Zeitgeschichte in der Mediengesellschaft

Dimensionen und Forschungsperspektiven

Anmerkungen

In der Gesellschaft ist der Eindruck weit verbreitet, dass wir uns in Umbruchzeiten befinden, die in starker Weise von den Medien bestimmt werden. Ob die dominanten Faktoren dabei wirklich ‚die Medien‘ sind, mag dahingestellt bleiben; es gibt jedoch zahlreiche Indizien, die in diese Richtung weisen. Gleichzeitig besteht ungebrochen das Bedürfnis nach einer Zusammenhänge erkennenden, historisch verstehenden und die Gegenwart erklärenden Betrachtung. Am Anfang stehen widersprüchliche Beobachtungen, auch das Gefühl einer vielteiligen Unübersichtlichkeit.

Der Begriff ‚Zeitgeschichte‘ meint bekanntlich sowohl das real Vergangene der letzten 50 bis 100 Jahre (je nachdem, wie weit der historische Raum der Zeitgeschichte gespannt wird) als auch die historiographische Darstellung der – in der Regel geschriebenen – Zeitgeschichte. Wenn von der Zeitgeschichtsschreibung in der Mediengesellschaft gesprochen wird, dann geht es um eine doppelte Perspektive: Wie verändert sich das Objekt der Geschichtsschreibung, also die Gegenwart und jüngere Vergangenheit, durch die Medien, und wie verändert sich die Geschichtsschreibung selbst durch die Medien?

‚Mediengesellschaft‘ ist eine Metapher und meint, dass unsere Gesellschaft und Kultur heute im Wesentlichen von den Medien bestimmt seien. So griffig ein solches Bild ist, sollte es jedoch nicht verdecken, dass es auch weiterhin andere wirkmächtige Determinanten gesellschaftlicher und geschichtlicher Prozesse gibt. Wir dürfen nicht alles, was heute geschieht, auf die Existenz und die Ausbreitung von Medien schieben: etwa dass die Finanzkrise Folge des Interneteinsatzes im Börsenhandel sei, wie gelegentlich zu lesen ist.

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Im historischen Verständnis gehen wir von einem Prozess der Ausbreitung und Verdichtung der Medien aus, den wir mit ‚Medialisierung‘ bezeichnen (je nach Wissenschaftskontext auch ‚Mediatisierung‘). Friedrich Krotz hat mit diesem Begriff einen „Metaprozess sozialen und kulturellen Wandels“ charakterisiert und damit neben anderen Aspekten vor allem Prozesse der Digitalisierung in den Blick genommen.1 Das erscheint als zu eng gesehen – Medien hat es schließlich in allen Phasen der Geschichte gegeben. Auch die mündlich vorgetragenen Gesänge, das ritualisierte Spiel, die Keilschrift, das Bild auf den Tonkrügen, der Papyrus sind Medien bzw. Bestandteile von Mediensystemen. Um den Begriff nicht vollständig zu verallgemeinern und dadurch unbrauchbar zu machen, andererseits aber nicht allein die Prozesse der Digitalisierung zu untersuchen, soll mit ‚Medialisierung‘ im Folgenden die Durchsetzung technisch-apparativer, elektronischer und vor allem audiovisueller Medien gemeint sein – zum einen in ihrer Eigenschaft als kommunikative, sinngenerierende Medien, zum anderen als solche der indexikalisierten Beobachtung (etwa in den Naturwissenschaften), der Apparatekommunikation untereinander sowie der ökonomischen und politischen Regulierungssysteme (in Staat und Verwaltung).2

Der vorliegende Beitrag unterscheidet zunächst einige Prozesse dieser Medialisierung (1.), geht damit verbundenen Strukturverschiebungen nach (2.) und betrachtet insbesondere Veränderungen von Öffentlichkeiten (3.). Dabei wird dafür plädiert, die Ambivalenz der Entwicklungen anzuerkennen und nicht vorschnell Paradigmenwechsel zu behaupten (4.). Schließlich wird diskutiert, was eine Medialisierung der Geschichtsschreibung bedeuten könnte (5.).

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1. Prozesse der Medialisierung in der neueren und neuesten Zeitgeschichte

1.1. Ausbreitung und Verdichtung der technisch-apparativen Massenkommunikation. Film, Fernsehen, Radio, Internet haben sich insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg durch technische Weiterentwicklungen der bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen Medieninstitutionen bzw. konzipierten Medienerfindungen (etwa der Computertechnologie) ausgebreitet. Dabei kam es weniger zu medialen Konkurrenzen (wie noch in den 1910er-Jahren zum Beispiel in der Kontroverse ‚Kino versus Theater‘ befürchtet), sondern stärker zu sich gegenseitig ergänzenden und stützenden Medienverbünden (etwa Film und Presse, Rundfunk und Presse). Gleichwohl wurde in den öffentlichen Diskursen noch stärker auf die Eigenständigkeit der Medien (Film oder Rundfunk) gesetzt, so dass die zunehmende Verdichtung von kommunikativen Medien (insbesondere auch unterhaltender Art) kaum reflektiert wurde.

Seit etwa 1970 wird der Begriff der ‚Medien‘ (als Pluralbezeichnung) in der Bundesrepublik für das Gesamt der Massenmedien verwendet (darunter werden Presse, Radio, Fernsehen gefasst).3 Gleichzeitig wurde für ‚die Medien‘ die Existenz eines Leitmediums konstatiert: das Fernsehen, das zu diesem Zeitpunkt als ein audiovisuelles Medium etwa 80 bis 85 Prozent aller bundesdeutschen Haushalte erreichte und seine Ausbreitung sowie seine durchschnittliche tägliche Nutzungszeit ständig erweiterte. Der Medienkonsum nahm durch die Implementierung weiterer technisch-apparativer Medien (Schallplattenspieler, Tonbandgeräte, Transistor-Radiogeräte, Videorekorder) neben der Ausbreitung des Buch-, Zeitschriften- und Zeitungskonsums beträchtlich zu und wuchs seit den 1960er-Jahren exponenziell (bei jedem Bundesbürger ab 13 Jahren im statistischen Durchschnitt auf über 10 Stunden täglich in den Jahren nach 2000). Möglich wurde ein solches Anwachsen der Mediennutzung durch Veränderungen der Arbeits-, Lebens- und Konsumverhältnisse insgesamt sowie durch die damit verbundene Neustrukturierung der Zeiterfahrung und des individuellen Zeitmanagements.

1.2. Medialisierung der Individualkommunikation. Die Intensivierung der medialen Individualkommunikation ist vor allem seit den 1990er-Jahren durch die Implementierung von technischen Medien zu beobachten. Dabei fällt eine steigende Tendenz zum Gebrauch tertiärer Medien auf (also von Medien, die sowohl für die Codierung auf der Sprecherseite wie für die Decodierung auf der Empfängerseite Medienapparaturen benötigen) sowie eine Tendenz zur Mobilisierung des Mediengebrauchs unabhängig vom häuslichen Standort der betreffenden Nutzer: Der Computer ist an die Stelle der Schreibmaschine getreten; das Handy mit immer umfangreicheren Diensten verdrängt zunehmend das Festnetz-Telefon; die E-Mail und die SMS haben weitgehend den Brief ersetzt, das digitale Notizbuch mit seinem elektronischen Terminkalender die papierene Agenda usf. Diese Technisierung der individuellen Kommunikation hat ganz wesentlich auch die Formen des Miteinander-Kommunizierens verändert, hat neue Kommunikationsstile und -modi entstehen lassen, mit den veränderten Formen der Speicherung auch neue Formen des Archivierens und Nicht-Archivierens.

Hinzu kommen Zwischenformen von individueller und kollektiver Kommunikation wie Chatrooms, Blogs, soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter usf., die traditionelle Grenzziehungen zwischen ‚öffentlichen‘ und ‚privaten‘ Kommunikationsräumen immer weiter verwischen. Diese technisch-medialen Veränderungen wurden in der Regel durch die Digitalisierung ermöglicht, die die Individualkommunikation beschleunigt und letztlich – bei entsprechender Kenntnis des Gebrauchs – auch vereinfacht hat. Diese Kommunikationsmedien ließen damit aber auch den Umfang der individuellen Kommunikation expandieren – vor allem dort, wo es sich um die Überwindung räumlicher Distanzen handelt. Die Klagen über unerwünschte Begleiterscheinungen dieser Digitalisierung haben in den letzten Jahren stark zugenommen.4 Kritisiert wird vor allem, dass die neuen Dienste, die die Mobilität der Mediennutzung erhöhen, einen Zwang zur ständigen Erreichbarkeit, zur sofortigen Reaktion in der medialen Kommunikation und zum permanenten Abrufen von Informationen erzeugten, dass damit neue Abhängigkeiten geschaffen würden und dass schließlich, so Frank Schirrmacher, auch das Denken verändert werde.5

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1.3. Medialisierung der Verhaltenssteuerung und des Konsums. Zunehmend ist es auch zu einer Durchdringung der Stadträume, Wartesituationen, Verkehrssysteme mit Bildschirmmedien gekommen, die oft spezielle Informationen in Kurzform liefern. Auf einer weiteren Ebene hat eine Digitalisierung des kommerziellen Handelns (‚E-Commerce‘) sowie von Prozessen der Verhaltenssteuerung und -orientierung in der Alltags- und Konsumwelt stattgefunden (Etablierung von Navigations- und Steuerungssystemen im Auto, bei Haushaltsgeräten, beim Einkaufen). Diese Prozesse stehen in engem Zusammenhang mit der Steigerung von Konsumvorgängen innerhalb einer hochtechnisierten Gesellschaft.

Neben solche ‚öffentlichen‘ und sichtbaren Formen der Medialisierung treten weitere, die vor allem darüber zustandekommen, dass zunehmend Kaufaktionen via Internet erfolgen. Anbieter wie Amazon und Suchmaschinen wie Google betreiben ‚unsichtbare‘ Formen der Konsumsteuerung. Diese bestehen in der Sammlung von Kundeninformationen und der Profilbildung (die unter den Stichworten ,tracking‘, ‚targeting‘ und ‚controlling‘ gefasst werden).6 Vor allem die hier gespeicherten Datenmengen sowie deren unkontrollierte und teilweise widerrechtliche Weitergabe sind in den letzten Jahren zunehmend in die öffentliche Kritik geraten (zum Beispiel bei der Telekom, Postbank, Bahn). Derartige Debatten zeigen auch, wie fortgeschritten die medialen Durchdringungen des Alltags inzwischen sind. Diese haben tradierte individuelle Verhaltensweisen grundlegend in Frage gestellt, ohne dass es von den Individuen bewusst gewollt wird.7

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1.4. Digitalisierung der Administration. Unter dem Stichwort ‚E-Government‘8 werden zahlreiche Prozesse der Digitalisierung von Regierungshandeln, politischer Entscheidungsfindung und Verwaltung gefasst. ‚E-Democracy‘ und ‚E-Justice‘ sind weitere Begriffe, hinter denen sich gravierende Strukturveränderungen in der politischen Kommunikation verbergen. Diese Prozesse werden sehr kontrovers diskutiert. Während politische Institutionen die Potenziale der verbesserten Erfassung von Daten, der Kommunikation mit den Bürgern und die gesteigerte Vernetzung des Verwaltungswissens hervorheben, befürchten viele Bürger eine ausufernde Datenspeicherung, eine unkontrollierte Profilbildung und Ausforschung der Individuen. Im politischen Raum der Europäischen Union wird verstärkt an der Schaffung so genannter Interoperabilität zwischen den Mitgliedsländern und deren digitalen Systemen gearbeitet. In der Bundesrepublik zeigt die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung, die schon seit etwa 2003 geführt wird, dass vor allem mit dem Ausbau einer unkontrollierten Telekommunikationsüberwachung eine Aushöhlung der Demokratie gefürchtet wird. Es geht dabei um das Recht auf ‚informationelle Selbstbestimmung‘ – dass also jeder Bürger über die Daten, die es von ihm gibt, selbst entscheiden können soll.

Hinzu kommt eine Medialisierung von Schule, Erziehung und Bildung (Administration, Lernsysteme) unter dem Konzept des ‚E-Learning‘.9 Als Vorteile werden hier die Individualisierung des Lernens, die gesteigerte Interaktivität sowie die Einbindung von veranschaulichenden Formen und Medien gesehen, als Nachteile die weitere Technisierung von Lernprozessen und die Abhängigkeit von vorgegebenen, medial bestimmten Strukturen des Wissens.

Vorrangig dient die Digitalisierung der Administration jedoch der besseren Erfassung der Beteiligten, der Intensivierung von Prozessen (auch Lernprozessen), der Effizienzsteigerung der Verwaltung und der optimierten Überwachung der Individuen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Erfassungssysteme, die (bisher) nur zum Teil untereinander vernetzt sind, aber dennoch wegen ihrer möglichen missbräuchlichen Verwendung der erfassten Daten wiederholt in den Blickpunkt öffentlicher Kritik geraten sind. Auch hier sind es Vorgänge, deren Basis in der Digitalisierung zu suchen ist, die jedoch ein grundsätzlich anderes Verhältnis von Ordnungsinstanzen und Bürgern etabliert haben. War noch die Durchführung der Volkszählung 1981/83 derart umstritten, dass sich gegen sie Hunderte von Bürgerinitiativen bildeten und das Bundesverfassungsgericht die Volkszählung letztlich ‚kippte‘,10 so hat die wachsende Datenerfassung durch den Staat immer weniger tiefgreifenden Protest hervorgerufen.

1.5. Medialisierung von Kunst und Kultur. Die Medialisierung hat auch gesellschaftliche Felder erreicht, die selbst eigenständige künstlerische Medien der Kommunikation, der gesellschaftlichen Selbstverständigung und des individuellen Ausdrucks darstellen: Gemeint ist die Durchsetzung technisch-apparativer Systeme in Kunst und Kultur (Medien als künstlerische Produktionsmittel, als Formen performativer Kunsterzeugung, in der computergestützten Hörspiel- und Audioproduktion, der Videoperformances, der medialen Installationen sowie generell als Mittel von Inszenierungen und Regieprozessen sowie als Mittel der Bildenden Kunst).11 Dabei sind die Intentionen der ‚Digital Performance‘ ganz unterschiedlich. Zum einen geht es häufig um eine künstlerische Kritik an Medialisierungserscheinungen, an der Mediengesellschaft insgesamt oder an Erscheinungen in der individuellen Mediennutzung. Derartige Motive schwächen sich jedoch ab. So entfalten Film und Fernsehen auf der Theaterbühne kaum noch kritische Impulse, und die Digitalisierung erlaubt es inzwischen, fast alle Medien im Netz zu speichern und zu präsentieren. Zum anderen dienen die Kombinationen unterschiedlicher, oft auch divergenter Effekte dazu, den Betrachter verstärkt einzubeziehen, ihn teilhaben zu lassen an ganz ungewohnten Sinneserfahrungen.12 Die Medialisierung wird von zahlreichen Künstlern vor allem benutzt, um zu neuen, der Gegenwart adäquaten Ausdrucksformen zu kommen; oft dient sie aber auch dazu, die Künste anders und besser vermarkten zu können. Gerade auf den Feldern von Kunst und Kultur sind zugleich indes umfangreiche Gegenbewegungen (Negationen) zur Medialisierung entstanden.

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1.6. Visualisierungsprozesse in den Wissenschaften. Aus Messdaten werden schon seit vielen Jahren nach bestimmten Programmen und Codes Abbilder von Sachverhalten hergestellt, die sonst nicht sichtbar wären. Schon die Fotografie kann als ein bildgebendes Verfahren verstanden werden, das sich des Lichts als Mittel bedient. Stärker werden heute elektromagnetische Strahlungen, Schallresonanz, Materiestrahlung und das elektronische Abtasten von Oberflächen eingesetzt. Vor allem in der Medizin werden solche Verfahren benutzt, um Aufnahmen aus dem Inneren lebender Körper herzustellen.13 Sie dienen der Diagnostik und bedienen sich vor allem der Röntgen-, Ultraschall- und Nukleartechnologie. Die Visualisierungen können heute auch digital gespeichert und weiterbearbeitet werden. Dadurch wird letztlich das Innere des Menschen medialisiert; es werden auch ganz neue Vorstellungen vom Menschen insgesamt erzeugt. In anderen Wissenschaften, etwa der Archäologie, der Genforschung, der Physik und Chemie, sowie im Maschinen- und Industriebau werden solche Verfahren ebenfalls eingesetzt, um bislang nicht sichtbare Vorgänge und Strukturen kenntlich zu machen. Letztlich werden auf diese Weise unsere Vorstellungen von der Welt entscheidend geprägt, wie das Beispiel der strickleiterartigen Doppelhelix der Gene anschaulich macht, die letztlich eine Modellkonstruktion ist.

Als Prozesse der Medialisierung müssen auch Vorgänge der Visualisierung und Digitalisierung von Abläufen und Konstellationen der Wirtschaftskommunikation verstanden werden. Hinzu kommen die so genannten Infografiken in administrativen Prozessen. Hier geht es vor allem um Veranschaulichung von komplexen (zumeist abstrakten) Sachverhalten – zum einen im Dienste neuer Erkenntnisse, zum anderen als Mittel zur Erzeugung gesellschaftlicher Legitimation und Akzeptanz. Dies wird dann oft wieder in massenmediale Kommunikation integriert, um ‚abstrakte‘ gesellschaftliche Prozesse und Umweltphänomene einem allgemeinen Publikum zu vermitteln.

2. Strukturverschiebungen durch die Medialisierungen

Aus den bisherigen Beobachtungen lassen sich verallgemeinernd einige Strukturmerkmale ableiten, die im Zusammenhang der Durchsetzung von Medien in der gesellschaftlichen Selbstverständigung zu beobachten sind:

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2.1. Zentralisierung und Dezentralisierung. Medien unterstützen, verstärken und beschleunigen gegenläufige Prozesse von Zentralisierung und Dezentralisierung gesellschaftlicher Kommunikation und Wissensproduktion. Gegenläufig sind diese Prozesse deshalb, weil neben der Tendenz zur Zentralisierung von großen Datenbeständen auf den verschiedenen Ebenen staatlicher Administration und privatwirtschaftlicher Unternehmen, insbesondere großer Konzerne, auch zahlreiche Tendenzen zur Parzellierung großer Einheiten, der Bildung unzähliger, voneinander in der Regel unabhängiger Communities und damit insgesamt Tendenzen zur Individualisierung zu beobachten sind.

Zum einen betreiben Staat, Wirtschaft und gesellschaftliche Institutionen die Zentralisierung von Wissen durch Datenakkumulation und -auswertung. Riesige Mengen von Daten werden erfasst und ausgewertet; der Einzelne wird in seinen Basisdaten, aber auch in vielen anderen Bewegungsdaten zum ‚gläsernen Menschen‘. Das führt zu neuen Wissensformen, die vor allem aus der Akkumulation quantifizierbaren Wissens bestehen. Diese Wissensakkumulationen sind bislang häufig fehlerhaft, extrem störanfällig und bedürfen einer intensiven Pflege, damit überhaupt einigermaßen korrekt gesellschaftliche Verhältnisse erfasst werden.

Die Zentralisierung führt zu neuen Formen der Organisation und Strukturierung von Daten in einem bislang nur wenig erforschten Umfang. Hier stellt sich die Frage, in welcher Weise diese Datenbestände der Zeitgeschichtsforschung überhaupt zugänglich sind und welche Verfahren der Analyse solcher Datenbestände der Wissenschaft zur Verfügung stehen. Wenn zum Beispiel eine medizinische Studie den Zusammenhang von Flugzeuglärm und Erkrankungsrisiko der Flughafenanwohner auswertet und dabei zu überraschenden Befunden kommt,14 zeigt sich dabei, dass solche Untersuchungen eines enormen Apparats bedürfen und letztlich nicht unabhängig von den Betreibern der Datensammlung (und deren Erkenntnisinteressen) möglich sind. Kann die Zeitgeschichtsforschung derartige Studien überhaupt in unabhängiger und kritischer Weise für Fragestellungen nutzen, die von den Datensammlern nicht intendiert sind?

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Die Zentralisierung von Datenbeständen führt aber auch zu neuen Recherche-, Such- und Rastererfassungssystemen, die ihrerseits Kommunikationsvorgänge verändern (beispielsweise die Ordnung des Wissens durch Google und andere ‚Suchmaschinen‘, also von Datensoftware). Hier stellt sich wiederum die Frage nach der Systematik dieser Suchsysteme, nach den zugrundeliegenden Prinzipien und Algorithmen. Es besteht zumindest der Eindruck, dass sich derartige Datensammlungen mehr und mehr als intransparent für Außenstehende und wenig zugänglich für die Forschung erweisen.

Zum anderen finden Prozesse der individuellen Dezentralisierung von Kommunikation statt: Es entstehen vielfältige mediale Communities (vor allem im Internet, aber auch mit Hilfe audiovisueller massenmedialer Produktionen), die sich einem Gesamtüberblick immer mehr entziehen. Soziale Netzwerke prägen zunehmend das Kommunikationsverhalten von Teilen der Gesellschaft, insbesondere bei Jugendlichen. Informationsforen, Chatrooms, Weblogs, Twitter usf. bringen in schneller Folge immer neue Teilgemeinschaften zu den unterschiedlichsten Themen und Motiven hervor. Es lassen sich hier auch differenzierte Formen der Abschottung und der Zugangsverweigerung beobachten (sowohl expliziter als auch impliziter Art), die von Beobachtern, die von außen kommen und die differenzierteren Regeln der Community nicht kennen, oft nicht überwunden werden können.

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2.2. Entstehung medialer Parallelwelten. Solche virtuellen Räume, die immer illusionistischer gestaltet werden (zum Beispiel MySpace, Second Life), signalisieren widersprüchliche Tendenzen: einerseits eine quasi-realistische Abbildung von Welt für die Nutzer (Schaffung abgeschlossener hermetischer Zweitwelten; Ausgrenzung ungewollten Wissens) – andererseits die Erzeugung offener, interaktiver Systeme der Kommunikation und des individuellen Austausches. Solche interaktiven Möglichkeiten können auch eine Demokratisierung des Wissens fördern, werden von vielen Nutzern begrüßt und aktiv ausgebaut, wobei es nicht nur darum geht, eigene Inhalte ins Netz zu stellen, sondern auch an Programmen und Strukturen selbst mitzuarbeiten und diese weiterzuentwickeln.

Soziale Netzwerke und mediale Parallelwelten, die nach außen hin dezentral in Erscheinung treten, sind selbst wiederum an die Datenerfassungssysteme (‚crawling‘) angeschlossen und werden von diesen ausgewertet, oft ohne dass sich die Nutzer der Communities dessen bewusst sind. So besteht das Problem der Medialisierung der gesellschaftlichen Kommunikation weniger in ihrer Dezentrierung in den Communities (die als Weiterentwicklung der Encounter-Öffentlichkeiten verstanden werden können), sondern in der zentralen Erfassung von Personendaten und deren mangelhafter Transparenz und Kontrolle. Bei der Vielzahl der sich immer weiter differenzierenden Communities wird umgekehrt ein umfassender Blick der Forschung auf diese Teilöffentlichkeiten schon allein durch ihre schiere Menge an different organisierten Einzeldaten erschwert – vor allem auch dann, wenn prozessuale Aspekte der Kommunikation innerhalb dieser Communities mittelfristig untersucht werden sollen.

Zu den Veränderungen gehört auch das Auseinandertreten medialer Kompetenzen. Als ‚Digital Divide‘ (digitale Kluft) wird eine Spaltung der Gesellschaft in Internetnutzer und Nicht-Internetnutzern bezeichnet.15 Was hier als eine Ausbreitung von Unterschieden in der Mediennutzung und damit im Zugang zum Wissen befürchtet wird, ist jedoch nicht neu, denn Unterschiede im Verfügen über gesellschaftliches Wissen hat es immer schon gegeben. Die Differenz im Internetzugang ebnet sich in den Industrieländern auch mehr und mehr ein; Differenzen in der Art und Weise des Gebrauchs des Computers und der Netzkommunikation bestehen jedoch weiterhin.

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2.3. Steigerung von Mobilität und Ubiquität. Das kommunikative Verhalten der Einzelnen wird zunehmend durch kommunikative Mobilität geprägt, d.h. eine Erhöhung medialer Erreichbarkeit durch Handys, Notebooks etc. Diese Mobilität ist virtuell, denn sie erzeugt eine mediale Ubiquität jedes Einzelnen, ohne dass sich die Person wirklich bewegt. Das Individuum wird durch die nun grenzenlos werdende Erreichbarkeit auch immobil: Der Einzelne kann sich aus den Arbeits- und Kommunikationszwängen nur noch schwer herausbewegen. Solche Paradoxien wurden schon in den 1980er-Jahren mit dem Begriff des „rasenden Stillstands“ beschrieben,16 stellen sich heute jedoch in anderen Dimensionen und mit anderen Medien dar.

In welcher Weise hat nun die Zeitgeschichtsforschung an diesen neuen Formen der Wissensproduktion und -distribution strukturell teil? Es ist zu fragen, ob mit den zentralisierten Datensammlungen letztlich Herrschaftswissen produziert wird, das nur wenigen zugänglich ist und das sich einer reflektierenden und historisierenden Betrachtung entzieht, weil sich diese Wissensbestände gegenüber einem kritischen Blick von außen abschotten. Welche Instrumentarien benötigt die zeitgeschichtliche Forschung, um Prozesse solcher Datenverwaltung überhaupt nachvollziehen und wissenschaftlich analysieren zu können? Und entsteht mit den zahlreichen Communities nicht eine neue Unübersichtlichkeit gesellschaftlicher Gruppenbildungen, die insgesamt kaum noch historisch beschreibbar sind?

Die Verortung von Prozessen und Trägergruppen für die Beschreibung zeitgeschichtlicher Vorgänge wird immer schwieriger. Zudem ist durch die im Umfang gesteigerte mediale Kommunikation die Erfassung relevanter Informationen aus einer Flut von Überflüssigem und Redundantem schwieriger geworden. Dementsprechend müssen auch neue Beschreibungsformen für solche fluktuierenden Kommunikationen entwickelt werden. Offenbar kann die Zeitgeschichtsforschung meist nur das erfassen und darstellen, was bereits in zusammengefasster und interpretierter Form in die massen- oder gruppenmedialen Öffentlichkeiten gelangt ist, während sie die interne Wissensproduktion solcher Datenmengen kaum selbst kritisch zu durchdringen vermag.

3. Veränderungen der politischen, sozialen und kulturellen Öffentlichkeiten

Vielfach wird die These vertreten, die integrierende Funktion der Medien verliere angesichts der Fragmentierungen des Publikums an Bedeutung, die Medien könnten kein gemeinsames (kollektives) Bewusstsein mehr erzeugen, keine kulturelle Identität mehr schaffen. Nun sind solche Destruktionstheoreme ob ihrer Einseitigkeit problematisch. Ohnehin ist diese Integrationsfunktion, die vor allem dem Fernsehen als Leitmedium zugeschrieben wird, nur eine ‚Imagined Community‘, die sich beim Fernsehen, aber auch bei anderen Medien, durch das Bewusstsein der einzelnen Mediennutzer einstellt, mit ihnen würden gleichzeitig oder auch zeitversetzt Tausende bzw. Millionen anderer Nutzer die gleichen Medieninhalte rezipieren. Anzunehmen sind eher Transformationen, die zu neuen Formen des Kollektiven führen. Auch ist die integrative Kraft bei medialen Großereignissen (Weltmeisterschaften im Sport, kulturelle Inszenierungen, politische Festtage, terroristische Anschläge etc.) durchaus noch zu beobachten. Gleichwohl gilt: Der öffentliche Raum besitzt zumindest nicht mehr die mediale Übersichtlichkeit, die noch in den 1950er- und 1960er-Jahren vorhanden war. Dabei hat es ‚die‘ Öffentlichkeit als einen einheitlichen Kommunikationsraum auch früher nicht gegeben, ‚Öffentlichkeit‘ ist kommunikationswissenschaftlich immer ein theoretisches Konstrukt gewesen. An Medien gekoppelte Kommunikationsräume, die wir als Teilöffentlichkeiten bezeichnen können und die empirisch konkretisierbar und beschreibbar sind (Radioöffentlichkeit, Fernsehöffentlichkeit), überlappen einander und durchdringen sich gegenseitig, entstehen durch den Mediengebrauch immer neu und zerfallen auch wieder. Politische und unterhaltende Öffentlichkeiten überlagern sich ebenfalls, ebenso wie sich medienübergreifend an Milieus orientierte Öffentlichkeiten herausbilden.17

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3.1. Veränderung von Politik und von politischen Öffentlichkeiten. Die Ausrichtung der Politik auf die Massenmedien, insbesondere des Fernsehens und des Internets, ist inzwischen vielfach beschrieben worden.18 Dabei ist jedoch deutlich zu unterscheiden zwischen der Darstellung und Vermittlung von Politik einerseits, den tatsächlichen Prozessen politischer Entscheidungsfindung andererseits. Damit wird die Differenz von Sichtbarkeit und Nichtsichtbarkeit von Politik zu einem Problem – gerade für die Zeitgeschichtsschreibung, die sich auch um die verborgenen Prozesse in den politischen Arkanbereichen bemühen muss.

Bei der Darstellung von Politik in den Medien sind wiederum Tendenzen zur Visualisierung von Problemen festzustellen (Schaffung politischer Ikonen, in denen sich Prozesse bildhaft verdichten) sowie zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen durch den Druck auf rasche Stellungnahmen und Präsentationen von Erklärungen der Politiker zu aktuellen Ereignissen. Gleichwohl: Auch heute ist Politik nicht nur öffentlich, sondern findet immer noch zu einem entscheidenden Umfang im Arkanum statt. Die Medialisierung und die Vervielfachung der Informationsvergabe mithilfe flexibler Medien führen jedoch dazu, dass das Geheimnis solcher Entscheidungsfindungen immer schneller aufgelöst wird und der Arkanbereich in der Mediengesellschaft immer weniger Bestand hat. Dabei lassen sich gerade bei verspäteten oder zumindest ‚späteren‘ Aufdeckungen von derartigen, in den nicht-öffentlichen Räumen getroffenen Entscheidungen häufig moralische Verschiebungen erkennen: Was bei solchen Aufdeckungen als Skandalon erscheint, war es in den Zeiten, in denen diese Entscheidungen getroffen wurden, nicht immer oder doch zumindest nicht im selben Maße. Die Medialisierung mit ihrer Tendenz zur Beschleunigung der Informationsvergabe, der Dramatisierung und Skandalisierung etabliert langfristig auch ein Kommunikationsklima, das eher auf Misstrauen setzt und teilweise zu überzogenen Medienhandlungen führt.

3.2. Veränderung von sozialen Öffentlichkeiten. Die Schaffung zahlreicher, nur noch medial erlebter, nicht körperlich erfahrener Gemeinschaften führt dazu, dass viele soziale Prozesse von den Mitgliedern der Gesellschaft nur noch selten oder verspätet wahrgenommen werden. Zumeist bedarf es dazu in den medialen Repräsentationen aufgrund der Disposition der Medien (Medien erzeugen Aufmerksamkeit durch neue Mitteilungen, und diese sind bevorzugt Nachrichten über Fehlverhalten, Unglück, Katastrophen) auch einer Skandalisierung des Mitgeteilten. Nur wenn ein sozialer Tatbestand anstößig wirkt und in der Öffentlichkeit lautstark diskutiert wird, hat er eine Chance, wahrgenommen zu werden. Die Fragmentierung führt zu nicht konzentrischen öffentlichen Räumen.

Medien bilden heute keine einheitliche Öffentlichkeit mehr aus; sie leisten dies noch weniger als etwa in den 1950er-Jahren. Dementsprechend sind auch die Publika, die sich an einzelne Medien und deren Produktionen binden, flüchtig und instabil. Dazu hat schon die Vervielfältigung der kommunikationsstiftenden Medien beigetragen. Bereits das „Fernsehpublikum“ versteht sich als ein „disperses Publikum“; die Zerstreutheit der Communities führt zu einem weiteren Anwachsen der virtuellen Erfahrung von Gemeinschaft.

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3.3. Veränderung von kulturellen Öffentlichkeiten. Als kulturelle Öffentlichkeiten sind einerseits die Kunst-Öffentlichkeiten zu verstehen (Museen, Galerien, Theater, Konzerthäuser), andererseits aber auch alle kommunikativen Räume, denen ein umfassender Kulturbegriff zugrundeliegt (Sportstadien, Wettkampfveranstaltungen etc.). Auffällig ist, dass sich diese kulturellen Öffentlichkeiten ausgeweitet und differenziert und in der Frequenz ihres Auftretens verstetigt haben (zum Beispiel die Festivalformen, die theatralen Einzelaktionen und ritualisierten Formen von Festspielen, Großausstellungen etc.). Diese körperlich und live erlebbaren Großereignisse werden dann wiederum in einen medialen Verwertungsprozess integriert. Dabei entsteht das ambivalente Konstrukt einer medial vermittelten ‚Unmittelbarkeit‘, der Suggestion einer unmittelbaren Teilhabe an einem kulturellen Geschehen, das gleichwohl medial erzeugt wird.

Kultur hat sich zudem immer stärker in Richtung Konsum bewegt. Sie organisiert sich in individualisierten Kommunikationsprozessen, so dass der bindende Charakter der Kultur sich aufzulösen beginnt. Der individuelle Kulturkonsum findet zunehmend auch mobil statt. Während er sich im frühen 20. Jahrhundert den gesonderten Kulturinstitutionen der Cafés, Music Halls, Varietés entzogen hat und durch Grammophon, Rundfunk und Fernsehen privatisiert wurde, so beginnt er sich nun durch MP3-Player, iPod und Kopfhörer wieder in den öffentlichen Raum zu bewegen, jedoch in individualisierter Form. Die Menschen werden in den öffentlichen Räumen zu Musikmonaden, oder sie sprechen laut vor sich hin, so als liefen sie im Wahn durch die Straßen, dabei per Handy oder Head Set telefonierend.

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4. Ambivalenz der Entwicklungen

Alle bisher genannten Veränderungen werden in den medien- und kommunikationswissenschaftlichen Debatten vielfach erörtert. Doch es stellt sich die Frage – insbesondere für die zeitgeschichtliche Forschung: Wie prägend sind die Medialisierungen und Fragmentierungen für die Gesellschaft wirklich? Seit dem Ende der 1980er-Jahre wird zum Beispiel vom Untergang des Fernsehens als Leitmedium gesprochen.19 Das Medium hat aber seither einen beispiellosen Ausbau erfahren. Die durchschnittliche tägliche Sehdauer für jeden Bundesbürger ab 3 Jahren ist deutlich gestiegen – von 2 Stunden und 5 Minuten (1985) auf 3 Stunden und 45 Minuten (2008). Die Nutzung des Internets liegt – statistisch gesehen – immer noch weit unter derjenigen des Fernsehens, das in den Mediendebatten als ein ‚altes‘ Medium gilt. Diskurse und reale Entwicklungen scheinen also konträr zu verlaufen.

Daher sind immer auch die jeweils zeitgenössischen Diskussionen der Medienentwicklung zu beobachten, die jeweiligen Diskurse über die Medien – die selbst wiederum in Medien stattfinden.20 Solche Diskurse dürfen jedoch nicht als historische Darstellung der Medien verstanden werden, da sie immer interessengelenkt und zweckbezogen sind: Sie wollen etwas erreichen, Zustände verändern, die Medien neu bewerten. Wer etwa Fernsehgeschichte der 1950er-Jahre nur anhand der Diskurse über das Fernsehen wahrnimmt – zum Beispiel auf der Basis von Verlautbarungen der Fernsehintendanten oder -kritiker –, käme möglicherweise zu dem Schluss, die Fernsehsender jener Zeit seien bildungsorientiert und kulturell anspruchsvoll gewesen. Der Blick in die Fernsehprogramme zeigt jedoch, dass die Hauptinhalte vor allem unterhaltender Natur waren.21 Viele Diskursbeiträge verstanden sich als Normvorgaben, nicht als Realitätsbeschreibungen des Fernsehens.

Gerade in der Zeitgeschichtsschreibung kann es nicht darum gehen, mit der Fokussierung auf eine ‚Mediengesellschaft‘ die Existenz einer neuen Gesellschaft zu behaupten. Stattdessen sind die Veränderungen zu ergründen, die durch die Medialisierung von Kommunikationsprozessen stattfinden. Darüber ist jedoch nicht zu vergessen, dass die gesellschaftliche und individuelle Entwicklung nicht allein von den Medien bestimmt wird, sondern auch noch von anderen Faktoren (wie etwa den Veränderungen in der gesellschaftlichen Bedeutung von Arbeit, dem Verhältnis von Arbeitszeit und Freizeit, den Veränderungen der Umwelt). Es geht mit dem Begriff der ‚Mediengesellschaft‘ nicht um ein neues Paradigma der Zeitgeschichte.

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Vielleicht kann man aus den medientheoretischen Debatten lernen. Ein Beispiel: Die massenmedialen Bilder eines Krieges sind nicht der Krieg selbst. Sie können die Kommunikation über den Krieg verändern, können neue Einstellungen provozieren, Reaktionen auslösen – sie können Mittel in einer medienkommunikativen Auseinandersetzung sein, aber sie sind nicht dasselbe wie die Vernichtungsakte eines Krieges, sie haben den Status einer anderen Realität. Die Erschießung eines Vietcong durch den Polizeipräsidenten von Saigon ist immer noch etwas anderes als ein Foto von dieser Erschießung. Medientheoretische Gleichsetzungen verfälschen die Verhältnisse. (So behauptete Peter Weibel während des ersten Irakkrieges, dass die Fernsehzuschauer zu „Tele-Soldaten“ würden, die gewissermaßen an den Bildschirmen ‚mitschießen‘ würden.22) Natürlich werden Medien in ihrer Berichterstattung instrumentalisiert und erzeugen ein Klima, wie sich eine Gesellschaft zu einem Krieg verhält. Gleichwohl bleibt eine Differenz zwischen den medialen und den außermedialen Ereignissen bestehen.

Unbestreitbar sind die Medien inzwischen selbst ein sozialer Faktor. Doch trotz der Expansion von AV-Medien und Telematik ist die ökonomische Bedeutung der Medien in Deutschland immer noch gering, gemessen am Anspruch einer ‚Mediengesellschaft‘. So betrug der Umsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien im verarbeitenden Gewerbe, im Handel und bei den Dienstleistungen 2006 mit 314 Mrd. Euro etwa 8,8 Prozent des deutschen Gesamtumsatzes in diesen Bereichen.23

Umsatzdaten zu Film, Fernsehen, Radio, Internet und anderen Inhalte generierenden Medien wurden vom Statistischen Jahrbuch nicht ausgewiesen; zu komplex ist die Programm- und Inhaltsproduktion der Medien. Je nach Zugehörigkeitsdefinition wird der mögliche Umsatz der Medien (Film, Fernsehen, Radio, Internet einschließlich der verschiedenen Speichermedien wie DVD und CD) auf 50 bis 150 Mrd. Euro geschätzt, Tendenz steigend. Die Medialisierungsprozesse durchdringen die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft mit erhöhtem Tempo. Medien sind deshalb in ihrer gesamten Komplexität in die Zeitgeschichtsschreibung einzubeziehen – dies könnte bedeuten, hier auch die Unternehmensgeschichte der Medien verstärkt in den Blick zu nehmen und die ökonomischen Veränderungen zu untersuchen.24

Die Herausforderung für die Zeitgeschichtsschreibung könnte es sein, die Medialisierung in die größeren historischen Kontexte und säkularen Trends einzubetten – auf komplexere Weise, als es in den Medien- und Kommunikationswissenschaften mit ihren etwas anders gelagerten Erkenntnisinteressen möglich ist. Dabei wäre jeweils zu überprüfen, in welchem Maße die Medialisierung tatsächlich eine geschichtsmächtige Entwicklung darstellt, d.h. ob sie in der Wahrnehmung der Zeitgenossen vielleicht doch überschätzt wird.

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5. Medialisierung der Geschichtsschreibung?

Neben der Frage nach dem Sujet der Zeitgeschichtsschreibung (also dem Konstrukt von Gesellschaft als ‚Mediengesellschaft‘) rückt auch die Frage nach den ‚Medien der Geschichtsschreibung‘ in den Blick. Ein Hauptaspekt ist dabei, wie die als ‚Bildmedien‘ geltenden audiovisuellen Medien Film und Fernsehen zu verwenden sind. Dazu einige Ansatzpunkte:

5.1. Quellenproblematik. Dass die nichtschriftlichen, audiovisuellen Quellen in die zeitgeschichtliche Forschung verstärkt einbezogen werden müssen, liegt auf der Hand. Solche Materialien liefern Anschauungen von Ereignissen und sozialen Prozessen, wobei sich die Quellenproblematik jedoch in besonderer Weise stellt: Bilder sind letztlich immer mehrdeutig, sie bedürfen der quellenkritischen Kontextualisierung, sie müssen ‚eindeutig‘ gemacht werden in Bezug auf Entstehung und Herkunft, und es muss erklärt werden, was auf ihnen zu sehen ist. Dies gilt nicht nur für ‚stehende Fotografien‘, sondern auch für Bewegtbilder, die durch einen erklärenden Off-Ton noch lange nicht eindeutig belegen, dass das, was im Kommentar behauptet wird, auch tatsächlich im Film gezeigt wird.

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Problematisch ist schon die Zugänglichkeit der audiovisuellen Quellen. Zwar gibt es heute in zahlreichen Universitäten eigenständige Medienarchive (zumeist dort, wo auch schon seit vielen Jahren Medienwissenschaft betrieben wird), doch sind diese Archive nicht auf Zeitgeschichtsforschung ausgerichtet. Gleichwohl gibt es hier einen ersten Zugang. Zwar existiert keine veröffentlichte Systematik, die eine Recherche in den Universitätsarchiven erleichtert. Auch sind diese häufig nur auf den internen Gebrauch ausgerichtet, da die immer noch ungelösten rechtlichen Probleme der Archivierung von elektronischen Medienproduktionen einer freien Nutzung im Weg stehen. Dennoch sind hier zahlreiche Filme, Fernsehsendungen und Radiosendungen aufbewahrt.

Die meisten AV-Quellen liegen in den Hörfunk- und Fernseharchiven, die als Produktionsarchive der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht auf einen wissenschaftlichen und schon gar nicht auf einen öffentlichen Zugang hin angelegt sind. Die privatrechtlichen Hörfunk- und Fernsehunternehmen archivieren wenig bis gar nichts, und wenn, dann häufig nur so lange, wie es die Aufbewahrungspflichten vorschreiben (die der möglichen nachträglichen Programmkontrolle dienen). Seit mehr als 20 Jahren wird über die Einrichtung eines Fernsehmuseums mit eigener Sammlung gestritten; das 2006 eröffnete Fernsehmuseum in Berlin ist bislang minimal ausgestattet.25

Grundsätzlich gilt, dass die Archivierung der medialen Kommunikation völlig unzulänglich ist. Den technisch-apparativen Medien haftet ohnehin ein Hauch von Vergänglichkeit an – stärker als den klassischen Formen des Papiers und des Drucks. Von den ersten 25 Jahren des Kinofilms (Stummfilmzeit) besitzen wir noch ca. 10 Prozent aller Filme, der Rest ist vernichtet. Von den ersten Jahren des systematisch produzierenden Programm-Fernsehens (bis etwa 1959/60) besitzen wir nur noch das, was auf Film aufgezeichnet oder gleich auf diesem Trägermaterial produziert wurde: weniger als 10 Prozent der Fernsehprogramme (von den Programmen des NS-Fernsehens existieren noch maximal 8-10 Stunden). Von der Internetkommunikation der 1990er-Jahre ist noch sehr viel weniger erhalten – und bis heute gibt es keine dauerhafte Form der Speicherung, die allen Forschern zugänglich wäre.

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In den letzten Jahren werden Bildquellen (auch von audiovisuellen Bewegtbildern) vermehrt im Internet zugänglich. Doch ist das, was hier verfügbar ist, kritisch zu beurteilen, weil es keine gesicherten Standards dessen gibt, was dort eingestellt wird. Bildmanipulationen sind heute von den Nutzern leicht zu bewerkstelligen; deshalb ist den im Netz zu findenden Bildern (zum Beispiel auch auf YouTube) zutiefst zu misstrauen. Gleichwohl sind hier zahlreiche film- und fernsehgeschichtliche Besonderheiten zu entdecken.

Kann ‚Mediengesellschaft‘ überhaupt ein Gegenstand von Zeitgeschichtsschreibung sein, wenn es über weite Strecken fast nur Sekundär- und Tertiärquellen gibt? Je näher der Zeithistoriker der Gegenwart kommt, umso umfangreicher ist das vorhandene Medienmaterial. Für Untersuchungszeiträume ab den 1960er-Jahren gilt eher umgekehrt, dass er in der Fülle des noch vorhandenen Materials unterzugehen droht. Hier ist also begründete Auswahl notwendig. Damit wird auch deutlich, dass das Material, welches Fernsehen, Radio und Film liefern, in aller Regel nicht für die historische Darstellung der Epoche gemacht wurde, in der es entstand, sondern dass der historisierende Blick erst vom Forscher kommen muss. Dies gilt aber für die allermeisten Quellenarten und ist kein Spezifikum der audiovisuellen Überlieferung.

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5.2. Medien der Geschichtsschreibung. ‚Geschichtsschreibung‘ impliziert die Schriftsprachlichkeit als Darstellungsmedium für die Historiographie. Muss es bei einer Zeitgeschichtsschreibung (in) der Mediengesellschaft eventuell auch andere Medialitäten der Geschichtsdarstellung geben?26 Dies ist in der Tat denkbar und wird bereits vielfach praktiziert, allerdings eher für populäre oder populärwissenschaftliche Zwecke und weniger im akademischen Kontext.

Die Fernsehanstalten produzieren bekanntlich eine große Menge an Zeitgeschichtsdarstellungen, seien es in Jahresschritten vorgehende Überblicke (Anfang 2009 zum Beispiel eine Reihe über die vergangenen 60 Jahre bundesdeutscher Geschichte) oder im Kontext einer „Gedenktage-Agenda“27 Einzelsendungen oder Miniserien. Die Redaktion „Zeitgeschichte“ des ZDF unter der Leitung von Guido Knopp stellt seit gut 20 Jahren Serien her, besonders zur Geschichte der NS-Zeit. Ganz offensichtlich sind derartige Darstellungen problematisch, denn sie vermitteln zwar viel Anschauung, doch fehlt oft der differenzierende Blick, die kritische Darstellung von Kontext und Detail. Hier wie auch bei anderen Produktionen dominieren die nicht immer expliziten Zwänge der Medien.

Unsere Vorstellung von vielen zeitgeschichtlichen Ereignissen ist vor allem durch die Film- und Fernsehbilder geprägt. Dies gilt etwa – um nur ein Beispiel zu nennen – für die Auseinandersetzung mit der RAF.28 Deshalb müssen solche Darstellungen in die zeithistorische Reflexion einbezogen werden. Denn unabhängig von normativen Einschätzungen tragen Kino und Fernsehen zur „Verbreitung und Verfestigung hegemonialer Geschichtsdeutungen“ zweifellos erheblich bei.29

Die Recherche der Fernsehredaktionen nach unbekanntem, bis dahin noch nicht gezeigtem und gesendetem Material führt auch dazu, dass immer wieder neue Bildquellen erschlossen werden. Dennoch ist die Differenziertheit schriftsprachlicher Argumentation für die Geschichtsschreibung nicht verzichtbar. Ohne falsche Konfrontationen zwischen ‚wissenschaftlichen‘ und ‚populären‘ Geschichtsdarstellungen aufzubauen, müssen in der Zeitgeschichtsforschung daher verstärkt Verbindungen geschaffen werden, um die Anschaulichkeit audiovisueller Dokumente einzubeziehen, ohne auf die kritische Reflexion des geschriebenen Wortes zu verzichten. Ob und wie dies die im engeren Sinne wissenschaftliche Geschichtsschreibung verändern oder erweitern kann, ist vorerst noch eine offene Frage.

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5.3. Dokumentarismus, Fiktionalität, Re-enactment. Eine Besonderheit stellt die fiktionale Darstellung von geschichtlichen Ereignissen in Film, Fernsehen und Radio dar. Auch sie sind Gegenstände der zeitgeschichtlichen Betrachtung, denn sie enthalten Reflexionen des Umgangs mit der Geschichte. Die Kinospielfilme zum Beispiel über den Zweiten Weltkrieg, die in den 1950er-Jahren gedreht wurden („Haie und kleine Fische“, „08/15“, „Die Brücke“ oder der Fernsehmehrteiler „Am grünen Strand der Spree“ mit der ersten langen Darstellung des Holocaust), enthalten ebenso viel Informationen über den Zweiten Weltkrieg wie über die Zeit der 1950er-Jahre, weil sie implizit deren Sicht auf den Krieg dokumentieren. Und es sagt viel über die Mentalität einer Gesellschaft aus, wenn man beobachtet, dass es zwar sehr viele Kriegsfilme in den Kinos gab, kaum aber eigene Produktionen des Fernsehens. Hier ist zu fragen, wie Kino und Fernsehen ihre Aufgaben verstanden.

Fiktionalen Darstellungen historischer Ereignisse kommt in aller Regel eine sehr viel größere Wirkungsmacht als dokumentarischen Aufnahmen zu. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn es um die Erinnerungsgeschichte geht. Der amerikanische Vierteiler „Holocaust“ hat wie kaum eine andere Darstellung des Mordes an den europäischen Juden dieses Verbrechen in das Bewusstsein der Deutschen gerückt.30 Dass es dabei immer auch um die Verwendungen von Erzählmustern, von dramaturgischen Konstruktionen geht, liegt auf der Hand. In ihrer verdichteten Form können fiktionale Präsentationen eine tiefere (oder ‚innere‘) Wahrheit darstellen, wie es Eugen Kogon 1979 anlässlich der Ausstrahlung der „Holocaust“-Serie im bundesdeutschen Fernsehen konstatiert hat.31 Gerade diese Serie hat auch die Wirkmächtigkeit solcher Fernsehgeschichtsdarstellungen sichtbar gemacht: Nicht nur stieg die Einschaltquote der Sendung (die in den zusammengeschlossenen Dritten Programmen der ARD gezeigt wurde), sondern es gab im Anschluss auch über 10.000 Anrufe und Leserbriefe. In der Emotionalisierung der Zuschauer liegen spezielle Potenziale der Medien, denn Wissen lässt sich nicht ohne Emotionen vermitteln. Und die Fiktion macht historische Zeiten für die Menschen dadurch erfahrbar, dass sie Geschichte über menschliche Beziehungen darstellt.

Fiktionale Formate sind deshalb immer auch Teil der „zweiten Geschichte“ einer Epoche (um hier einen Begriff von Peter Reichel zur Beschäftigung der Bundesrepublik mit der NS-Zeit zu verwenden).32 Aber vielleicht ist bei solchen Darstellungen die Medienwissenschaft stärker als die Geschichtswissenschaft gefragt.

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5.4. Medienwissenschaft und Zeitgeschichtsschreibung. Medien sind vor allem als Orte des kulturellen Gedächtnisses zu verstehen, als Speicher von geschichtlichen Ereignissen und ihren Deutungen. Fernseh- und Radioprogramme ebenso wie der Kinofilm sind Formen ständigen Erinnerns; sie liefern auch immer wieder Aktualisierungen der Erinnerung. Insgesamt ist bei der Verwendung von Medien als Material der Zeitgeschichtsforschung deshalb eine stärkere Kenntnisnahme der medienwissenschaftlichen Forschungen notwendig – insbesondere dort, wo sich diese explizit um zeitgeschichtliche Themen bemüht. Denn es geht nicht nur um die Thematisierung von geschichtlichen Ereignissen, sondern immer auch um eine besondere mediale Aufbereitung, Gestaltung und Formgebung, mit der sich die Medienwissenschaft seit langem verstärkt beschäftigt. Es reicht eben nicht aus, einfach den Begriff der ‚szenischen Nachstellung‘, des ‚Re-enactments‘ zu verwenden; die Konzepte der Inszenierung und Fiktionalisierung sind komplexer und müssen deshalb genauer betrachtet werden. Gerade das Konzept des Re-enactments, das auf den britischen Theoretiker Robin George Collingwood zurückgeht und dessen Theorie der Historiographie mitbegründet, ist letztlich die aus der Theaterwissenschaft bekannte Kategorie ‚Rekonstruktion‘ deren Begrenztheit dort bereits in den 1970er-Jahren ausführlich diskutiert wurde.33

Das Nachstellen von historischen Situationen ist unlösbar mit dem Hier und Jetzt des Rekonstruierenden verbunden – wir können nicht aus unserer Gegenwärtigkeit herausspringen. Schon das Dokumentarspiel des ZDF, in den 1960er-Jahren begründet, basierte auf der Annahme, man könne dem Zuschauer die ‚Illusion des Authentischen‘ vermitteln, man könne ihm suggerieren, dass Geschichte so gewesen sei, wie die Sendung sie zeige, und nicht, dass es sich auch hier nur um eine Interpretation, eine mögliche Sicht handele (wenn auch mit hoher Anschaulichkeit).34 Aufschlussreich und vorbildlich sind demgegenüber vor allem die Fernsehfilme von Heinrich Breloer („Das Beil von Wandsbek“, „Die Staatskanzlei“, „Kollege Otto“, „Wehner“, „Das Todesspiel“ u.a.), der die einzelnen Methoden der visuellen Darstellung aus historischem Filmmaterial, schriftlichen Dokumenten, dargestellter Recherche und Nachinszenierung zwar kunstvoll miteinander verzahnt, die jeweilige Materialität aber deutlich voneinander getrennt hält und sie auf diese Weise kenntlich macht.

Die Mediengeschichtsschreibung, angesiedelt zwischen Medienwissenschaft und Geschichtswissenschaft, hat sich bisher vor allem um die Geschichte der Medien bemüht – als Einzelmedien oder als Mediengesamtheit. Sie betreibt, um beim Beispiel der Rundfunkmedien zu bleiben, vor allem eine Geschichtsschreibung der Medieninstitutionen, der Kommunikatoren, der Mediennutzer sowie der Programme und Sendungen. Sie hat bereits vieles systematisch erforscht. In den letzten Jahren sind neue Konzepte wie die Rezeptions- und Nutzungsgeschichte oder die Diskursgeschichte und die Unternehmensgeschichte hinzugekommen, oder auch Ansätze wie die Stilgeschichte. Es bestehen deshalb viele Gemeinsamkeiten, die von der Geschichtswissenschaft wie von der Medienwissenschaft gleichermaßen stärker beachtet werden könnten.

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Es geht also nicht um ein gänzlich neues Paradigma der Zeitgeschichte, wohl aber um eine noch entschiedenere Öffnung der Zeitgeschichtsschreibung hin zu den Medien. Zum einen durchdringen und beeinflussen Medien die Gesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts weit stärker, als die bisherige Historiographie dies wahrgenommen hat. Zum anderen müssen Medien in den Prozess der Geschichtsschreibung und -darstellung selbst einbezogen werden – als Instrumente des Erkenntnisgewinns über geschichtliche Situationen und Handlungsweisen. Hier gilt es, neue Wege zu beschreiten und neue Ziele zu setzen, die der Ära der Audiovisualität gerecht werden. Eine Zeitgeschichte, die ihre medialen Möglichkeiten nicht mitbedenkt, ist nicht mehr zeitgemäß.

Anmerkungen: 

1 Friedrich Krotz, Mediatisierung. Fallstudien zum Wandel von Kommunikation, Wiesbaden 2007, hier v.a. S.11ff.

2 Vgl. Knut Hickethier, Einführung in die Medienwissenschaft, Stuttgart 2003.

3 Vgl. Gerhard Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, Hamburg 1963.

4 Vgl. z.B. Miriam Meckel, Das Glück der Unerreichbarkeit. Wege aus der Kommunikationsfalle, München 2007.

5 Frank Schirrmacher, Payback. Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen, München 2009.

6 Vgl. Theo Röhle, Dispositiv Google. Zur Analytik der Suchmaschinenmacht, phil. Diss. Hamburg 2009.

7 Vgl. Maren Hartmann/Andreas Hepp (Hg.), Die Mediatisierung der Alltagswelt, Wiesbaden 2010.

8 Vgl. Jörg Becker/Lars Algermissen/Thorsten Falk, Prozessorientierte Verwaltungsmodernisierung – Prozessmanagement im Zeitalter von E-Government und New Public Management, Berlin 2007; Martin Brüggemeier u.a., Organisatorische Gestaltungspotenziale durch Electronic Government. Auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung, Berlin 2006.

9 Vgl. Ullrich Dittler u.a. (Hg.), E- Learning: Eine Zwischenbilanz. Kritischer Rückblick als Basis eines Aufbruchs, Berlin 2009; Rolf Schulmeister, Virtuelle Universität – Virtuelles Lernen, München 2001.

10 Vgl. Spiros Simitis, Die informationelle Selbstbestimmung – Grundbedingung einer verfassungskonformen Informationsordnung, in: Neue Juristische Wochenschrift 37 (1984), S. 398-405.

11 Vgl. Steve Dixon/Barry Smith, Digital Performance. A History of New Media in Theatre, Dance, Performance Art, and Installation, Cambridge 2007.

12 Vgl. Oliver Grau, Virtual Art. From Illusion to Immersion, Cambridge 2003.

13 Erich Krestel (Hg.), Bildgebende Systeme für die medizinische Diagnostik. Grundlagen, Technik, Bildgüte, Berlin 1980; Martin Wetzke/Christine Happel, Bildgebende Verfahren, München 2009.

14 Matthias Bartsch, Tödlicher Lärm, in: Spiegel, 14.12.2009, S. 45.

15 Vgl. etwa Herbert Kubicek/Stefan Welling, Vor einer digitalen Spaltung in Deutschland? Annäherung an ein verdecktes Problem von wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Brisanz, in: Medien- & Kommunikationswissenschaft 48 (2000), S. 497-517.

16 Paul Virilio, Rasender Stillstand. Essay, München 1992.

17 Vgl. Gerhard Schulze, Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt a.M. 1992.

18 Vgl. etwa Andreas Dörner, Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft, Frankfurt a.M. 2001.

19 Siegfried Zielinski, Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte, Reinbek bei Hamburg 1989.

20 Vgl. Irmela Schneider/Peter M. Spangenberg (Hg.), Diskursgeschichte der Medien nach 1945, Bd. 1: Medienkultur der 50er Jahre, Wiesbaden 2002.

21 Vgl. Knut Hickethier, Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart 1998.

22 Vgl. Peter Weibel, Welt als Wahn. Der Krieg im Zeitalter der Telekommunikation, in: epd/Kirche und Rundfunk, 6.2.1991, S. 3-7. Vgl. auch Knut Hickethier, Fernsehen, Fern-Sehen und Golfkrieg. TV-Kriegsberichterstattung als Ereignisproduktion, in: Jürgen Felix/Peter Zimmermann (Hg.), Der Golfkrieg in den Medien, Marburg 1991, S. 35-47.

23 Statistisches Bundesamt (Hg.), Statistisches Jahrbuch 2009, Wiesbaden 2009, S. 118f. Als „Informations- und Kommunikationstechnologien“ versteht das Statistische Bundesamt alle Einrichtungen, die die Übertragung und den Austausch von Informationen „in digitalisierter Form und auf elektronischem Wege“ ermöglichen – also auch medizinische Geräte, Bürokommunikation und prozesssteuernde Apparate in der Industrie.

24 Vgl. Knut Hickethier (Hg.), Mediengeschichte als Unternehmensgeschichte. Überlegungen zu einem neuen Paradigma, Hamburg 2006.

25 Vgl. Leif Kramp, Gedächtnismaschine Fernsehen. Strategien für die Arbeit von Fernseharchiven und Fernsehmuseen in Deutschland und Nordamerika, phil. Diss. Hamburg 2009.

26 Vgl. auch Fabio Crivellari u.a. (Hg.), Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive, Konstanz 2004.

27 Horst Pöttker, Aktualität und Vergangenheit. Zur Qualität von Geschichtsjournalismus, in: Günter Bentele/Michael Haller (Hg.), Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure – Strukturen – Veränderungen, Konstanz 1997, S. 335-346.

28 Vgl. Knut Hickethier, Die Reflexion des RAF-Terrors in fiktionalen Filmen der Bundesrepublik Deutschland, erscheint in: Waltraud „Wara“ Wende/Lars Koch (Hg.), Krisenkino. Filmanalyse als Kulturanalyse: Zur Konstruktion von Normalität und Abweichung im Spielfilm, Bielefeld 2010, und für die Jahre 1967 bis 2007 die kommentierte Filmographie unter http://www.zeitgeschichte-online.de/md=RAF-Geschichte-Inhalt.

29 Kramp, Gedächtnismaschine Fernsehen (Anm. 25), S. 449.

30 Siehe den Beitrag von Frank Bösch in diesem Heft und besonders den Themenschwerpunkt „Die Fernsehserie ‚Holocaust‘ – Rückblicke auf eine ‚betroffene Nation‘“, hg. von Christoph Classen, März 2004, online unter URL: http://www.zeitgeschichte-online.de/md=FSHolocaust-Inhalt.

31 Eugen Kogon, Über die innere Wahrheit des Fernsehfilms „Holocaust“, in: Peter Märthesheimer/Ivo Frenzel (Hg.), Im Kreuzfeuer: Der Fernsehfilm Holocaust. Eine Nation ist betroffen, Frankfurt a.M. 1979, S. 66ff.

32 Peter Reichel/Harald Schmid/Peter Steinbach (Hg.), Der Nationalsozialismus. Die zweite Geschichte. Überwindung, Deutung, Erinnerung, München 2009; darin u.a. Knut Hickethier, Nur Histotainment? Das Dritte Reich im bundesdeutschen Fernsehen, S. 300-317.

33 Vgl. William H. Dray, History as Re-enactment: R.G. Collingwood’s Idea of History, Oxford 1995.

34 Vgl. Knut Hickethier, Fiktion und Fakt. Das Dokumentarspiel und seine Entwicklung bei ZDF und ARD, in: Helmut Kreuzer/Karl Prümm (Hg.), Fernsehsendungen und ihre Formen, Stuttgart 1979, S. 53-70.

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