Keine Stunde Null

Sozialwissenschaftliche Expertise und die amerikanischen Lehren des Luftkrieges

  1. Empirische Sozialforschung in den Trümmern des Weltkrieges
  2. Die widersprüchlichen Lehren des Zweiten Weltkrieges
  3. Luftkriegsexpertise in Korea und Vietnam
  4. Fazit

Anmerkungen

Im Jahr 1981, nach dem Desaster von Vietnam, erinnerte sich der bekannte liberale Ökonom John Kenneth Galbraith (1908–2006) an den Zweiten Weltkrieg und seine Zeit im Dienst des »United States Strategic Bombing Survey« (USSBS). Der USSBS, so urteilte Galbraith gewohnt scharf, sei letztlich eine unnütze Übung gewesen, selbst wenn, wie er anerkennen müsse, die skeptischen Schlussfolgerungen seiner Abteilung »ohne jede Zensur publiziert« worden seien: »Der Geschichte und der zukünftigen Politik wäre mit einer dramatischeren Aufdeckung der Fehler besser gedient gewesen, denn sie hätte uns auf die teure Ineffektivität der Bomber in Korea und Vietnam besser vorbereitet und uns die Kritik des zivilisierten Teils der öffentlichen Meinung vielleicht erspart.«1

Galbraith war mit dem USSBS kurz hinter den Frontlinien unterwegs gewesen, um in den befreiten Gebieten den neuen »totalen« Krieg und seine Folgen zu erforschen. Dazu gehörten an allererster Stelle die Luftangriffe auf Städte und Infrastrukturen, die das Gesicht des Krieges für viele Millionen Menschen entscheidend verändert hatten. Die USA, nun ohne Zweifel zur Weltmacht aufgestiegen, wollten mithilfe des USSBS den Luftkrieg und seine Folgen verstehen und aus den Erfahrungen sowohl in Europa als auch im Pazifik für die Zukunft lernen. Zugleich handelte es sich um ein Projekt, mit dem die Army Air Forces Interessenpolitik für ihre künftige Stellung im Gefüge des amerikanischen Militärs betreiben wollten.

The United States Strategic Bombing Survey, Summary Report (European War), Washington 1945, Titelseite
(Public Domain, Google-digitized)

War der USSBS, das bis heute größte empirische Projekt zur sozialen Dimension des Luftkrieges, das die Folgen strategischer Bombardierungen mit über 1.000 Mitarbeitern2 aufwendig wissenschaftlich evaluiert hatte, wirklich nur Zeitverschwendung gewesen, wie Galbraith meinte? War der USSBS gar die Wurzel der verfehlten amerikanischen Luftkriegsstrategien in Korea und Vietnam, die Hunderttausende das Leben kostete? Es lohnt sich, Galbraiths Kritik genauer nachzugehen. Wie war es möglich, dass trotz umfangreicher Expertise zur amerikanischen Luftkriegsstrategie im Zweiten Weltkrieg, dem »Good War«, sowohl im Korea- als auch im Vietnamkrieg auf fatale Weise daran geglaubt wurde, heftige strategische Bombardierungen könnten die Auseinandersetzung rasch entscheiden und den Krieg siegreich beenden?3

Strategische Luftangriffe prägten einige der blutigsten Kriege des 20. Jahrhunderts. Die amerikanischen Luftstreitkräfte verstanden nach 1945 das strategische Bombardement als die modernste Variante der Kriegsführung; zumal in Auseinandersetzungen, deren Frontverläufe zunehmend unklar wurden. Dieser über Jahrzehnte hinweg anhaltende Einfluss militärischer Doktrinen der Zwischenkriegszeit und militärischer Routinen des Zweiten Weltkrieges bedarf der Erklärung, zumal die Erfindung der Atombombe gemeinhin als deutliche Zäsur gilt. Die Kontinuitäten des strategischen Denkens beider Weltkriege wurden von einer historischen Forschung, die starre Periodisierungsgrenzen des »Kalten Krieges« betont, bisher kaum berücksichtigt. Dieser Beitrag fragt deshalb nach den Folgen des Zweiten Weltkrieges und der entgrenzten Kriegsgewalt für die Luftkriegsstrategien der USA im Korea- und Vietnamkrieg. Er zeigt, wie lang und auf welche Weise die Erfahrungen nachwirkten, die im europäischen und pazifischen Raum mit dem Krieg aus der Luft gemacht wurden.

Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielten eben jene sozialwissenschaftlichen Luftkriegsexperten, zu denen Galbraith zumindest zeitweise gehörte. Nicht alle sozialwissenschaftlichen Disziplinen waren an diesem Versuch, politische und wissenschaftliche Ressourcen zusammenzuführen,4 gleichermaßen beteiligt. So wusste das Militär etwa mit den selbstreflexiven Empfehlungen eines 1943 aus Historikern gebildeten Beratungsgremiums, dessen Bericht die Spezifik geschichtlicher Konstellationen und die Unmöglichkeit gesicherter Vorhersagen betonte, nichts anzufangen.5 Vor allem die Soziologie, die (Sozial-)Psychologie und die Wirtschaftswissenschaften dagegen, besonders deren empirisch arbeitende, quantitativ argumentierende Zweige, etablierten sich nach 1945 in den Beratungsgremien und Think Tanks, die dem Militär zuarbeiteten.

Die Bedeutung dieser Akteure als Luftkriegsexperten ist bisher kaum erforscht. Zwar ist das Feld der »Cold War Social Science« inzwischen gut erschlossen, gerade was den theoretischen Zugriff auf das Verhältnis von Wissenschaft, Militär und Politik betrifft.6 Die Figur des »Defense Intellectual« taucht in der Literatur dagegen eher schemenhaft auf.7 Obwohl die Berichte des USSBS in der NS-Forschung eine Rolle spielen, gab es über ihn lange Zeit nur zwei Monographien, die jedoch nicht wissensgeschichtlich argumentieren.8 Dieser Beitrag stützt sich daher hauptsächlich auf Archivbestände der National Archives, College Park (NARA), der Air Force Historical Research Agency (AFHRA) sowie der RAND Corporation. Dort wurden die umfangreiche Überlieferung des USSBS, Tätigkeitsberichte der relevanten Institutionen, Korrespondenzen sowie Mitschriften und Memoranda eingesehen. Die Quellenbasis zum Zweiten Weltkrieg ist mit einer eigenen Record Group in den National Archives und einer Reihe von Nachlässen der Abteilungsdirektoren außerordentlich breit, während es für den Korea- sowie den Vietnamkrieg keine vergleichbar umfangreiche Quellengrundlage gibt.

Im ersten Teil des Aufsatzes geht es um die Evaluierung der westalliierten Luftkriegsstrategie des Zweiten Weltkrieges mithilfe empirischer Forschung in Europa und im pazifischen Raum. Der zweite Teil zeigt, wie widersprüchlich die dort gewonnenen Erkenntnisse waren und welche Rolle sie für die USA in den unmittelbaren Nachkriegsjahren spielten. Drittens erläutert der Beitrag die langfristigen Folgen der sich etablierenden Expertise für die beiden großen amerikanischen Luftkriege in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sowohl im Korea- als auch im Vietnamkrieg bezogen sich Militärstrategen ebenso wie die Experten selbst regelmäßig auf das im Zweiten Weltkrieg gewonnene Wissen. Der Blick auf die Arbeit der Forscher verdeutlicht, dass diese Bezugnahme disziplinengeschichtlichen Entwicklungen ebenso verpflichtet war wie machtpolitischen und kommunikationspraktischen Fragen.

1. Empirische Sozialforschung in den Trümmern des Weltkrieges

Krieg aus der Luft – das war im Zweiten Weltkrieg ein neuer und unbekannter Faktor. Berge an Papier hatten die Militärstrategen der Zwischenkriegszeit darüber produziert, und doch war völlig offen, welche konkreten Wirkungen die neuen Möglichkeiten zur Bombardierung ganzer Städte und Industriezentren entfalten konnten. Würden sie tatsächlich Panik unter der Zivilbevölkerung verbreiten? Würden sie die logistischen Nervenzentren des Gegners ausschalten und den Krieg rasch beenden?

Die eigentlichen Experten für die zentrale Frage, wie moderne Gesellschaften funktionierten und wie sie geschwächt werden könnten, waren die Vertreter der noch jungen sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Die Soziologie hatte sich in den USA seit dem späten 19. Jahrhundert etabliert, ohne jedoch bereits ihr Image als Projekt verkappter »Sozialisten« abgelegt zu haben.9 Die zu Beginn des Jahrhunderts gegründete American Sociological Association (ASA) besaß im Jahr 1930 immerhin bereits 1.530 Mitglieder, doch blieb diese Zahl bis Kriegsbeginn konstant.10 Die American Psychological Association (APA) war dagegen ein Verband ohne Einfluss, und die für den Krieg so relevante Sozialpsychologie hatte sich erst in den späten 1920er-Jahren ansatzweise institutionalisiert.11 Während der 1930er-Jahre entwickelten die verschiedenen sozialwissenschaftlichen Fächer hauptsächlich empirische Methoden mit starkem mathematischem Unterbau; etwa das Sampling oder die Abbildung von Interviewergebnissen in Skalen, um sich neben den Natur- und Technikwissenschaften zu behaupten.12 Der New Deal beschleunigte diesen Prozess in den USA, weil die staatlichen Verwaltungen nun plötzlich anwendungsorientierte sozialwissenschaftliche Forschung für die Planung und Durchsetzung regierungsamtlicher Maßnahmen benötigten.13

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges avancierten die Sozialwissenschaften schließlich zu zentralen Stichwortgebern für den Krieg aus der Luft. Auf der Basis geheimdienstlicher Informationen begannen sie zu erforschen, wie die Kriegsgegner empfindlich zu treffen seien und die sogenannte Kriegsmoral feindlicher Gesellschaften erschüttert werden könne.14 Im September 1944 gab Franklin D. Roosevelt – nach intensiven Bemühungen mehrerer Generäle der Army Air Forces – dem USSBS den Auftrag, bei Kriegsende die amerikanische Luftkriegsstrategie wissenschaftlich zu evaluieren. Bis Anfang 1945 entwickelte der Survey-Direktor Franklin D’Olier folglich ein interdisziplinäres Großprojekt mit insgesamt elf (Europa) bzw. dreizehn (Japan) Abteilungen, die die physische Zerstörung, deren Auswirkung auf die Rüstungs- und Versorgungswirtschaft, die zivile Verteidigung, die medizinische Versorgung und die »Kriegsmoral« der Bevölkerung zu beziffern versuchten. Daraus gingen schließlich über 300 Berichte hervor.15 Im Anschluss an die Projekte des New Deal und angelehnt an das »Operations Research« des Krieges nahm der USSBS so eine wichtige Scharnierfunktion im Übergang zur Nachkriegszeit ein.

Von seinen geheimdienstlichen Vorläufern unterschied er sich in zweierlei Hinsicht: Erstens entstand der USSBS auf eine präsidentielle Direktive hin, sodass die insgesamt über 1.000 Mitarbeiter – der Großteil von ihnen akademisch gebildete, für den Survey abkommandierte Soldaten – sowohl in Deutschland als auch in Japan die im Rahmen des Möglichen besten Arbeitsbedingungen vorfanden und bei ihrer Arbeit auch von den Militärbehörden in vollem Umfang unterstützt werden mussten. Zweitens, und das war die entscheidende Neuerung, erhob der Survey nach der Befreiung vor Ort empirische Daten anhand wissenschaftlicher Methodik und sammelte selbstbestimmt Quellen sowohl in Europa als auch im pazifischen Raum. Er war also, anders als Geheimdienste und Streitkräfte, nicht bloß auf ausschnitthafte Informationen angewiesen. Die über 7.000 Interviews der Morale Division16 sind dafür neben den akribischen Recherchen der wirtschafts- und ingenieurswissenschaftlichen Abteilungen etwa zu Rüstungsproduktion, Luftschutz und allgemeiner Versorgungslage das eindrucksvollste Beispiel.

Ein sozialpsychologisches Modell: Alliierte Luftangriffe versus Durchhaltewillen der deutschen Bevölkerung
(aus: The United States Strategic Bombing Survey,
The Effects of Strategic Bombing on German Morale, Vol. I, Washington 1947, S. 6;
Public Domain, Google-digitized)
Die britischen Schriftsteller W.H. Auden (1907–1973) und James Stern (1904–1993) in Bad Nauheim. Beide waren 1939 aus Europa in die USA geflüchtet und kamen 1945 als Mitarbeiter des United States Strategic Bombing Survey nach Deutschland. Über seine dortigen Erfahrungen veröffentlichte Stern das Buch »The Hidden Damage« (New York 1947; auf Deutsch erst Jahrzehnte später erschienen: Die unsichtbaren Trümmer. Eine Reise im besetzten Deutschland 1945. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Joachim Utz, Klaus Binder, Bernd Leineweber, Frankfurt a.M. 2004).
(picture-alliance/TopFoto)

Mithilfe der neuesten Interviewforschung zur Einstellungsmessung17 sammelte die Morale Division zehntausende Seiten an Quellen für eine Wirtschafts-, Sozial- und Alltagsgeschichte des Zweiten Weltkrieges.18 Die Wissenschaftler interessierten sich hauptsächlich für die Frage, ob und wie der »Will to Resist«, die Widerstandskraft der Bevölkerung, durch die Bomben getroffen worden war. Dieses vom NS-Regime aktiv verfestigte Bollwerk zu erschüttern schien eine ebenso zentrale wie schwer zu bemessende Aufgabe strategischer Luftstreitkräfte zu sein. Um die Bedingungen des Durchhaltewillens zu entschlüsseln, erstellte ein Team von Soziologen und Sozialpsychologen unter der Leitung des einflussreichen Meinungsforschers Rensis Likert Fragebögen, Codes und Gesprächsleitfäden. In kleinen Teams reisten die Mitglieder der Morale Division mit diesem Material durch besetzte Gebiete,19 stellten repräsentative Samples der zu Befragenden zusammen und führten mit den so ermittelten Gesprächspartner*innen mündliche Interviews. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abteilung hatten zu diesem Zweck einen festen Fragenkatalog entwickelt, ließen aber offene Antworten und variierende Nachfragen zu. Neben einer sozioökonomischen Einordnung sah ein gedrucktes Deckblatt außerdem vor, die Nähe der Befragten zur NS-Ideologie und zum NS-Regime zu bewerten und sie nach einem – auch andernorts von den Besatzungsbehörden genutzten – schwarz/weiß/grau-Schema einzuordnen. Inhaltlich interessierten sich die Interviews für persönliche Erfahrungen mit verschiedensten Aspekten des Luftkrieges, vor allem für Auskünfte über die emotionalen und praktischen Folgen von unmittelbaren Bombardierungen. Sie fragten beispielsweise danach, wie häufig die Menschen aufgrund der Angriffe am Arbeitsplatz gefehlt hätten, ob, wann und warum sie am Sieg gezweifelt hätten, wen sie für die Luftangriffe verantwortlich machten und ob sie mit dem Luftschutz ihres Landes zufrieden gewesen seien.

Westdeutsche Städte, in denen die Morale Division ihre Befragungen durchführte
(aus: The United States Strategic Bombing Survey,
The Effects of Strategic Bombing on German Morale, Vol. I, Washington 1947, S. VI;
Public Domain, Google-digitized)

Ergänzend zu den auf Deutsch geführten Gesprächen mit Tausenden erstaunlich gesprächsbereiten »kleinen Leuten« forderte der Survey auch eine Reihe von Funktionsträgern des Regimes auf, ihre Erfahrungen mit dem Luftkrieg zu schildern. Schulleiter und Polizeipräsidenten, Luftschutzbeauftragte und Pfarrer wurden zu zwar standardisierten Themen, aber ohne Fragenkatalog interviewt. Zum Teil reichten sie ihre Darstellung auch nur schriftlich ein. Die Morale Division verstand diese Schilderungen als Plausibilitätsprobe für die Interviews mit der Bevölkerung, indem sie die individuelle Perspektive erweitern sollten. Auch Vertreter der politischen Opposition wurden kontaktiert und befragt, um zu verstehen, wie politische Bindung und die Wahrnehmung der Bombardements zusammenhingen. So finden sich in den Akten des USSBS Stellungnahmen etwa vom Gewerkschafter Hans Böckler, aber auch vom ehemaligen Münchener Oberbürgermeister Karl Scharnagl und dem Historiker Gerhard Ritter, der zum Netzwerk des 20. Juli 1944 gezählt wurde.

Auf diese Art und Weise erhoben die Sozialwissenschaftler eine beeindruckende Datenbasis zur Sozial- und Alltagsgeschichte des Krieges. Das vor Ort gewonnene Material wurde, teils mithilfe amerikanischer Universitätsseminare,20 codiert; die Analyse-Ergebnisse wurden schließlich in anschauliche Graphen, Diagramme, Tabellen und Schaubilder übersetzt. Hervorzuheben ist zweierlei: Erstens beanspruchte die Auswahl der Befragten zwar größtmögliche Repräsentativität, wies aber dennoch Schwächen auf, die in der Folge – d.h. auch nach Abschluss des Surveys – kaum mehr reflektiert wurden. So erfassten die Experten, die noch vor dem 8. Mai 1945 mit ihrer Arbeit begannen, etwa keine Wehrmachtsangehörigen und eben auch nicht den Großteil all jener Menschen, die bis zum Frühjahr 1945 die Städte verlassen hatten. Zweitens waren es nicht die Wissenschaftler selbst gewesen, die die Leitfragen formuliert hatten, sondern die Generäle der Army Air Forces. Sie waren es, die wissen wollten, ob und in welcher Form der strategische Luftkrieg militärisch und psychologisch entscheidend gewesen sei – letztlich mit dem Ziel, seine Bedeutung objektiv bestätigt zu sehen. Die forschungsleitende Frage »How Effective Was Strategic Bombing?« hatte wiederum freilich Auswirkungen auf die Forschungsergebnisse, indem sie die Legitimität des Luftkrieges an sich nicht infrage stellte und zugleich taktische Luftangriffe ausklammerte.

Die Datenerhebung in Europa sollte, so war es von Beginn an geplant, möglichst schnell abgeschlossen werden, um die gewonnenen Lehren auf dem pazifischen Kriegsschauplatz verwenden zu können. Der Wunsch, die Erkenntnisse später auch andernorts für die Luftkriegsplanung einzusetzen, war für das Vorhaben also zentral. Im Pazifik führten die USA erst seit Mitte 1944 einen intensiven Luftkrieg, der ab März 1945 mit den heftigen Brandbombenangriffen auf Tokio besonders verheerend wurde.21 Noch bevor Japan im September schließlich kapitulierte, ordnete der neue Präsident Truman einen dem europäischen Projekt vergleichbaren Survey für den pazifischen Raum an.22 Auch die dort gesammelten Erfahrungen sollten für die zukünftige militärische Planung wissenschaftlich ermittelt, analysiert und aufbereitet werden.

Luftaufnahme der US-Armee zur
Schadenskartierung von Tokio, 12. April 1945
(Tokyo Report No. 3-a(20), USSBS Index Section 7;
Wikimedia Commons/Public Domain)

In Japan lief der Prozess der Datenerhebung ähnlich wie in Deutschland ab, auch wenn die Samplebildung nicht mehr gleichermaßen repräsentativ sein konnte und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter weit weniger komfortabel waren.23 Insbesondere die »Field Teams« der Morale Division bewegten sich in Gegenden, in denen die Besatzungsmacht kaum Präsenz zeigte, weshalb sie neben ihren Schreibmaschinen und Essensrationen auch Pistolen, Karabiner und Munition mit sich führten.24 Das erlaubte es ihnen, unterschiedliche Regionen zu erfassen. Als illusorisch erwies sich jedoch das Ziel, auch die japanischen Inseln in die Datenerhebung einzubeziehen. Die Erkenntnisse blieben insofern ausschnitthaft. Dennoch ist der japanische Teil des Surveys nicht zu unterschätzen, gerade mit Blick auf die langfristigen Auswirkungen. Seine Besonderheit bestand vor allem darin, dass mit den massiven Brandbombenangriffen auf Tokio und den beiden Atombombenabwürfen extrem hohe zivile Opferzahlen in kurzer Zeit zu beklagen waren.25 Für die Rezeption des USSBS und den späteren Rekurs auf seine Inhalte war es außerdem bedeutsam, dass hier eine »nicht-westliche« Gesellschaft befragt und vermessen wurde. Insbesondere der Bericht über den japanischen Zivilschutz tadelte »the little men«26 in überheblichem Tonfall für deren vermeintliche Unfähigkeit, die Bevölkerung vor Luftangriffen zu schützen. Unabhängig von der Tatsache, dass die neuere Forschung diese Einschätzung für verfehlt hält,27 zeigen solche und ähnliche Passagen deutlich, dass Rassismus und kulturalistische Stereotype dazu führten, zugleich den Gegner zu unterschätzen und die Brutalität der eigenen Strategie zu entschuldigen. Darüber hinaus galt die Tatsache, dass sich psychologische und soziale Reaktionen in Deutschland und in Japan ähnelten, später als Hinweis auf die universelle Gültigkeit von Verhaltensmustern, die in den USA nach Kriegsende von der behavioralistischen Forschung betont wurde.

2. Die widersprüchlichen Lehren des Zweiten Weltkrieges

Was genau die Forschung im besetzten Feindesland ergab, was also die Lehren des aufwendigen Surveys tatsächlich waren – darüber waren sich die Beteiligten uneins. Die Army Air Forces waren davon ausgegangen, dass der Luftkrieg und nicht etwa der Erfolg der Bodentruppen militärisch entscheidend gewesen sei. Die Arbeit der Luftkriegsexperten konnte diese Annahme jedoch so nicht bestätigen. Ihre Daten zeigten vielmehr, dass die Wirkung der Luftangriffe auf Industrie und Infrastruktur weniger verheerend gewesen war als angenommen; die psychologischen und sozialen Belastungen hatten keine einheitlichen und vor allem keine desaströsen Reaktionen der Bevölkerung hervorgerufen.28

Die Berichte der einzelnen Abteilungen machten diese und andere Ambivalenzen deutlich. Dennoch führten sie letztlich zu einem Festhalten an heftigen strategischen Bombardierungen. Die Abteilung von John Kenneth Galbraith etwa entdeckte zu ihrem Erstaunen, dass die Produktion im Deutschen Reich bis 1944 anscheinend gestiegen war, und schlussfolgerte daraus, dass das Ausmaß der Zerstörungen zu klein gewesen sei, um der Industrie entscheidenden Schaden zuzufügen.29 Die historische Forschung hat inzwischen gezeigt, dass diese Annahme den Auskünften des Statistischen Reichsamtes aufsaß.30 Es war letztlich also mangelnde Distanz zu frisierten NS-Statistiken, die einen entscheidenden Unterschied für die zukünftige Planung strategischer Bombardierungen machte. Denn für eine ganze Reihe an Beteiligten lautete die Lehre aus den vermeintlich gestiegenen Produktionsziffern – und auch hier orientierten sich die Experten nicht zuletzt an den Auskünften von Albert Speer –, man müsse heftiger und möglichst ohne größere Pausen bombardieren, um einen tatsächlich kriegsentscheidenden Effekt zu erzielen. Paul H. Nitze, später stellvertretender Verteidigungsminister unter Robert McNamara, der die Equipment Division sowie die Utilities Division des USSBS leitete, gab rückblickend offen zu, die Arbeit mit dem USSBS habe ihn radikalisiert, gerade was die Einschätzung effektiver Luftangriffe angehe. Seines Erachtens, so gab er Ende der 1970er-Jahre zu Protokoll, gelte in diesem Fall die Maxime »ganz oder gar nicht«: »[F]or strategic bombing to be really, truly effective [it] comes to the horrible end of the spectrum, while not that much bombing, in some cases, […] actually increased people’s determination.«31

Auch der pazifische Survey trug letztlich zu einer anhaltend radikalisierten Sicht auf den Luftkrieg bei. Er argumentierte auf eine Art und Weise, die auch die Wahrnehmung der Kriegsgegner im Korea- und Vietnamkrieg kennzeichnete. Rassistisch geprägte Stereotype von ebenso gesichtslosen wie fanatischen Kämpfern und kulturalistische Argumentationen, in »asiatischen Gesellschaften« lasse sich Ziviles und Militärisches nicht voneinander trennen, da ein rigoroses Ehrkonzept selbst die Frauen dazu bringe, im Zweifelsfall mit dem Messer in der Hand anzugreifen, wurden von den Berichten der Experten zwar hinterfragt, aber nicht korrigiert. So betonten sie, die japanische Bevölkerung sei, anders als die russische, amerikanische und selbst die deutsche, »homogeneous in background«32 und besitze daher eine »considerable social discipline«.33 Das habe dazu geführt, dass die Zerstörungen mit mehr »conformity and obedience«34 ertragen worden seien als in anderen Ländern. Diese Einebnung von Individualitäten gab den Japanerinnen und Japanern, 1945 zu Hunderttausenden auf der Flucht, kein Gesicht, das das Klischee vom fanatischen Kamikaze-Flieger hätte ergänzen können. Insbesondere aber die ständigen Hinweise auf »cultural values« führten dazu, dass die Experten Stereotype selbst dort bestätigten, wo sie sie eigentlich einzureißen dachten. So lautete eines der Argumente: »The feudal cultural values of obedience, discipline, and sacrifice had been fairly successfully indoctrinated in the people, even in modern times.«35

Die Kulturanthropologin Ruth Benedict erstellte im Auftrag des United States Office of War Information (OWI) im Frühsommer eine Studie zu »Japanese Behavior Patterns«, die die Basis für ihre nach dem Krieg veröffentlichte Forschung bildete.36 Sie betonte darin die Bedeutung des Kollektivs und die Zweitrangigkeit individueller Freiheiten im Vergleich zu den sozialen Pflichten: »Japan has been schooled in the fundamental ethic that methods change but seishin [»spirit«, Anm. S.D.] remains the same – fulfilling one’s obligations and achieving respect from others.«37 Benedict kam das Verdienst zu, den Kriegsgegner weniger eindimensional zu zeichnen, als das stereotype Klischee dies tat. Zugleich aber präsentierte sie eben jenes Gefühl der sozialen Verpflichtung auch für das Wohlergehen der Nation, sodass die Schlussfolgerung nahelag, die Bombardierung von Wohngebieten sei ohne Zweifel militärisch notwendig gewesen – zumal auch die Heimarbeit für das Funktionieren der Wirtschaft zentral gewesen sei.38 Ähnliche Stereotype, die vom vermeintlichen Untertanengeist der Menschen ableiteten, es könne in »asiatischen Gesellschaften« keine Nichtkombattanten geben, hinterließen ihre Spuren auch im amerikanischen Militär.39

Die Geschichte der Luftkriegsexpertise war dabei keine lineare Geschichte zunehmender Verwissenschaftlichung und Radikalisierung. Der USSBS brachte widersprüchliche Ergebnisse hervor, die zum Teil geeignet gewesen wären, strategische Bombardierungen gänzlich aus den Luftkriegsdoktrinen zu streichen – nicht aus moralischen, sondern aus pragmatischen Gründen. Die Morale Division etwa kam zu dem ebenso klaren wie ernüchternden Urteil: Es sei keineswegs gelungen, die »Kriegsmoral« der Menschen durch strategische Bombardierungen grundlegend zu erschüttern. Übersetzt hieß das: Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung hatten militärisch keinen Sinn. Und trotz der positiveren Evaluationen anderer Abteilungen war in jedem Fall klar, dass die in den Doktrinen der Zwischenkriegszeit als fragil modellierten modernen Gesellschaften in Wirklichkeit großen Belastungen standhalten konnten.40

Welche Auswirkungen hatten leichte, mittlere oder schwere Bombardements auf die Einstellungen der Deutschen? Die von der Morale Division ermittelten Unterschiede waren eher gering.
(aus: The United States Strategic Bombing Survey,
The Effects of Strategic Bombing on German Morale, Vol. I, Washington 1947, S. 23;
Public Domain, Google-digitized)

Anders als die Berichte der einzelnen Abteilungen glättete der »Summary Report« des Sekretariats in Washington die ambivalenten Botschaften, indem er wortwörtlich vom durchschlagenden und kriegsentscheidenden Erfolg der Luftkriegsstrategie sprach und die wenig positiven Befunde der Abteilungen von Likert und Galbraith nur beiläufig erwähnte.41 Zugleich warnten die Autoren desselben Berichts allerdings deutlich davor, die Erkenntnisse als allgemeingültig anzusehen: »The results achieved in Europe will not give the answer to future problems; they should be treated rather as signposts pointing the direction in which such answers may be found.«42 Diese Botschaft kann freilich in zweierlei Richtung interpretiert werden: Einerseits ist sie Ausweis der wissenschaftlichen Redlichkeit, der sich die Mitarbeiter des Surveys trotz allem verpflichtet fühlten. Andererseits steckt in ihr eine Form schlichter Eigeninteressen, indem die Experten darauf hinwiesen, dass der USSBS nicht einfach als Blaupause verwendet werden könne und ihre Kompetenzen daher auch zukünftig vonnöten seien, um erfolgreiche Luftkriege zu führen.

Diese Volte war ein wichtiger Grund dafür, dass sich die Generäle nicht vom Konzept des strategischen Bombardements verabschieden mussten: Denn die Luftkriegsexperten versprachen, mit ihrer Hilfe und auf der Basis der nun erlangten Erkenntnisse sei es sehr wohl möglich, Kriege aus der Luft schnell und »sauber« zu entscheiden. Genau dieser Wechsel auf die Zukunft wurde von den Wissenschaftlern aktiv ins Spiel gebracht. Hier trafen also zwar jeweils spezifische, aber miteinander kompatible Interessen verschiedener Akteure zusammen. Dass die interdisziplinären Netzwerke das Kriegsende überdauerten, lag eben daran: Die Air Force warb mithilfe wissenschaftlicher Expertise um die politische und öffentliche Anerkennung ihrer Leistungen. Ähnlich selbstbewusst priesen empirisch arbeitende Sozialwissenschaftler die Möglichkeiten neuer, quantitativer Methoden an. Dabei ging es ihnen um finanzielle Ressourcen ebenso wie um den politisch motivierten Wunsch, einen Beitrag zum Kampf gegen den »Faschismus« und später zur »National Security« der USA zu leisten. Zunehmend begrüßten schließlich auch Politiker in Pentagon und Weißem Haus den Rat der Experten, deren Tätigkeit hilfreiche Entscheidungsgrundlagen in einer unübersichtlichen Welt zu liefern versprach.

3. Luftkriegsexpertise in Korea und Vietnam

Mit den Luftkriegsexperten war in den USA eine neue Berufsgruppe entstanden, die erhebliche Relevanz für die Evaluation und Planung des Krieges besaß und deren Einfluss weit über ihre Arbeit während des »Good War« hinausging. Neben der Tatsache, dass die Inhalte des USSBS in den folgenden Jahrzehnten immer wieder als empirische Referenz genutzt wurden, führte die fortdauernde Kooperation zwischen Sozialwissenschaften und amerikanischem Verteidigungssektor selbst zu einem spezifischen Nachdenken über den Luftkrieg. Die zentrale Überzeugung, die sich durch die Erfahrungen in Deutschland und Japan ergeben hatte, lautete: Menschliche Verhaltensmuster könne man durch Bombardierungen gezielt beeinflussen, wenn man nur genügend empirische Daten mit sozialwissenschaftlichem Wissen kombiniere.

Weder diese Schlussfolgerung noch der Fortbestand der Kooperation zwischen Experten und Militär waren zwangsläufig. Noch während des Weltkrieges begannen sowohl aufseiten der Wissenschaftler als auch unter den »Air Men« der Army Air Forces die Diskussionen darüber, welche Rolle die Sozialwissenschaften in Zukunft spielen sollten. Die Gelegenheit für eine langfristige Zusammenarbeit nahmen gestaltungswillige Sozialwissenschaftler wie Likert und seine Kollegen ebenso wahr wie machtbewusste Generäle der Air Forces. So waren die Entwicklungen in den erst 1947 eigenständig werdenden Army Air Forces besonders dynamisch, weil ihre Stellung im Gefüge der amerikanischen Streitkräfte noch nicht gefestigt war. Die beiden einflussreichen Generäle Henry H. Arnold und Curtis LeMay suchten deshalb nach Innovationen zur sozialen Dimension des modernen Krieges, die die Luftwaffe von Heer und Marine abheben würden – als vermeintlich einzige zukunftsweisende Streitkraft.

In diesem Zusammenhang stand die 1949 erfolgte Gründung eines eigenen »Human Resources Research Institute« (HRRI) an der für die Offiziersausbildung zuständigen »Air University« auf einem Luftwaffenstützpunkt in Alabama. Das HRRI forschte vorrangig zum »Faktor Mensch« im Krieg, zur eigenen Truppe und der Schnittstelle Mensch-Maschine in der Waffentechnik, beschäftigte sich aber auch mit dem Konzept der sogenannten Psychologischen Kriegsführung und der Suche nach geeigneten Angriffszielen für den strategischen Luftkrieg.43 Dass sich eine Teilstreitkraft ein Forschungsinstitut zulegte, war keine Besonderheit, hatte die Navy doch bereits 1946 das Office of Naval Research (ONR) und die Army 1948 das Operations Research Office (ORO) gegründet.44 Dennoch zeigte diese Initiative, wie überzeugt zumindest Teile der Air Force nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren, vom sozialwissenschaftlichen Blick auf den Krieg profitieren zu können. Die eigentliche Besonderheit im Vergleich zu den anderen Teilstreitkräften stellte freilich die Gründung der RAND Corporation dar, die ganz anders als die hauseigenen Forschungsinstitute konzipiert war. RAND legte von Beginn an großen Wert darauf, sich als unabhängig zu beschreiben – mit dem Image eines jungen, flexiblen, interdisziplinären und hoch innovativen Forschungsinstituts. Der Think Tank wurde 1948 in enger Kooperation mit der Air Force gegründet und pflegte bis in die 1970er-Jahre engste Verbindungen zu diesem wichtigsten Geldgeber. Seine 1949 gegründete sozialwissenschaftliche Abteilung begann ihre Arbeit mit einer Sekundäranalyse des USSBS und trieb zugleich die Forschung zur sogenannten Psychologischen Kriegsführung voran.

Dabei bestand die Herausforderung darin, dem Kongress eine möglichst kostengünstige und effektive Form der Kriegsführung zu präsentieren. »Psychological Warfare« galt vielen Experten als eine attraktive Zukunftsvision, weil sie weniger blutig als der »klassische« Luftkrieg und zugleich wirkungsvoller als jahrelange Stellungskriege zu sein schien, indem sie auf sekundäre Effekte militärischer Gewalt abzielte. Ob dieses Konzept tatsächlich erneuernde Kraft hatte, darüber stritten die Experten in den frühen 1950er-Jahren; nicht zuletzt deshalb, weil mit dem Konzept unterschiedliche Ziele verbunden wurden. Ein Mitarbeiter der RAND Corporation beschrieb es im Oktober 1951 etwa als »[t]he use of military weapons to achieve desirable effects beyond those of physical destruction – to terrify, disperse, delay or confuse enemy troops and civilians«.45 Was den Einbezug von Zivilisten ins Kriegsgeschehen betraf, lehnte sich diese Definition also denkbar eng an das altbekannte Verständnis des strategischen Luftkrieges an, wie man es im Zweiten Weltkrieg entwickelt hatte. Ein Bericht über das »Psychological Warfare Program« wies 1953 folgerichtig darauf hin, dass der Begriff der Psychologischen Kriegsführung in Wirklichkeit alter Wein in neuen Schläuchen sei.46 Denselben Schluss legt auch eine Definition des HRRI nahe, in der davon die Rede war, mithilfe der Psychologischen Kriegsführung nach den Momenten zu suchen »where the self-interest of persons or groups deviates sharply from the self-interest of the government«.47 Eben jene Schwachstellen hatten schon die strategischen Operationen des Zweiten Weltkrieges ausnutzen wollen.

Dennoch erregte das Konzept zugleich die Aufmerksamkeit jener, die Angriffe auf zivile Ziele zwar für unverzichtbar, aber eben auch für inhuman hielten und die Waffengewalt daher vorrangig als Drohung verwenden wollten.48 Zu ihnen gehörte etwa der deutsche Soziologe Hans Speier (1905–1990), der 1945 am Beginn einer Karriere als Wissenschaftsmanager und Wissenschaftskommunikator stand.49 1948 übernahm Speier die Leitung der neugegründeten Social Science Division (SSD) der RAND Corporation.50 Das erste gemeinsame Projekt der SSD war die »Warbo Study«, in der es um »The Warning of Target Populations in Air War« ging.51 Speier initiierte diese Studie, weil er aus seinen eigenen Erfahrungen wie auch aus der Lektüre der USSBS-Berichte den Schluss gezogen hatte, die strategische Bombardierung ziviler Ziele sei moralisch nicht zu rechtfertigen. Vor allem aber sei sie ineffektiv, da sie die Bevölkerung vom Staat abhängig mache.52 Im Gegensatz dazu habe die befragte japanische Bevölkerung angegeben, die vorherige Ankündigung von Luftangriffen durch Flugblätter habe sie geängstigt und dazu verleitet, ihre (rüstungswichtigen) Arbeitsplätze zu verlassen. In Zukunft gelte es daher, diese emotionale Reaktion – die von den Experten als plausibel und übertragbar erachtet wurde – für eine intelligente Kriegsführung zu nutzen.53

Im Koreakrieg warfen Bomber der United States Air Force Propagandamaterial über feindlichem Territorium ab.
Das undatierte Foto zeigt einen Sergeant First Class
in einer Druckerei in Yokohama beim Befüllen einer Vorrichtung für 22.500 Flugblätter.
(Wikimedia Commons, U.S. Army/Public Domain)

Solche und ähnliche Versuche blieben allerdings denkbar eng mit den empirischen Erkenntnissen des Zweiten Weltkrieges verbunden. Irving L. Janis, ein Mitarbeiter von Speiers Abteilung, verfasste etwa eine Studie mit dem Titel »The Psychological Impact of Air Attacks: A Survey and Analysis of Observation on Civilian Reactions During World War II«.54 Darin versuchte Janis, die bereits während des Krieges und anschließend vom USSBS gesammelten Quellen und Daten zu einer Gesamtschau zu verbinden, die es ermöglichen sollte, generalisierbare psychologische Folgen von Luftangriffen auszumachen.55 Einen Teil der Interviews, die der USSBS geführt hatte, unterzog Janis einer Sekundäranalyse. Inhaltlich unterschieden sich die Schlussfolgerungen freilich kaum von jenen des USSBS. So kam auch Janis zu dem Schluss, heftige Angriffe wie die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki hätten zwar drastische psychologische Reaktionen ausgelöst, ohne aber Massenpaniken, einen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung oder langfristig schwere Psychosen oder Neurosen zur Folge zu haben.56

All diese Arbeiten führten schließlich nicht zu einer Abkehr von den herrschenden Luftkriegsdoktrinen. Im Gegenteil, der »Strategic Air Command« der Air Force, zuständig für den strategischen Luftkrieg, gewann zunehmend an Bedeutung. Das lag nicht zuletzt daran, dass die im Manhattan Project entwickelte Atombombe auf eben einen solchen strategischen Einsatz zugeschnitten und nur von einem schweren Bomber aus einsetzbar war. Da der Atomkrieg von politischer Seite aber zunehmend als Drohkulisse und weniger als realistisches Kriegsszenario verstanden wurde, besaß der strategische Luftkrieg unterhalb der atomaren Schwelle innerhalb der Air Force weiterhin einen besonderen Stellenwert.

Als im Juni 1950 der Koreakrieg begann, steckten die Luftkriegsexperten noch mitten in der Nachbereitung der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges. Wenn sie auch über neue Konzepte nachdachten, so waren diese weit davon entfernt, bereits ausgereift oder gar in militärische Routinen überführt worden zu sein. Die Planung der Bombardements bezog sich daher notwendigerweise auf die gerade erst in Europa und im pazifischen Raum gewonnene Empirie, deren »Lehren« in Korea versuchsweise umgesetzt wurden – etwa, indem ein gewisser Aufwand in das Design und den Abwurf von Flugblättern gesteckt wurde –, die jedoch die Doktrinen der Zwischenkriegszeit nicht grundlegend verändert hatte. So galten die Angriffe wiederum Verkehrsknotenpunkten und Industrieanlagen, der Versorgungswirtschaft, aber eben auch Städten und dörflichen Strukturen.57 Man glaubte allerdings gelernt zu haben, dass rasche und heftige Angriffe den größten psychologischen Effekt auf die Bevölkerung haben würden. So waren bei Kriegsende schließlich 35 Prozent Pjöngjangs von Brandbomben zerstört.58

Nicht Deutschland 1945, sondern Nordkorea 1950: Luftaufnahme einer zerstörten Ölraffinerie
in der Hafenstadt Wonsan
(U.S. Air Force/Public Domain)

Der USSBS hatte, wie gezeigt, zusammenfassend festgestellt, dass strategische Luftangriffe kriegsentscheidende Veränderungen herbeiführen könnten, wenn die konkreten Ziele auf der Basis des neu gewonnenen Wissens sorgfältig ausgesucht würden. Für die spezifische historische Situation und die gravierenden Unterschiede sowohl im Vergleich zum europäischen wie auch zum pazifischen Kriegsschauplatz der 1940er-Jahre war die neue US Air Force vor diesem Hintergrund kaum sensibel. Zwar handelte es sich in Korea um einen »begrenzten Krieg«, zwar lagen sogenannte strategische Knotenpunkte in Ländern, die laut UN-Mandat nicht angegriffen werden durften, zwar begegnete man hier keinem hochmodernen Industriestaat, sondern einem eher von landwirtschaftlichen Strukturen geprägten Land – und dennoch hoffte mit Beginn des Krieges auch die Luftwaffe, nun endlich zeigen zu dürfen, dass sie Kriege schnell siegreich beenden könne. Die Tonnenlast, die über Nordkorea abgeladen wurde, war daher enorm, und auch Napalm wurde dabei umfassend verwendet.59

Luftangriff mit Napalm-Bomben auf
eine Bahnstrecke in Nordkorea
(National Archives at College Park/Public Domain; April 1951)
Abwurf von Napalm-Bomben über
einem nordkoreanischen Industriegebiet
(National Archives at College Park/Public Domain;
ca. August 1951)
»Most Feared Weapon – Prisoner interrogation has determined that napalm bombs are the most feared of all weapons used by the U.S. Far East Air Forces in Korea«
(National Archives at College Park/Public Domain; ca. 1951)

Zugleich bemühten sich die Luftkriegsexperten, vor Ort ihre Kenntnisse zu erweitern, indem sie ähnlich wie schon 1945 in die umkämpften Gebiete reisten, um Interviews zu führen und neue Daten zu erheben. Ende November 1950 begab sich ein Team des HRRI nach Korea.60 Die Arbeitsweise ähnelte den bereits erprobten Techniken, mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Experten nicht nach einer (bedingungslosen) Kapitulation, sondern während eines anhaltenden Krieges versuchen mussten, Quellen und Interviewpartner zu finden. Korea war für die USA zudem ein ungleich »fremderes« Land als die besetzten deutschen Gebiete, und selbst über Japan hatten die Sozialforscher mehr gewusst als über das für die bisherige amerikanische Außenpolitik unerhebliche Korea. Die Schwierigkeiten begannen schon bei der Frage, wo man statistisches Material finden konnte und wie es möglich sei, Militärangehörige oder Teile der Bevölkerung zu interviewen. Die Datenerhebung war deshalb von Zufällen und Unwägbarkeiten geprägt, die Einfluss auf die methodische Qualität der Arbeit hatten. So wurden Interviews teils auf Chinesisch geführt, dann ins Koreanische und anschließend ins Englische übertragen, sodass die Antworten gleich mehrere Übersetzungsrunden durchliefen, bevor sie ausgewertet werden konnten.61 Die Ergebnisse der Arbeit schließlich waren wiederum uneindeutig, und ihre Relevanz blieb zu marginal, um die Evidenz des USSBS auf die eine oder andere Weise zu erschüttern. Eine konzise Zusammenfassung der Ergebnisse nach dem Vorbild des USSBS existiert daher nicht. Neben einem einzigen klassifizierten Bericht entstand lediglich ein schmales Büchlein mit dem Titel »The Reds Take a City«, das die beiden an der Forschungsreise beteiligten Kommunikationswissenschaftler John Riley und Wilbur Schramm publizierten.62 Bezeichnenderweise ging es darin nicht um den Krieg, den die USA führten, sondern um die Mechanismen kommunistischer Propaganda und Herrschaft in Korea, die als Modell jeglicher kommunistischer Herrschaft gedeutet wurden.

Auch die RAND Corporation hatte eine Forschungsgruppe nach Korea geschickt und mehrere Studien auf der Basis von Interviews mit Kriegsgefangenen erstellt – doch diese Arbeiten erhielten ebenfalls wenig Aufmerksamkeit.63 Echten Einfluss entfaltete lediglich die Arbeit Herbert Goldhammers, der sich vor dem Koreakrieg bei der RAND Corporation mit dem Moskauer Politbüro beschäftigt hatte und nun die Waffenstillstandsverhandlungen beriet, weil man kommunistische Eliten, ihre Denk- und Verhandlungsmuster für vergleichbar hielt.64

Als der Koreakrieg im Juli 1953 beendet war, fand sich die Air Force somit in einer paradoxen Lage: Zwar waren große Teile des Landes intensiv bombardiert und der Krieg zumindest nicht verloren worden, aber die technische Überlegenheit gerade auch der Air Force hatte lediglich die alte Grenze wieder etabliert und somit kaum etwas »bewirkt«. Das scheinbar so innovative Konzept der Psychologischen Kriegsführung war zum Teil in die Strategien aufgenommen worden, doch hatten die Luftkriegsexperten keine systematischen Erkenntnisse zu seiner Wirkung aus Korea mitgebracht. Die Atombombe hatte die Air Force nicht einsetzen dürfen, ihr General Douglas MacArthur war im April 1951 vom Präsidenten nicht gerade ehrenhaft entlassen worden, der Waffenstillstand zementierte den vorherigen Status quo. Vom Sieg einer überlegenen Luftstreitmacht konnte mithin keine Rede sein, und so vermied es die Air Force nach Kriegsende tunlichst, über den Koreakrieg zu sprechen. Das galt für die öffentliche Kommunikation, aber auch intern. Für die herrschende Luftkriegsdoktrin hatte dieser Krieg folglich keine erkennbaren Folgen. Noch 1956 klagte ein Colonel der Policy Division in einem Memorandum, man sei »rigidly tied to World War II concepts, functions, and organizations«.65

Es mag erstaunen, dass auch unter den Sozialwissenschaftlern die Frage der Legitimität des Krieges und die brutalen Folgen für die koreanische Zivilbevölkerung beschwiegen wurden. Völkerrechtliche Debatten spielten innerhalb der Community der Luftkriegsexperten bis zum Vietnamkrieg keinerlei Rolle. Sehr wohl debattierte man freilich darüber, ob die eigene Tätigkeit moralisch zu rechtfertigen sei. So setzten sich mit Albert Wohlstetter und Bernard Brodie zwei der bekanntesten Mitarbeiter der RAND Corporation explizit mit der Frage nach der Moralität ihres Tuns auseinander und bestritten vehement, dass dieses zynisch sei.66 Sie argumentierten, ihre Arbeit bestehe hauptsächlich darin, Problemfelder zu definieren, Kausalbeziehungen aufzuzeigen und somit informierte Entscheidungen zu ermöglichen. Die Aufgabe der Sozialwissenschaften sei es, Konstellationen transparent und Politik handlungsfähig zu machen. Uninformierte Entscheidungen zu treffen sei gerade auf einem solch sensiblen Feld sehr viel problematischer. Ihre Haltung unterschied sich somit nicht von derjenigen ihrer natur- und technikwissenschaftlichen Kollegen, die etwa zur Entwicklung umstrittener Waffen beitrugen, für deren Einsatz aber nicht verantwortlich sein wollten. Darüber hinaus waren die Luftkriegsexperten überzeugt, ihre Tätigkeit könne letztlich Menschenleben schonen, indem sie den Krieg effizienter und kürzer mache. Das Massensterben auf den Schlachtfeldern werde durch einen präzisen, erfolgreichen Luftkrieg ebenso verhindert wie jahrelange Blockade- und Hungerpolitik oder Flächenangriffe auf bewohnte Gebiete.67

Nur ein Teil dieser Argumentation sollte als rhetorische Rechtfertigung verstanden werden. Im Kern ging es in der Tat darum, den strategischen Luftkrieg nicht aufzugeben, sondern ihn zu »verbessern«. Erst so ist zu erklären, warum strategische Bombardierungen in Vietnam wiederum eine herausragende Rolle spielten und die Konzepte, mit denen die US Air Force den Krieg gewinnen oder zumindest verkürzen wollte, jenen der 1940er-Jahre geradezu erschreckend ähnelten. Mit Blick auf strategische Angriffe waren hierbei die drei großen »Bombing Campaigns« gegen Nord­vietnam zentral: Rolling Thunder (März 1965 bis November 1968), Linebacker I (Mai bis Oktober 1972) und Linebacker II (Ende Dezember 1972).68

Bombardierung vermuteter Vietcong-Stellungen
südlich von Saigon
(National Archives at College Park/Public Domain; 1965)

In Vietnam begann der Krieg – auch wenn er nie offiziell erklärt wurde – aus der Luft. Bereits die Operation Rolling Thunder war auf psychologische Effekte und strategische Ergebnisse ausgerichtet, indem sie nämlich Verhandlungen erzwingen sollte.69 Die anschließende jahrelange Bombardierung insbesondere der Nachschubwege zwischen Nord- und Südvietnam sollte in diesem agrarisch geprägten Land eine ähnliche Funktion erfüllen wie im industrialisierten Europa die Angriffe auf Fabriken und das Eisenbahnnetz. Militärische Lieferungen an die Front sollten unterbunden werden, während die ständig zu erwartenden Angriffe auch die Moral des Gegners erodieren lassen sollten. Zu Recht hat die historische Forschung betont, dass die Angst, China könnte in den Krieg eingreifen, einen amerikanischen Einmarsch in Nordvietnam unmöglich machte und sich so der intensive Bombenkrieg gegen die Infrastruktur Nordvietnams erklären lasse.70 Richtig ist aber auch, dass die US Air Force gerade auf einen solchen strategischen Luftkrieg vorbereitet war und hoffte, dieses Mal zeigen zu können, dass sie den Einmarsch von Bodentruppen überflüssig machen werde.71 Dabei bezog sie sich wiederum auf die Expertisen der Sozialwissenschaftler. Die von Bernd Greiner geschilderte »Sprache von Folterern« in diesem Zusammenhang ist eben jene der Reports und Memoranda. Verletzbarkeiten, Belastungsgrenzen und ähnliche Themen diskutierten die Texte der Luftkriegsexperten bereits seit den späten 1940er-Jahren.

Während des Vietnamkrieges veränderte sich jedoch die Debatte über legitime Kriegsgewalt – nicht nur in der Öffentlichkeit, deren Bereitschaft, den Krieg zu unterstützen oder auch nur zu tolerieren, nach der Tet-Offensive ab Januar 1968 deutlich sichtbar erodierte.72 Unter den Luftkriegsexperten war schon zuvor eine Art Methodenstreit über die Frage ausgebrochen, welchen Quellenwert unsystematische Interviews hätten. Näher besehen war diese Debatte eine Kontroverse über die Legitimität der Luftwaffeneinsätze in Vietnam. In der RAND Corporation entflammte ein offener Konflikt etwa aufgrund der von Leon Gouré geleiteten »Motivation & Morale«-Studie. Aus Sicht vieler Kollegen redete er den Verantwortlichen der Air Force nach dem Mund, indem er behauptete, amerikanische Luftangriffe brächten die vietnamesische Bevölkerung keineswegs gegen die USA, sondern gegen die vietnamesischen Kommunisten auf. Intern sprachen die Experten ironisch von der »How I Learned To Love To Be Bombed Study«. Einige von ihnen opponierten schließlich aktiv gegen Gouré, dessen Memoranda im gesamten Verteidigungssektor zirkulierten.73 Der Vietnamkrieg stieß somit eine Veränderung an, die sowohl die Logik der Kooperation zwischen Militär und Wissenschaft als auch die militärischen Strategien betraf. Nach dem offen sichtbaren militärischen Debakel, der tiefgreifenden Revision gesellschaftlicher Wertvorstellungen und vor dem Hintergrund eines Zivilisten nun explizit vor Bombardierungen schützenden Völkerrechts war es in der Folge nicht mehr möglich, die Zivilbevölkerung eines feindlichen Staates derart in die Kriegshandlungen einzubeziehen.74 Zugleich zeigte der Luftkrieg in Vietnam mit aller Drastik, welche Schwächen die bisherigen Expertisen besaßen – und dass mitnichten nur noch ein kleiner Schritt zu einem präzisen, kurzen, entscheidenden Luftschlag zu gehen wäre.

4. Fazit

Als John Kenneth Galbraith 1981 über den USSBS urteilte, tat er es aus der Perspektive des Debakels von Vietnam. Doch mit seinem apodiktischen Urteil, der Survey habe seine Chance vertan, traf er in der Tat dessen größte Schwachstelle. Denn dass die Generäle der Army Air Forces die Leitfragen des Surveys selbst vorgegeben hatten, glich einer Art Ursünde, gerade mit Blick auf mögliche Lehren des Krieges. Statt nach Schwächen und Problemen zu suchen, trug man Belege für die Effektivität der strategischen Luftwaffe zusammen. Und auch in der Folge arbeiteten über Jahrzehnte hinweg zahlreiche fachlich ausgewiesene Sozialwissenschaftler daran, den strategischen Luftkrieg zu »verbes­sern« – passendere Ziele auszumachen sowie Art, Frequenz und Dauer von Bombardierungen mit psychologischen und sozialen Folgen präzise zu korrelieren. Sie versuchten, die Auswirkungen des Krieges zu berechnen und seine »Effizienz« zu steigern. Damit trugen sie zu einer anhaltenden »Enthemmung«75 militärischer Gewalt bei. Ihre Tätigkeit beförderte aktiv die Vorstellung, der Luftkrieg und seine mittelbaren sozialen Folgen könnten präzise geplant werden. Dabei befanden sie sich im Einklang mit der auch im zivilen Bereich beobachtbaren Planungseuphorie der 1950er- und 1960er-Jahre.76

Diese Wahrnehmung beruhte auf einer geteilten Überzeugung, zu der Experten, Militär und Politik im Verlauf des Zweiten Weltkrieges gefunden hatten. Im Rahmen von »Operations Research« entwickelten sie das Ideal einer wiederholt beschworenen »Rationalität«, die auf quantifizierbaren Daten beruhte. Unabhängigkeit und Wertfreiheit galten als Ausweis guter Expertise. Die Sozialwissenschaftler versprachen daher, ebenso wie Naturwissenschaftler Probleme modellieren und allgemeingültige Lösungen ableiten zu können. Damit verschleierten sie tendenziell, dass politische Entscheidungen notwendigerweise normativen Charakter haben. Als verallgemeinerbar beschrieben sie erstens individuelle Haltungen und Reaktionen, die nach 1945 im Rahmen behavioralistischer Forschung als »Attitudes« und »Patterns« bezeichnet und untersucht wurden.77 Zweitens entwarfen die Luftkriegsexperten die Vorstellung, auch Gesellschaften würden sich trotz kultureller Unterschiede in ihrer Funktionsweise gleichen. Damit behaupteten sie implizit, von einem historischen Fall auf zukünftige Situationen schließen zu können. Ihre Tätigkeit sollte erklärtermaßen in Lehren und schließlich in Lernprozesse münden. Auf diese Weise bewahrte die Luftkriegsexpertise eine in den 1940er-Jahren gewonnene Vorstellung vom Krieg als Gesellschaftszustand, die die Grenzen legitimer Kriegsgewalt extrem weit zog.

Ein US-amerikanischer Bomber hebt im Zweiten Weltkrieg über zwei Jagdflugzeugen ab, dessen Besatzungen Japans Nemesis sein wollten.
(National Archives at College Park/Public Domain; ca. 1943)

Damit akzeptierten die militärisch und politisch Verantwortlichen eine bedeutungsvolle Entwicklung: dass der Krieg 1939–1945 im Zeichen totaler Mobilisierung und infolge der zentralen Bedeutung der »Heimatfront« tatsächlich zu einem Gesellschaftszustand geworden war. Sie vermieden es, am Ende des Zweiten Weltkrieges die Entgrenzung der Kriegsgewalt zu verurteilen und für die Zukunft hinter rote Linien, die das Völkerrecht vor 1939 durchaus skizziert hatte, zurückzugehen. Krieg fand damit weiterhin nicht nur auf dem Schlachtfeld statt; sterben konnte nicht nur, wer an der Front verwundet wurde. Krieg bedeutete jetzt, dass man auch auf dem Weg zur Schule, im heimischen Schlafzimmer, in provisorischen Bunkern oder im Keller seines Hauses »für das Vaterland fallen« konnte.

Wenn man sich von den klassischen Periodisierungsgrenzen des »Kalten Krieges« löst und die Geschichte militärischer Gewalt über die vermeintliche Zäsur von 1945 hinweg verfolgt, sind diese Bezüge offensichtlich. Denn die Atombombe blieb nach ihrem doppelten Einsatz im August 1945 stets eine Drohung, während die modernsten Waffen des konventionellen Krieges kontinuierlich weiterentwickelte Kampfflugzeuge und Bomber waren. Auch wenn kulturell tief eingebrannte Bilder in eine andere Richtung weisen mögen, symbolisiert nicht der Atompilz, sondern eher das Bombergeschwader die Realität der blutigsten Kriege des 20. Jahrhunderts. Der Zweite Weltkrieg wirkte insofern als Erfahrungsraum weit in dieses Jahrhundert hinein und hinterlässt seine Spuren bis in unsere Gegenwart.


Anmerkungen:

1 John Kenneth Galbraith, Leben in entscheidender Zeit. Memoiren. Aus dem Amerikanischen von Christl Rost und Till Lohmeyer, München 1981, S. 228.

2 Weil der ganz überwiegende Teil der historischen Akteure dieser Geschichte männlich ist, wird im Folgenden bewusst nicht gegendert. Wo sich die Beteiligung von Frauen nachweisen lässt, werden sie explizit erwähnt.

3 Vereinfachend lassen sich taktische Luftangriffe als Unterstützung von Heer und Marine in Frontnähe, strategische Luftangriffe als Bombardierungen ziviler Ziele im Kernland definieren.

4 Im Sinne von Mitchell G. Ash, Wissenschaft und Politik als Ressourcen für einander, in: Rüdiger vom Bruch/Brigitte Kaderas (Hg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 32-51.

5 1943 bemühten sich einige Historiker in Zusammenarbeit mit dem Office of Strategic Services, für die amerikanische Luftwaffe herauszufinden, ob Angriffe auf die »Kriegsmoral« der Deutschen erfolgreich seien; siehe AAF Committee of Historians, Meeting of 3 November 1943, 1500, Office of Strategic Services vom 3.11.1943, Air Force Historical Research Agency (AFHRA), 142.16-12, v. 5, 3 Nov. 1943, 00116363, sowie AAF Committee of Historians, Meeting of 13 November 1943, 1345, Room 5B-714 Pentagon Bldg. vom 13.11.1943, AFHRA, 142.16-12, v. 11, 13 Nov. 1943, 00116369. Vgl. dazu auch Gian P. Gentile, How Effective is Strategic Bombing? Lessons Learned from World War II to Kosovo, New York 2001, S. 26-32; Bruce Kuklick, Blind Oracles. Intellectuals and War from Kennan to Kissinger, Princeton 2006, S. 20f.

6 Mark Solovey/Hamilton Cravens (Hg.), Cold War Social Science. Knowledge Production, Liberal Democracy, and Human Nature, New York 2012; Joy Rohde, Armed with Expertise. The Militarization of American Social Research During the Cold War, Ithaca 2013; Christian Dayé, ›A fiction of long standing‹: Techniques of prospection and the role of positivism in US Cold War social science, 1950–65, in: History of the Human Sciences 29 (2016) H. 4-5, S. 35-58.

7 Vgl. die entsprechende Klage von Rolf Hobson, »Defense Intellectuals«. Zur Karriere von Schreibtischstrategen, in: Bernd Greiner/Tim B. Müller/Klaas Voß (Hg.), Erbe des Kalten Krieges, Hamburg 2013, S. 148-158.

8 David MacIsaac, Strategic Bombing in World War Two. The Story of the United States Strategic Bombing Survey, New York 1976; Gentile, How Effective is Strategic Bombing? (Anm. 5). Vgl. demnächst auch Sophia Dafinger, Die Vermessung der Kriegsgesellschaft. Sozialwissenschaftliche Luftkriegsexpertise in den USA vom Zweiten Weltkrieg bis Vietnam, Stuttgart 2020 (im Erscheinen). [Anm. der Red., 8.9.2020: Das Buch ist im August mit leicht verändertem Titel erschienen und auch im Open Access verfügbar. Sophia Dafinger, Die Lehren des Luftkriegs. Sozialwissenschaftliche Expertise in den USA vom Zweiten Weltkrieg bis Vietnam, Stuttgart 2020.]

9 David Paul Haney, The Americanization of Social Science. Intellectuals and Public Responsibility in the Postwar United States, Philadelphia 2018, S. 33.

10 Martin Bulmer, The Growth of Applied Sociology after 1945. The Prewar Establishment of the Postwar Infrastructure, in: Terence C. Halliday/Morris Janowitz (Hg.), Sociology and its Publics. The Forms and Fates of Disciplinary Organization, Chicago 1992, S. 317-345, hier S. 319f.

11 Blair T. Johnson/Diana R. Nichols, Social Psychologists’ Expertise in the Public Interest: Civilian Morale Research During World War II, in: Journal of Social Issues 54 (1998), S. 53-77, hier S. 54, S. 58. Zur sich nur langsam etablierenden Sozialpsychologie in der Rückschau auf das eigene Fach auch William H. Sewell, Some Reflections on the Golden Age of Interdisciplinary Social Psychology, in: Annual Review of Sociology 15 (1989), S. 1-16.

12 Vgl. dazu etwa Lutz Raphael, Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 165-193, hier S. 176f.

13 So wurde der spätere Leiter der Morale Division des USSBS, Rensis Likert, bereits 1939 Direktor der Division of Program Surveys im Landwirtschaftsministerium, wo er mit einem interdisziplinären Team die Fragebogen- und Interviewforschung im Dienst sozialer Reformen vorantrieb. Siehe Johnson/Nichols, Expertise (Anm. 11), S. 60. Vorübergehend leitete Likert auch die Surveys Division des Bureau of Intelligence des Office of War Information; siehe Uta Gerhardt, Soziologie im 20. Jahrhundert. Studien zur Geschichte in Deutschland, Stuttgart 2009, S. 187.

14 Diese Ziele standen im Fokus der strategischen Luftkriegsdoktrinen, die in der Zwischenkriegszeit entwickelt worden waren. Besonders einflussreich waren die Überlegungen des italienischen Offiziers Giulio Douhet, der 1921 seine Überlegungen zum Luftkrieg unter dem Titel »Il dominio dell’aria« publizierte.

16 Davon 3.711 in Europa und 3.500 in Japan; siehe The United States Strategic Bombing Survey, The Effects of Strategic Bombing on German Morale, Vol. I, Washington 1947, Vorwort, sowie James Beveridge, History of the United States Strategic Bombing Survey (Pacific) 1945–46, National Archives, College Park (NARA), RG 243, Entry 1, Box 24, Mappe 314.7, S. 201. Diese selbst erhobenen Interviews wurden ergänzt durch abgefangene Briefe von Kriegsgefangenen, Interviews mit Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sowie Interviews mit ehemaligen Führungsfiguren, in Deutschland u.a. Wilhelm Keitel, Hermann Göring, Fritz Sauckel und Albert Speer.

17 Zu diesen frühen Formen der Meinungsumfrage wird meist auf Paul Lazarsfeld verwiesen, der zeitgleich mit Rensis Likert ein vergleichbares Instrumentarium entwickelte; siehe etwa Paul Neurath, Paul Lazarsfeld und die Institutionalisierung der empirischen Sozialforschung. Ausfuhr und Wiedereinfuhr einer Wiener Institution, in: Ilja Srubar (Hg.), Exil, Wissenschaft, Identität. Die Emigration deutscher Sozialwissenschaftler 1933–1945, Frankfurt a.M. 1988, S. 67-105.

18 In diesem Sinne wurden die Berichte des USSBS in der historischen Forschung immer wieder herangezogen; siehe etwa Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin 1985; Rüdiger Hachtmann, Industriearbeiterinnen in der deutschen Kriegswirtschaft 1936 bis 1944/45, in: Geschichte und Gesellschaft 19 (1993), S. 332-366; Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, München 2001; Adam Tooze, No Room for Miracles. German Industrial Output in World War II Reassessed, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), S. 439-464; Karl-Heinz Reuband, Das NS-Regime zwischen Akzeptanz und Ablehnung. Eine retrospektive Analyse von Bevölkerungseinstellungen im Dritten Reich auf der Basis von Umfragedaten, in: Geschichte und Gesellschaft 32 (2006), S. 315-343; Daniel Uziel, Zwangsarbeit am Fließband: Das »Produktionswunder« der deutschen Luftfahrtindustrie 1944, in: Kerstin von Lingen/Klaus Gestwa (Hg.), Zwangsarbeit als Kriegsressource in Europa und Asien, Paderborn 2014, S. 265-282; Ludivine Broch, Ordinary Workers, Vichy and the Holocaust. French Railwaymen and the Second World War, Cambridge 2016. Die neueren Veröffentlichungen sind dabei zunehmend sensibel für die Besonderheit der USSBS-Berichte als Quellen.

19 In Europa arbeiteten Teams der Morale Division in 34 (west)deutschen Städten, die repräsentativ für deren Gesamtheit sein sollten. Mit der sowjetischen Besatzungsmacht konnte man sich trotz aktiver Verhandlungen und einer vorläufigen Einigung in Yalta nicht verständigen, sodass sich die Untersuchung schließlich auf die Besatzungszonen der Westalliierten beschränken musste; siehe Internal Address von [Hap] Arnold an [Carl] Spaatz vom 20.2.1945, AFHRA, 519.55A-1, 1945, 216861; Internal Address von [Hap] Arnold an [Major General John R.] Deane vom 20.3.1945, AFHRA, 519.55A-1, Aug 44 – Feb 45, 216863; Arrangements with USSR for Examination of Strategic Bombing vom 17.3.1945, AFHRA, 519.55A-1, 1945, 216861.

20 Laut dem vom USSBS selbst erstellten Tätigkeitsbericht halfen 65 Studenten des Swarthmore College in Pennsylvania unter der Anleitung des in der Morale Division beschäftigten Sozialpsychologen David Krech etwa beim Coding der Interviews; siehe Beveridge, History of the United States Strategic Bombing Survey (Pacific) 1945–46 (Anm. 16), S. 201f.

21 Sheldon Garon, Ursprünge und Entwicklung der Strategischen Bombardierung, in: Gorch Pieken/Matthias Rogg/Ansgar Snethlage (Hg.), Schlachthof 5: Dresdens Zerstörung in literarischen Zeugnissen. Eine Ausstellung zum 13. Februar 1945, Dresden 2015, S. 29-41, hier S. 39f.

22 Bereits am 15. August 1945 beauftragte Harry S. Truman den Direktor des USSBS, Franklin D’Olier, für den pazifischen Kriegsschauplatz einen eigenen Survey einzurichten; siehe Truman an D’Olier vom 15.8.1945, NARA, RG 243, Box 14, Mappe 300.6.

23 Das galt für die Unterbringung der Teams, die, sofern sie nicht im Land unterwegs waren, größtenteils auf von der Navy bereitgestellten Kriegsschiffen lebten; das galt aber nicht zuletzt auch für die wochenlange Arbeit im stark verstrahlten Hiroshima. Die Gefahren der atomaren Strahlung wurden von den Luftkriegsexperten tendenziell unterschätzt, wie auch die Berichte über die Folgen der Atombombenabwürfe zeigen. Siehe Beveridge, History of the United States Strategic Bombing Survey (Pacific) 1945–46 (Anm. 16), S. 13, S. 80, S. 82. Dennoch: Selbst in Nagasaki konnten die Mitarbeiter des Surveys, offiziell Armeeangehörige, die Post ihrer Familien zugestellt bekommen; siehe Memorandum von Capt. William Magistretti an [Burton Fisher,] Chief, Morale Division, HQ USSBS vom 7.11.1945, NARA, Microfilm Publication M1655, Roll 93, Reports 14a. 2(14)-14b.2.

24 Beveridge, History of the United States Strategic Bombing Survey (Pacific) 1945–46 (Anm. 16), S. 192.

25 Der USSBS schätzte die Zahl der Luftkriegstoten auf 900.000, zudem zählte er 1.300.000 Verletzte und 8.500.000 Menschen, die ihre Häuser aufgrund des Luftkrieges verließen; siehe The United States Strategic Bombing Survey, The Effects of Strategic Bombing on Japanese Morale, Washington 1947, S. 40.

26 The United States Strategic Bombing Survey, Final Report Covering Air-Raid Protection and Allied Subjects in Japan, Washington 1947, S. 14.

28 Besonders deutlich formulierten die Mitarbeiter dies in der internen Kommunikation. So telegrafierte die Morale Division aus Japan: »No relation between bombing and loss from expectation.« Harold Nisselson an Burton R. Fisher vom 4.12.1945, NARA, Microfilm Publication M1655, Roll 92, Reports 13a. 1 –14a. 1 (13). Wortgleich Burton R. Fisher an Rensis Likert vom 5.12.1945, NARA, RG 243, Entry 1, Box 17, Mappe 300.6 (G).

29 The United States Strategic Bombing Survey, The Effects of Strategic Bombing on the German War Economy, Washington 1945, insb. S. 11-13.

30 Adam J. Tooze, No Room for Miracles. German Industrial Output in World War II Reassessed, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), S. 439-464; Rainer Fremdling, Zur Bedeutung nationalsozialistischer Statistiken und Statistiker nach dem Krieg. Rolf Wagenführ und der United States Strategic Bombing Survey (USSBS), in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 57 (2016), S. 589-613.

31 Paul H. Nitze Oral History Interview, AFHRA, K239.0512-977, 1977–1981, cp 1, 01095290, S. 164.

32 USSBS, The Effects of Strategic Bombing on Japanese Morale (Anm. 25), S. 12.

33 Ebd., S. 4. Im Umkehrschluss bedeute dies, so der USSBS, dass die japanische Bevölkerung zwingend auf Führungspersönlichkeiten angewiesen sei; siehe ebd., S. 5.

34 Ebd., S. 12.

35 Ebd., S. 13.

36 Ruth Benedict, The Chrysanthemum and the Sword. Patterns of Japanese Culture, Boston 1946. Die deutsche Erstausgabe erschien erst 60 Jahre später: Chrysantheme und Schwert. Formen der japanischen Kultur. Aus dem Englischen von Jobst-Mathias Spannagel, Frankfurt a.M. 2006.

37 Report No. 25, Japanese Behavior Patterns by Ruth Benedict vom 15.9.1945, NARA, Microfilm Publication M1655, Roll 134, S. 56.

38 Ebd. Benedict betonte hier, dass sich das japanische Wertegefüge radikal von »westlichen« Werten und kulturellen Regeln unterscheide, insbesondere was die Bedeutung des Individuums und die herausragende Rolle der Ehre sowie der sozialen Verantwortung angehe.

39 So sind von in Korea eingesetzten Piloten beispielsweise Zitate über in Dörfern verschanzte »little devils« überliefert, denen nur mit Napalm beizukommen sei; siehe Alexander L. George, Physical and Psychological Effects of Interdiction Air Attacks as Determined from POW Interrogations, Headquarters Fifth Air Force, Operations Analysis Office vom 21.5.1951, AFHRA, 168.7113-17, 51/05/21-51/06/01, 1027991, S. 42.

40 So auch Tami Davis Biddle, Rhetoric and Reality in Air Warfare. The Evolution of British and American Ideas about Strategic Bombing, 1914–1945, Princeton 2002, S. 9. Das Konzept der »Verletzlichkeit« spielte nach dem Krieg eine zentrale Rolle in den Arbeiten der Luftkriegsexperten. Ähnliche Konzepte prägten in dieser Zeit auch die zivile Katastrophenforschung. Erstaunlicherweise gab es aber kaum personelle Überschneidungen. Siehe dazu auch Cécile Stephanie Stehrenberger, Systeme und Organisationen unter Stress. Zur Geschichte der sozialwissenschaftlichen Katastrophenforschung (1949–1979), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 11 (2014), S. 406-424.

41 The United States Strategic Bombing Survey, Summary Report (European War), Washington 1945, S. 15.

42 Ebd., S. 17.

43 Das HRRI wurde offiziell mit Projekten »in the areas of military management, officer leadership, officer education, manpower, psychological warfare and strategic intelligence« betraut; siehe Notiz, Human Resources Research Inst., AFHRA, 239.1619-19, 1950–1951, 153572.

44 1951 eröffnete die Army zudem das Human Relations Research Office (HumRRO); siehe Ron Robin, The Making of the Cold War Enemy. Culture and Politics in the Military Intellectual Complex, Princeton 2003, S. 50-54.

45 W. Phillips Davison, Some Observations on the Role of Research in Political Warfare, P-226, Revised 1 October 1951, RAND Corporation Archives, S. 1.

46 »›Psychological Warfare‹ is a new term for an old practice. In its broadest sense it encompasses every method of achieving a desired action or pattern of behavior by an individual or group without the total application of physical force.« Arthur M. Johnson, The Origin and Development of the United States Air Force Psychological Warfare Program 1946–1952 vom 1.6.1953, AFHRA, K318.804-1, 1946–1952, 00495883, S. 2.

47 Human Resources Research Institute, Implications and Summary of a Psychological Warfare Study in South Korea. Psychological Warfare Research Report No. 2 vom Mai 1951, AFHRA, 168.7103-21, 51/05/00, 1028945, S. 16.

48 Siehe dazu Christopher Simpson, Science of Coercion. Communication Research and Psychological Warfare, 1945–1960, New York 1994.

49 Zu seiner Auseinandersetzung mit diesem Konzept siehe Hans Speier, Psychological Warfare Reconsidered vom 5.2.1951, P-196, RAND Corporation Archives.

50 Daniel Bessner, Democracy in Exile. Hans Speier and the Rise of the Defense Intellectual, Ithaca 2018, S. 128, S. 145. Siehe zu Speiers Tätigkeit bei der RAND Corporation auch Application for Employment RAND, University at Albany Libraries, Hans Speier Papers, Box 9, Mappe 17, sowie Oral-History-Interview von Martin Collins mit Hans Speier vom 5.4.1988, RAND Corporation Archives.

51 The Warning of Target Populations in Air War. A Progress Report vom 1.11.1949, R-167, RAND Corporation Archives.

52 So erinnert sich Speier jedenfalls im Rückblick; siehe Oral-History-Interview (Anm. 50), S. 49.

53 The Warning of Target Populations in Air War (Anm. 51), S. 5.

54 Irving L. Janis, The Psychological Impact of Air Attacks: A Survey and Analysis of Observation on Civilian Reactions During World War II, Memorandum for RAND Corporation, Crisis and Disaster Study vom 15.1.1949, RAND Corporation Archives.

56 Ebd., S. 43, S. 65.

57 Bernd Stöver, Geschichte des Koreakriegs. Schlachtfeld der Supermächte und ungelöster Konflikt, München 2013, S. 100-102.

58 Biddle, Air Warfare (Anm. 40), S. 294.

59 Stöver, Geschichte des Koreakriegs (Anm. 57), S. 100, S. 102.

60 Chronology of A.U. Far East Research Group for Human Resources, AFHRA, K239.1613-5, 1950–1951, 0481294, HRRI – Korean Mission 1950–51.

61 Siehe Alexander George, The Chinese Communist Army in Action. The Korean War and its Aftermath, New York 1967, S. 229.

62 John W. Riley/Wilbur Schramm, The Reds Take a City. The Communist Occupation of Seoul with Eyewitness Accounts, New Brunswick 1951.

63 Robin, Cold War Enemy (Anm. 44), S. 124f.; Daniel Bessner, The Night Watchman. Hans Speier and the Making of the American National Security State, Ph.D. Diss. Duke University 2013, S. 205.

64 Bessner, Watchman (Anm. 63), S. 205. Ausführlich zur Rolle Goldhammers und der entsprechenden Konzepte in den Verhandlungen: Robin, Cold War Enemy (Anm. 44), S. 124-143.

65 Colonel C. W. Fite, Jr., Memorandum for Director of Plans, Subject: A More Effective National Security Structure vom 1.11.1956, NARA, RG 341, Entry P 516, Box 2, Mappe: »R&D 1-5 ›An Optimum Unified Plan‹ (1956)«.

66 Vgl., auch zum Folgenden, Albert Wohlstetter, Experts and Amateurs in a Democracy vom November 1963, Hoover Institution Archives, Albert Wohlstetter Personal Papers, Box 132, Mappe 1; ders., On Vietnam and Bureaucracy vom 17.7.1968, ebd., Box 76, Mappe 2; Bernard Brodie, Morals and Strategy von Juni 1964, P-2915, RAND Corporation Archives.

67 So etwa Hans Speier 1988: »I thought, if it were only possible to find a way of bombing, strategic bomb­ing, that would not kill so many civilians, it would be better.« Oral-History-Interview (Anm. 50), S. 49.

68 Mark Clodfelter, The Limits of Air Power. The American Bombing of North Vietnam, New York 1989, S. xi.

69 Alexander Emmerich/Philipp Gassert, Amerikas Kriege, Darmstadt 2014, S. 201.

70 So etwa Bernd Greiner, Krieg ohne Fronten. Die USA und Vietnam, Hamburg 2009, S. 55.

71 Siehe Clodfelter, Limits (Anm. 68), S. x.

72 Siehe Emmerich/Gassert, Amerikas Kriege (Anm. 69), S. 203.

73 Ein Kollege beschrieb Gouré rückblickend als Gefahr für die gesamte Organisation und deren hohe Reputation: Oral-History-Interview von Martin Collins und Joseph Tatarewicz mit Gustave Shubert vom 20.5.1992, National Air and Space Museum Archives, Box 478, S. 124. Der Tätigkeitsbericht der RAND Corporation enthält für 1966 Briefings von Gouré sowohl für Robert McNamara als auch für den stellvertretenden Verteidigungsminister Cyrus Vance, General Westmoreland, den Botschafter Henry Cabot Lodge und seinen Stellvertreter William J. Porter, für die CIA, das State Department, die US Information Agency sowie weitere Behörden und militärisch Verantwortliche. Siehe Social Science Department Staff, Social Science Department Progress Report on ISA and ARPA Projects: January – June 1966, D-14863-ISA/ARPA, RAND Corporation Archives, S. 14f.

74 Das erste Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen von 1949 verbot die Bombardierung von Zivilisten bzw. zivilen Zielen. Zur veränderten medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit für die Realitäten des Krieges siehe Christoph Meister, No News without Secrets. Politische Leaks in den Vereinigten Staaten von 1950–1976, Marburg 2016, S. 187-204.

75 Mitchell G. Ash, Wissenschaft – Krieg – Modernität: Einführende Bemerkungen, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 19 (1996), S. 69-75, hier S. 71.

76 Vgl. etwa Elke Seefried, Zukünfte. Aufstieg und Krise der Zukunftsforschung 1945–1980, Berlin 2015; Kerstin Brückweh u.a. (Hg.), Engineering Society. The Role of the Human and Social Sciences in Modern Societies, 1880–1980, Basingstoke 2012; Dirk van Laak, Planung, Planbarkeit und Planungseuphorie, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 16.2.2010; Thomas Etzemüller (Hg.), Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009; Ulrich Bröckling, Alle planen, auch die, die nicht planen. – Niemand plant, auch die nicht, die planen. Konturen einer Debatte, in: Mittelweg 36 17 (2008) H. 6, S. 61-79; Jennifer S. Light, Urban Planning and Defense Planning, Past and Future, in: Journal of the American Planning Association 70 (2004), S. 399-410.

77 Zur »Behavioral Revolution« siehe etwa Roger E. Backhouse/Philippe Fontaine (Hg.), A Historiography of the Modern Social Sciences, Cambridge 2014; Mark Solovey, Senator Fred Harris’s National Social Science Foundation Proposal. Reconsidering Federal Science Policy, Natural Science-Social Science Relations, and American Liberalism during the 1960s, in: Isis 103 (2012), S. 54-82; Robin, Cold War Enemy (Anm. 44); Theodore M. Porter/Dorothy Ross (Hg.), The Cambridge History of Science, Bd. 7: The Modern Social Sciences, Cambridge 2003.

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