aus historischer Erfahrung wusste man, dass Massenarbeitslosigkeit für jedes Herrschafts-system zur Bedrohung werden kann. Zugleich sahen sich die Parteidiktaturen des Ostens in den 1970er-Jahren mehr denn je vor der Notwendigkeit einer Herrschaftslegitimation durch Sozial- und Konsumpolitik. Die deshalb um 1970 eingeleitete sozialpolitische Offensive erforderte über die gesamten 1970er-Jahre hinweg zusätzliche Mittel, die zunehmend die volkswirtschaftlichen Leistungsgrenzen strapazierten. Dagegen stiegen in den marktwirtschaftlich orientierten Ländern die sozialpolitisch motivierten Ausgaben vor allem in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre schneller als die Wirtschaftsleistung. Gleichwohl lassen sich die von Gerhard A. Ritter zusammengetragenen Daten für sich genommen kaum als Indikatoren für eine Krise des Sozialstaates deuten.

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Anteil der Kosten der sozialen Sicherheit in ausgewählten europäischen Ländern am Bruttoinlandsprodukt/Nettosozialprodukt (in Prozent)
 

  1970 1975 1980
Länder mit Marktwirtschaft      
BR Deutschland 17,1 23,7 24,0
Frankreich 15,3 24,1 26,7
Italien 15,0 21,2 21,5
Schweden 18,6 25,0 31,9
Vereinigtes Königreich 13,7 16,0 17,3
       
Länder mit Planwirtschaft      
CSSR 18,0 17,2 18,9
DDR 12,3 14,3 15,8
Polen 10,7 11,0 15,7
UdSSR 11,9 13,8 15,5
Ungarn 11,0 14,9 18,3

Zusammengestellt nach vergleichbaren Angaben der International Labour Organization (ILO) aus: Gerhard A. Ritter, Der Sozialstaat. Entstehung und Entwicklung im internationalen Vergleich, 2. Aufl. München 1991, S. 202.

Tatsächlich war es zu dieser Zeit noch gar nicht sicher, ob es sich im Hinblick auf die Beschäftigungssituation nicht doch nur um zeitweilige Schwierigkeiten handelte. Auch erschien es nicht abwegig, den zunehmenden sozialpolitischen Erfordernissen durch steigende Produktivität Rechnung tragen zu wollen. Während die Debatte im östlichen Europa diese einfache Kausalbeziehung zum einen auf die dritte industrielle Revolution zu projizieren suchte, kalkulierten die Machteliten zum anderen mit dem Einsatz solcher Mittel, mit denen es auch bisher gelungen war, Krisen der Parteiregime zu bewältigen. Erneut ging es hier um ein politisch dosiertes Pendeln zwischen Investition und Konsumtion - womit die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten aber auch schnell überfordert waren.

Die im Westen angestellten Überlegungen zum Wandel der Arbeitswelt gingen bereits in die Richtung, den Anbruch einer postindustriellen Ära zu prophezeien. Die neuen Probleme des Sozialstaates resultierten demnach aus der schwächer werdenden Leitfunktion der Erwerbsarbeit. Bildeten Erwerbsarbeit und Beruf bis dahin „das Geländer, an dem entlang das Leben der Menschen geordnet wurde“, so ging diese Sicherheit jetzt nach und nach verloren.76 Schon Zeitgenossen machten auf Erosionstendenzen des industriell geprägten Arbeitsparadigmas und einen damit einhergehenden Wertewandel aufmerksam,77 der - etwas einseitig - auch als „Pluralisierung von Lebensstilen“ thematisiert wurde.78 Traditionelle Solidarbeziehungen, vor allem die Familie, gerieten dadurch unter Druck. Single-Existenzen, Verzicht auf Ehe und Kinder, fragmentierte Erwerbsbiographien und Entstrukturierung des täglichen Lebens signalisierten einen dramatischen gesellschaftlichen Wandel, mit dem Erwartungen und Forderungen an den Sozialstaat zunahmen. In dem Maße jedoch, wie Arbeit als sozialer Prozess zentrifugalen Tendenzen ausgesetzt war, stand das bisherige Modell des Sozialstaates zur Disposition. Zudem wurde der Wohlfahrtsstaat als Quelle neuer sozialer Ungleichheit diskutiert, der sich auf diese Weise selbst die eigenen Probleme schaffe.79

5. Fazit und Ausblick

Offensichtlich haben die gegenwärtig so heftig diskutierten Probleme einen zentralen Ausgangspunkt in den 1970er-Jahren. Die Frage ist, ob industrieller Strukturwandel und Beschäftigungskrise in ihrem funktionalen Zusammenhang dafür verantwortlich zu machen sind. Es lohnt sich möglicherweise, die politischen Akteure und die sozialen Trägergruppen jenes Phänomens in den Blick zu nehmen, das als „Postmoderne“ Furore machte, um „das Ende der Geschichte - und bis zu einem gewissen Grade auch - das Ende der Vernunft zu feiern“.80 Sicher aber lohnt es sich, das Handeln bzw. die Entscheidungsträgheit der zeitgenössischen Eliten zu problematisieren. In den Ländern des Ostblocks haben sie sich in eine Sozialstaatsfalle begeben und somit dringend notwendige politische und wirtschaftliche Reformen, kurz: eine durchgreifende Modernisierung und Gesellschaftstransformation verhindert. Infolge starren Festhaltens an den alten Regeln, als das Vertrauen zu ihnen längst verloren war, lag die „Alternative“ für die Ostblockländer schließlich im Aufgeben des bisherigen Systems, in der Transformation vom sozialistischen zum marktwirtschaftlichen System. Insoweit erlebte der Ostblock in den 1970er-Jahren zweifelsohne den Beginn seiner finalen Krise.

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In Westeuropa verloren die Entscheidungseliten in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre das Vertrauen vor allem in die Regeln der Wirtschaftspolitik, was sich in der Diskussion um die „Unregierbarkeit“ manifestierte.81 Den Sozialstaat erreichte dieser Vertrauensverlust erst in den 1980er-Jahren. Nun gaben die Eliten antimodernen politischen Strömungen Raum, die im Gewande einer „Postmoderne“ die Axt an die Wurzeln des Sozialstaates legten, seine Segnungen aber mit Selbstverständlichkeit in Anspruch nahmen. Gerade in dem Moment, als der Sozialstaat mehr denn je gebraucht wurde, stellte sich die Frage, inwieweit er seinen Aufgaben - soziale Sicherheit und Gerechtigkeit bereitzustellen - noch gerecht werden könne. Gleichwohl ist die Frage nach den Alternativen und neuen Möglichkeiten, die in der Krise aufscheinen, schwer zu beantworten, da für die grundsätzlichen strukturellen Probleme in der Wirtschaft und im Sozialstaat bis heute keine überzeugenden Lösungen gefunden worden sind, die die Arbeitslosigkeit abbauen und den Sozialstaat hinreichend zukunftsfähig machen würden. Zwar lässt die bisherige historische Wandlungsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems und des Sozialstaates Raum für Optimismus, doch steht dem die anhaltende Dauer der inzwischen noch globaler gewordenen Problemlagen entgegen. Aber das ist noch nicht Gegenstand historischer Erörterung.

Anmerkungen:

1 Die Gegenüberstellung von West und Ost findet sich schon bei Eric J. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München 1998, S. 503-537; Charles S. Maier, Two Sorts of Crisis? The „Long“ 1970s in the West and the East, in: Hans Günter Hockerts (Hg.), Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, München 2004, S. 49-62.

2 Vgl. dazu auch Andreas Rödder, Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990, München 2003.

3 Zur allgemeinen Geschichte und Herleitung des Krisenbegriffs einschlägig: Reinhart Koselleck, Art. „Krise“, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 617-650.

4 Renate Bebermeyer, „Krise“-Komposita - verbale Leitfossilien unserer Tage, in: Muttersprache 90 (1980), S. 189-210, hier S. 189f.; dies., „Krise“ in der Krise. Eine Vokabel im Sog ihrer Komposita und auf dem Weg zum leeren Schlagwort, in: Muttersprache 91 (1981), S. 345-359, hier S. 354.

5 Claus Koch/Wolf-Dieter Narr, Krise - oder das falsche Prinzip Hoffnung, in: Leviathan 4 (1976), S. 291-327, hier S. 292.

6 Das Anfang der 1970er-Jahre in Ost-Berlin erschienene „Kleine Politische Wörterbuch“ widmete sich nur der auf den Kapitalismus beschränkten „zyklischen Krise“ und der „allgemeinen Krise des Kapitalismus“, der - für den Redaktionsschluss von 1972 bemerkenswert - bereits eine „neue Verschärfung“ seit Ende der 1960er-Jahre zugesprochen wurde (vgl. Kleines Politisches Wörterbuch, Berlin [Ost] 1973, S. 25-28, hier S. 27, S. 994f.). Darauf ging auch das „Ökonomische Lexikon“ gleicher Provenienz ein, das zugleich aber ein allgemeines Stichwort „Wirtschaftskrise“ verzeichnete, welche ebenso nur „Störungen größeren Ausmaßes im gesamten Reproduktionsprozeß, der privaten, speziell der kapitalistischen Warenproduktion“ ausmachte (vgl. Ökonomisches Lexikon, Bd. 3: Q-Z, Berlin [Ost] 1980, S. 657).

7 Vgl. u.a. Volker Wünderich, Die „Kaffeekrise“ von 1977. Genußmittel und Verbraucherprotest in der DDR, in: Historische Anthropologie 11 (2003), S. 240-261.

8 Vgl. u.a. Martin Jänicke (Hg.), Politische Systemkrisen, Köln 1973. Der Zusammenhang wurde auch von Beteiligten explizit gemacht; siehe John Clark/Christopher Freeman/Luc Soete, Long Waves and Technological Developments in the 20th Century, in: Dietmar Petzina/Ger van Roon (Hg.), Konjunktur, Krise, Gesellschaft. Wirtschaftliche Wechsellagen und soziale Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1981, S. 132-169, hier S. 132.

9 Koselleck, Art. „Krise“ (Anm. 3), S. 647.

10 Hansjörg Siegenthaler, Regelvertrauen, Prosperität und Krisen. Die Ungleichmäßigkeit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung als Ergebnis individuellen Handelns und sozialen Lernens, Tübingen 1993; Rudolf Vierhaus, Art. „Krisen“, in: Stefan Jordan (Hg.), Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2002, S. 193-197.

11 Dabei geht es hier vornehmlich um Prozesse auf der Makroebene. Zur Mikroebene siehe jüngst Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (2006) H. 2: Unternehmenskrisen und ihre Bewältigung im 20. Jahrhundert.

12 Für eine knappe Diskussion der verschiedenen Erklärungsansätze siehe Rainer Metz, Expansion und Kontraktion. Das Wachstum der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, in: Reinhard Spree (Hg.), Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, München 2001, S. 70-89, hier S. 78-87.

13 Gerhard Mensch, Das technologische Patt. Innovationen überwinden die Depression, Frankfurt a.M. 1975, Tb.-Ausg. Frankfurt a.M. 1977, S. 14f., S. 104f.

14 Zu wirtschaftlichen Fluktuationen im Sozialismus und zu ihrer Datierung vgl. André Steiner, Zur Anatomie der Wirtschaftskrisen im Sozialismus, in: Hendrik Bispinck u.a. (Hg.), Aufstände im Ostblock. Zur Krisengeschichte des realen Sozialismus, Berlin 2004, S. 131-143.

15 Vgl. u.a. André Steiner, Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004, S. 190f.; Albrecht Ritschl/Mark Spoerer, Das Bruttosozialprodukt in Deutschland nach den amtlichen Volkseinkommens- und Sozialproduktstatistiken 1901-1995, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (1997) H. 2, S. 27-54; Jaap Sleifer, Planning Ahead and Falling Behind. The East German Economy in Comparison with West Germany 1936-2002, Berlin 2006.

16 Vgl. Gerhard Heske, Bruttoinlandsprodukt, Verbrauch und Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland 1970-2000. Neue Ergebnisse einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Köln 2005, S. 185; André Steiner, Preisgestaltung, in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Bundesarchiv (Hg.), Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 9 und 10 (i.E.).

17 Steiner, Von Plan zu Plan (Anm. 15), S. 187ff.

18 Herman van der Wee, Der gebremste Wohlstand: Wiederaufbau, Wachstum und Strukturwandel der Weltwirtschaft seit 1945, München 1984, S. 85f.; Ludger Lindlar, Das mißverstandene Wirtschaftswunder. Westdeutschland und die westeuropäische Nachkriegsprosperität, Tübingen 1997, S. 331ff.; Herbert Giersch/Karl-Heinz Paqué/Holger Schmieding, The Fading Miracle. Four Decades of Market Economy in Germany, Cambridge 1992, S. 223ff.

19 Gerold Ambrosius/Hartmut Kaelble, Einleitung: Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen des Booms der 1950er und 1960er Jahre, in: Hartmut Kaelble (Hg.), Der Boom 1948-1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa, Opladen 1992, S. 7-32, hier S. 14.

20 Vgl. Harm G. Schröter, Von der Teilung zur Wiedervereinigung (1945-2000), in: Michael North (Hg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, München 2000, S. 351-420, hier S. 384ff.

21 Gerold Ambrosius, Ursachen der Deindustrialisierung Westeuropas, in: Werner Abelshauser (Hg.), Umweltgeschichte. Umweltverträgliches Wirtschaften in historischer Perspektive, Göttingen 1994, S. 191-221; ders., Agrarstaat oder Industriestaat - Industriegesellschaft oder Dienstleistungsgesellschaft? Zum sektoralen Strukturwandel im 20. Jahrhundert, in: Spree, Geschichte der deutschen Wirtschaft (Anm. 12), S. 50-69, hier S. 64.

22 Henning Klodt/Rainer Maurer/Axel Schimmelpfennig, Tertiarisierung der deutschen Wirtschaft, Tübingen 1997, S. 58.

23 Anders als bei Rödder wird hier nicht von einem (eher zufälligen) Zusammentreffen von Strukturwandel und Wachstumseinbruch ausgegangen. Vgl. Andreas Rödder, Das „Modell Deutschland“ zwischen Erfolgsgeschichte und Verfallsdiagnose, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54 (2006), S. 345-363, hier S. 348.

24 Annegret Groebel, Strukturelle Entwicklungsmuster in Markt- und Planwirtschaften, Heidelberg 1997, S. 116ff.

25 Edgar Grande, West Germany: From Reform Policy to Crisis-Management, in: Erik Damgaard/Peter Gerlich/Jeremy Richardson (Hg.), The Politics of Economic Crisis. Lessons from Western Europe, Aldershot 1989, S. 50-69, hier S. 52f.

26 Jens Hohensee, Der erste Ölpreisschock 1973/74. Die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der arabischen Erdölpolitik auf die Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, Stuttgart 1996.

27 Berechnet nach: Deutsche Bundesbank, 50 Jahre Deutsche Mark. Monetäre Statistiken 1948-1997, München 1998 (CD-ROM), Tabelle DJ0429. Vgl. Knut Borchardt, Die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik nach dem „Wirtschaftswunder“, in: Franz Schneider (Hg.), Der Weg der Bundesrepublik. Von 1945 bis zur Gegenwart, München 1985, S. 193-216, hier S. 201.

28 Giersch/Paqué/Schmieding, Fading Miracle (Anm. 18), S. 186f.

29 Schröter, Teilung (Anm. 20), S. 388f.

30 Vgl. ebd., S. 390.

31 Michael J. Piore/Charles F. Sabel, Das Ende der Massenproduktion. Studie über die Requalifizierung der Arbeit und die Rückkehr der Ökonomie in die Gesellschaft, Berlin 1985, S. 185.

32 Tim Schanetzky, Sachverständiger Rat und Konzertierte Aktion: Staat, Gesellschaft und wissenschaftliche Expertise in der bundesrepublikanischen Wirtschaftspolitik, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 91 (2004), S. 310-331, hier S. 324; Alexander Nützenadel, Stunde der Ökonomen. Wissenschaft, Politik und Expertenkultur in der Bundesrepublik 1949-1974, Göttingen 2005.

33 Werner Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004, S. 297.

34 Hansjörg Siegenthaler, Das Ende des Keynesianismus als Gegenstand Keynesianischer Interpretation, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (2002) H. 1, S. 237-248.

35 Ebd., S. 243ff.; Siegenthaler, Regelvertrauen (Anm. 10), S. 164; Werner Plumpe, Das Ende des deutschen Kapitalismus, in: Westend 2 (2005) H. 2, S. 3-26, hier S. 7f., S. 13f.

36 Grande, West Germany (Anm. 25), S. 55f.; Gabriele Metzler, Konzeptionen politischen Handelns von Adenauer bis Brandt. Politische Planung in der pluralistischen Gesellschaft, Paderborn 2005, S. 412.

37 Manfred E. Streit, Wirtschaftspolitik im demokratischen Wohlfahrtsstaat - Anatomie einer Krise, in: Ordo 53 (2002), S. 21-30. Zur Wissensbasis siehe: Tim Schanetzky, Die große Ernüchterung. Wirtschaftspolitik, Expertise und Gesellschaft in der Bundesrepublik 1966-1982, Berlin 2007.

38 Grande, West Germany (Anm. 25), S. 55ff.

39 Das ist allerdings nicht unumstritten. Vgl. Schröter, Teilung (Anm. 20), S. 391f.

40 Vgl. Arne Heise, Steuerungspotentiale der klassischen Wirtschaftspolitik. Anmerkungen zu zwanzig Jahren Krisengeläut, in: ders. (Hg.), Makropolitik zwischen Nationalstaat und Europäischer Union, Marburg 1999, S. 21-58.

41 Harm G. Schröter, Ölkrisen und Reaktionen in der chemischen Industrie beider deutscher Staaten. Ein Beitrag zur Erklärung wirtschaftlicher Leistungsdifferenzen, in: Johannes Bähr/Dietmar Petzina (Hg.), Innovationsverhalten und Entscheidungsstrukturen. Vergleichende Studien zur wirtschaftlichen Entwicklung im geteilten Deutschland, Berlin 1996, S. 109-138, hier S. 114.

42 Vgl. André Steiner, Leistungen und Kosten: Das Verhältnis von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Sozialpolitik in der DDR, in: Dierk Hoffmann/Michael Schwarz (Hg.), Sozialstaatlichkeit in der DDR. Sozialpolitische Entwicklungen im Spannungsfeld von Diktatur und Gesellschaft 1945/49-1989, München 2005, S. 31-45.

43 Zu den Details siehe Steiner, Von Plan zu Plan (Anm. 15), S. 165-196.

44 Joachim Gürtler/Wolfgang Ruppert/Kurt Vogler-Ludwig, Verdeckte Arbeitslosigkeit in der DDR, München 1990, S. 26.

45 Uwe Vollmer, Vollbeschäftigungspolitik, Arbeitseinsatzplanung und Entlohnung der abhängig Beschäftigten in der DDR-Wirtschaft, in: Eberhard Kuhrt (Hg.), Die Endzeit der DDR-Wirtschaft - Analysen zur Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik, Opladen 1999, S. 323-373, hier S. 328.

46 Alle Angaben nach: Bundesbank, Monetäre Statistiken (Anm. 27), Tabellen UJ0289, UJ0299, UJ0301.

47 Robert Castel, Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit, Konstanz 2000, S. 338f.

48 Vgl. dazu u.a. Giersch/Paqué/Schmieding, Fading Miracle (Anm. 18), S. 196-202; Olivier Blanchard, European Unemployment: The Evolution of Facts and Ideas, NBER [National Bureau of Economic Research] Working Paper 11750, November 2005.

49 Ambrosius, Deindustrialisierung (Anm. 21), S. 210; Klodt/Maurer/Schimmelpfennig, Tertiarisierung (Anm. 22), S. 35.

50 Carsten Ochsen, Zukunft der Arbeit und Arbeit der Zukunft in Deutschland, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 7 (2006), S. 173-193.

51 Z.B. Götz Albert, Wettbewerbsfähigkeit und Krise der deutschen Schiffbauindustrie 1945-1990, Frankfurt a.M. 1998.

52 Georg Altmann, Aktive Arbeitsmarktpolitik. Entstehung und Wirkung eines Reformkonzepts in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 2004.

53 Manuel Castells, Das Informationszeitalter, Teil 1: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Opladen 2004, S. 494-497; Gerhard Bosch/Peter Dawkins/François Michon (Hg.), Times are Changing: Working Time in 14 Industrialised Countries, Genf 1994.

54 Bernhard Ebbinghaus, Reforming Early Retirement in Europe, Japan, and the USA, Oxford 2006.

55 Institut der deutschen Wirtschaft, Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1993, Köln 1993, Tabelle 30.

56 Berechnet nach: André Steiner (unter Mitarbeit von Matthias Judt und Thomas Reichel), Statistische Übersichten zur Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Band SBZ/DDR, Bonn 2006, Tabelle 1.1.2. Diese Angaben beziehen sich anders als diejenigen für die Bundesrepublik nicht auf die Erwerbstätigen in der Gesamtwirtschaft, sondern auf Produktionsarbeiter in der staatlichen Industrie.

57 Vgl. etwa Ulrich Beck/Michael Brater, Die soziale Konstitution der Berufe. Materialien zu einer subjektbezogenen Theorie der Berufe, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1977/79.

58 Joachim Matthes (Hg.), Krise der Arbeitsgesellschaft? Verhandlungen des 21. Deutschen Soziologentages in Bamberg 1982, Frankfurt a.M. 1983.

59 Claus Offe, „Arbeitsgesellschaft“: Strukturprobleme und Zukunftsperspektiven, Frankfurt a.M. 1984, S. 7.

60 Jürgen Habermas, Die neue Unübersichtlichkeit, Frankfurt a.M. 1985.

61 Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986; ders., Die Erfindung des Politischen. Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung, Frankfurt a.M. 1993.

62 Ders. (Hg.), Kinder der Freiheit, Frankfurt a.M. 1997.

63 Karl Georg Zinn, Zwanzig Jahre Wirtschaftskrise - Signal eines Epochenwandels? Über Arbeitslosigkeit, Bewältigungsrhetorik und den Glauben an einfache Rezepte, in: Arbeit 5 (1996), S. 298-317, hier S. 298.

64 Dieser Abschnitt beruht wesentlich auf einer umfangreichen, unveröffentlichten Ausarbeitung von Peter Hübner (Zentrum für Zeithistorische Forschung), dem für seine Unterstützung herzlich gedankt sei.

65 Michael S. Aßländer, Von der vita activa zur industriellen Wertschöpfung, Marburg 2005, S. 395.

66 Vgl. Franz-Xaver Kaufmann, Herausforderungen des Sozialstaates, Frankfurt a.M. 1997; Gabriele Metzler, Der deutsche Sozialstaat. Vom bismarckschen Erfolgsmodell zum Pflegefall, Stuttgart 2003, S. 211f.

67 Peter Hübner/Jürgen Danyel, Soziale Argumente im politischen Machtkampf: Prag, Warschau, Berlin 1968-1971, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 50 (2002), S. 804-832.

68 Hermann Berié, Statistische Übersichten zur Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Band West, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn 1999, S. 24; Steiner, Leistungen und Kosten (Anm. 42), S. 42.

69 Anthony Giddens, Die Zukunft des Europäischen Sozialmodells, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse. Europäische Politik, März 2006, S. 2, online unter URL: http://library.fes.de/pdf-files/id/03600.pdf.

70 Borchardt, Die wirtschaftliche Entwicklung (Anm. 27), S. 215.

71 Bernd Schulte, Reformen der sozialen Sicherheit in Westeuropa 1965-1980, in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 8 (1980), S. 323-361, hier bes. S. 358.

72 Josef Schmid, Wohlfahrtsstaaten im Vergleich, 2. Aufl. Opladen 2002, S. 117.

73 Reinhart Koselleck, „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ - zwei historische Kategorien [1976], in: ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1989, S. 349-375, hier S. 354f.

74 Franz-Xaver Kaufmann, Normative Konflikte in Deutschland: Basiskonsens, Wertewandel und soziale Bewegungen, in: Peter L. Berger (Hg.), Die Grenzen der Gemeinschaft. Konflikt und Vermittlung in pluralistischen Gesellschaften. Ein Bericht der Bertelsmann-Stiftung an den Club of Rome, Gütersloh 1997, S. 155-197, hier S. 173.

75 Vgl. Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, in: Protokoll der Verhandlungen des IX. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 18. bis 22. Mai 1976, Bd. 2, Berlin 1976, S. 209-266, hier S. 221-224.

76 Ralf Dahrendorf, Wenn der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgeht, in: Matthes, Krise der Arbeitsgesellschaft? (Anm. 58), S. 25-37, hier S. 34.

77 Peter Kmieciak, Wertstrukturen und Wertewandel in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 1976.

78 Wolfgang Zapf u.a., Individualisierung und soziale Sicherheit. Untersuchungen zur Lebensqualität in der Bundesrepublik, München 1987, S. 2.

79 Zusammenfassend: Peter A. Berger/Stefan Hradil, Die Modernisierung sozialer Ungleichheit - und die neuen Konturen ihrer Erforschung, in: dies. (Hg.), Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile, Göttingen 1990, S. 3-24, hier S. 7f.

80 Castells, Informationszeitalter (Anm. 53), S. 4.

81 Vgl. Metzler, Konzeptionen (Anm. 36), S. 411.

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