Im Anzug

»Er. Die Zeitschrift für den Herrn« (1950/51)

  1. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
  2. Anspruchsvolle Anzugträger, oder:
    Die Herren der Nachkriegszeit
  3. Uniforme Leisetreter, oder:
    Die Kunst der Täuschung
  4. Unauffällige Frauenhelden, oder:
    Die Gegenspielerin zivil-heroischer Männlichkeit
  5. Fazit und Ausblick

Anmerkungen

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Geschlechterordnung im Umbruch.1 Durch die allmähliche Rückkehr der Soldaten in die zivile Gesellschaft mochte der Beginn neuer Geschlechterkonstellationen angelegt sein, doch war anfangs nicht klar zu erkennen, in welche Richtung die Entwicklung gehen würde.2 Die verbreitete Vorstellung einer deutschen »Stunde Null«, der die Hoffnung auf einen – von der NS-Vergangenheit und den Massenverbrechen losgelösten – Neuanfang eingeschrieben war, wurde durch die mediale Inszenierung heldenhafter »Trümmerfrauen« verstärkt. Beide Mythen halten wissenschaftlichen Analysen nicht stand.3 Doch verweisen sie darauf, dass nach der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches die soldatische Männlichkeit ihr Verehrungs- und Orientierungspotential verloren hatte.4 »Der besiegte Held hat höchstens Anspruch auf Mitleid«,5 hatte beispielsweise Walther von Hollander, ein sowohl im Nationalsozialismus als auch in der Bundesrepublik beliebter Schriftsteller, Journalist und Lebensberater,6 in der Frauenzeitschrift »Constanze« 1948 in Bezug auf die deutschen Soldaten verkündet – und »Mitleid« war sowohl während als auch nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus negativ konnotiert.7 Statt der männlichen Soldaten waren zudem auf einmal die sich für das Wohl der deutschen Gesellschaft einsetzenden Frauen heroisierbar – zumindest dann, wenn sie den Schutt aus dem Weg räumten, den Krieg und NS-Herrschaft hinterlassen hatten.8

Die in Westdeutschland ab Oktober 1950 erscheinende Illustrierte »Er. Die Zeitschrift für den Herrn« war das erste auf dem bundesdeutschen Zeitungsmarkt publizierte Männermagazin. Männer im Allgemeinen bildeten das Zielpublikum, Männlichkeit war das übergeordnete Thema, und auffallend häufig wurden die sogenannten Kriegsheimkehrer als Rezipienten direkt angesprochen. So erhielt das Blatt im zeitgenössischen Kontext eine Ausrichtung, die ehemaligen Soldaten explizit zu einem neuen Männlichkeitsbewusstsein verhelfen sollte. Damit wurde weniger eine Aussage in Bezug auf die empirisch auffindbare Wirklichkeit getroffen, sondern vielmehr eine Männergemeinschaft angestrebt, die bis 1945 noch durch heroisch-männliches Soldatentum propagiert worden war und deren Gemeinsamkeit nach Kriegsende neu ausgelotet werden musste.9 Im Folgenden sollen die Anfänge dieser ersten westdeutschen Männerzeitschrift vorgestellt werden. Ich möchte der Frage nachgehen, welche neuen Zuschreibungsmuster in »Er« entworfen und welche alten reproduziert wurden, um Männlichkeitsentwürfe im Nachkriegsdeutschland zu festigen und die in der Niederlage scheinbar verlorengegangene Idee einer Männergemeinschaft wiederzubeleben.

1. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Die zunächst vom Münchner Verlag AWA-Druck Krüger & Co., ab Heft 3 vom Kauka-Verlag ebenfalls in München und damit unter US-amerikanischer Lizenzverwaltung herausgegebene Zeitschrift »Er« hatte mit einer Auflage um die 30.000 im Juni 1951 im Vergleich zu damals beliebten Magazinen wie der bereits erwähnten Frauenzeitschrift »Constanze« nur eine sehr kleine Reichweite. Die Qualität von Papier und Druck changierte pragmatisch zwischen farbigem Hochglanz und schwarz-weißen Buchdruckseiten mit hohem Holzanteil, der Umfang schwankte im ersten Jahrgang zwischen 46 bis 70 Seiten. Die in der Themenwahl vielseitige Zeitschrift konnte ihr Bestehen trotz zahlreicher Verlags- und Herausgeber-Wechsel bis über die Jahrtausendwende hinaus absichern.10 Dabei änderte sich nicht nur mehrfach der Titel.11 Über eine stetige Zunahme an Fotos von zusehends spärlicher bekleideten Schauspielerinnen um 1970 wurde »Er« allmählich zur westdeutschen Variante des in den USA ab Dezember 1953, in der Bundesrepublik ab August 1972 erscheinenden »Playboys«. Dass die Zeitschrift neben den Themen (Massen-)Kultur, Mode, Sport und Konsum auch Texte zum Existenzialismus,12 zum Nationalismus13 oder zur Atombombe14 veröffentlichte, widerspricht diesem Wandel nicht. Auch der »Playboy« zeichnete sich durch Kommentare zur Politik, Gesellschaft und Kultur seiner Gegenwart aus.

Hubert Miketta und Franz Wolfgang Koebner, zwei an der inhaltlichen wie ästhetischen Gestaltung von »Er« maßgeblich beteiligte Personen, waren keine Neulinge auf dem Zeitschriftenmarkt: Zwischen 1924 und 1941 war Koebner Herausgeber, Miketta Schriftleiter der an populären Inhalten, Kunst, Ästhetik und großer Reichweite interessierten Zeitschrift »Das Magazin« gewesen.15 Beide hatten – wirtschaftlich erfolglos – zunächst 1949 versucht, dem »Magazin« zu einer Wiederaufnahme zu verhelfen, und wirkten danach an der Gründung von »Er« mit.16 Der Preis dieser Monatszeitschrift war mit 2 DM zunächst vergleichsweise hoch. Die wöchentlich erscheinende »Hör zu!« etwa kostete 1950 nur 30 Pfennig und 1951 dann 35 Pfennig, die zweiwöchentlich erscheinende Zeitschrift »Constanze« damals 70 Pfennig.

Anmerkungen
Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 1, S. 1; Zeichnung: Kurt Glombig

Für zeitgenössische Rezipient*innen stellten die auch in anderen Illustrierten publizierten Bilder des Luxus eine Traum- bzw. Wunschwelt dar, die – wenn überhaupt – erst Jahre später Realität wurde, wohingegen zu Beginn der 1950er-Jahre die weitreichenden Folgen des Krieges noch allgegenwärtig waren. Das erste Heft von »Er« benannte nicht nur sprachlich die Diskrepanz zwischen den Anzügen im Schrank und den Abbildungen im Heft, sondern verwandte in Bezug auf vorteil- und vorbildhafte Männlichkeiten überwiegend Zeichnungen anstelle der bei anderen Themen abgedruckten Fotografien.17 Kurt Glombig, ein unter anderem durch Filmplakate und Werbung bekannt gewordener Grafiker,18 fertigte beispielsweise die Zeichnung für das Titelblatt der ersten Ausgabe an. Darauf zieht im Bildvordergrund ein Mann seinen Hut vor einer gut gekleideten Frau in Rosa, die auf einer in Grau angedeuteten Straße vorüberzugehen scheint. Zu sehen ist von dem Mann selbst nichts – nur ein schwarz-weiß karierter Anzugärmel ist im linken unteren Eck erkennbar sowie ein hellbrauner Lederhandschuh und der Hut in dunklerem Braun.

Die Geste des Hut-Ziehens wird im Blick der Frau Richtung Hut gespiegelt und damit zum Thema der Zeichnung. Eine Diagonale von rechts oben nach links unten gliedert die Räumlichkeit im Bild und trennt den Hintergrund vom Vordergrund. Zwischen Hut und Frau wird damit Distanz statt Nähe markiert, Frau und Mann teilen nicht denselben Raum; die männliche und weibliche Sphäre bilden zwei sich ergänzende Gegensätze. Der Vordergrund wird durch die visuelle Verkürzung des Mannes auf Hut, Handschuh und Ärmel zur Perspektive des Betrachters und somit auch eines heterosexuell-männlich konnotierten Anzugträgers als Rezipient der Zeitschrift. Wer auch immer das Heft ansah, blickte auf eine Szene, als sei die Hut ziehende Hand die eigene, die einer unbekannten Frau auf der Straße galt. Der Bildvordergrund markierte also eine männliche Leserschaft und zielte auf Männlichkeit im Allgemeinen, die Weiblichkeit als Gegenpol bildete im Hintergrund das als männlich ausgegebene Interesse an durchaus wohlhabenderen Frauen, deren Aufmerksamkeit – so das Versprechen – durch gute Kleidung und ebensolches Benehmen seitens der Leserschaft gewonnen werden könne, selbst wenn ein Mann über kein vorzeigbares Vermögen verfügte, sich aber im Äußeren an die Regeln der gehobenen Gesellschaft hielt.

2. Anspruchsvolle Anzugträger, oder:
Die Herren der Nachkriegszeit

Die erste Seite »Zum Start« des Magazins erläuterte: »Ein Duft von Tabac und Cognac soll seinen Inhalt durchziehen, der sich – fern von allem Snobismus – durch seine heiter-philosophische Form an den anspruchsvollen Mann wendet. Kultur, Mode, Sport, Theater und Film werden einmal durch eine ausgesprochen männliche Brille gesehen. Abseits von den seriösen Spalten der Tagespresse spricht ›Er‹ – ›Ihn‹ von der lebensbejahenden Seite an.«19 Diese Sätze nahmen das Programm der kommenden Jahre vorweg: Die Hefte boten Ernstes neben Komischem, Literatur neben dem »Herrenwitz« und Fotografien von Schauspielerinnen neben Zeichnungen der Herrenmode – wobei der Aufruf zu höflich-zurückhaltendem und dadurch vornehmem männlichem Verhalten den roten Faden bildete; allerdings mit markanten Abweichungen, auf die später noch einzugehen ist.

Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 4, S. 29; Foto: o.A.
Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 4, S. 29; Foto: o.A.

Der Begriff des »Herrn«, der sich vor allem durch seinen gehobenen Geschmack auszeichne,20 verdeutlichte, dass sich die Zeitschrift an Leser wandte, die sich im guten Umgang schulen wollten, ohne zwangsläufig einer gehobenen Schicht anzugehören. Denn die Bedeutung des Wortes »Herr« im Titel wurde visuell mit der Figur des Anzugträgers ausgewiesen – Anzüge wurden als Dresscode für Männlichkeit generell und ohne Referenzen auf soziale Herkunft vorgeführt. Sprachlich offenbarte sich der »Herr« unter anderem in dem Beitrag »Wer ist ein Herr? Eine nachdenkliche Betrachtung« des Briten Ronald Colman, der nicht nur der Zeitschrift »Er« als ideale Verkörperung eines Gentleman erschien.21 Colman (1891–1958) war ein bekannter Kino-Schauspieler, der nach einer Kriegsverletzung im Ersten Weltkrieg leicht hinkte. Auf seinem Foto, das den Beitrag zierte, sah man Colman mit Hut und Anzug auf einer Bank im Freien sitzend, das Kinn auf seine die weißen Handschuhe haltenden, auf den Gehstock abgestützten Hände gelegt, mit nach innen gerichtetem, nahezu melancholischem Blick. Der Autor, so ließ sich das Foto verstehen, wusste, wovon er sprach: »Ein Mann wird zum Herrn durch seine innerliche und äußerliche Haltung, durch das Bestreben, Manieren zu zeigen, durch seine charakterliche Einstellung zu den Dingen des Lebens. Ein einfacher Arbeiter kann ein Gentleman sein, was auf den eleganten Lebemann, der es scheint, nicht zutrifft.«22 Ein jeder könne lernen, ein Gentleman zu werden – und dabei wollte die Zeitschrift helfen.

Die soldatische Männlichkeit der Kriegszeit sei verantwortlich für einen Mangel an Höflichkeit und Respekt, der in der deutschen Nachkriegsgesellschaft herrsche. So betonte der Beitrag »Herr von Knigge meldet sich zurück« von Dr. Hans-Otto Meissner23 in einer nebulösen Sprache mit dennoch klaren Andeutungen, dass die Rechtschaffenheit im männlichen Benehmen durch den Krieg verlorengegangen sei.24 Herr von Knigge, die geadelte Personifizierung des »Anstands«, »ist ein feinfühliger Mann und liebt es nicht, wenn Mord und Brand das Land verwüsten, wenn die Menschen roh werden und rauh. Geschieht dergleichen, so geht er fort, unbemerkt und still.«25 Da Herr von Knigge weder Gewalt noch Angeberei möge, sei er auch kein Freund des »Hilfsarbeiter[s] aus Braunau« gewesen.26 Denn Hitler habe nur behauptet, unter seiner Herrschaft seien alle gleich, um sich selbst zum mächtigsten Mann zu erheben. Herr von Knigge aber setze trotz Adelstitel nicht auf Reichtum und Luxus, sondern auf »Benimm«, über den alle Männer gleichermaßen verfügen könnten.27

Um Gleichheit der Männer bemühten sich verschiedene Beiträge in »Er« auch im Hinblick auf das Alter – Väter boten ihren Söhnen so früh wie möglich Zigaretten und Cognac an,28 der Hut wiederum mache junge Männer alt und alte Männer jung,29 zumal dann, wenn er das dünn werdende Haar überdecke.30 Die Beiträge, die von Kameradschaft handelten, unterstrichen ebenfalls die Gleichheit und führten sie als Ideal zwischenmenschlicher Beziehungen fort, in denen die soziale Herkunft keine Rolle spiele, ganz ähnlich wie (angeblich) zur Zeit des Nationalsozialismus.31 Allerdings bezeichnete »Kameradschaft« im ersten Jahrgang von »Er« eben nicht explizit eine Männergemeinschaft, sondern wurde viel häufiger als Beschreibung funktionierender Partnerschaft wie auch Elternschaft herangezogen.32 Dies weist darauf hin, dass in »Er« weniger durch Kameradschaft, sondern durch den Anzug, dessen Ähnlichkeit mit der Soldatenuniform wiederum oft betont wurde, die männlichen Gemeinsamkeiten und das Versprechen männlichen Zusammenhalts trotz bestehender Unterschiede hervorgehoben wurden.

Obwohl Mode das Hauptthema der ersten Jahrgänge ausmachte, fanden sich Schnittmuster zum eigenständigen Nähen, wie sie in Frauenzeitschriften üblich waren, in der westdeutschen Männerzeitschrift nicht.33 Doch wurden durch das Zusammenspiel von Fotos, Zeichnungen und Texten Schnittmuster – im übertragenen Sinn – für die verlorene heroisch-soldatische Männlichkeit des im Heft vielfach erwähnten, aus der Gefangenschaft heimgekehrten Soldaten entworfen. Durch die neu verfügbare Hemd- bis Hut-Wahl könne der Übergang von der militärischen zur zivilen Männlichkeit leichter fallen. Sprachlich häufig und regelmäßig genannt,34 tauchte die Figur des Heimkehrers visuell nicht auf. Ebensowenig spielte im ersten Jahrgang der Männerzeitschrift die Figur des demokratischen, »sanfteren und liebevolleren« Vaters als neue Form männlicher Autorität in der Familie eine Rolle,35 die Till van Rahden als Versuch charakterisiert, vom »Männlichkeitsideal des heroischen Arbeitersoldatentums« im Nationalsozialismus Abschied zu nehmen,36 und die in den zeitgenössischen katholischen Zeitschriften verstärkt als Signum der Nachkriegszeit bemüht wurde.37

Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 10, S. 17; Foto: L.R.A.
Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 10, S. 17; Foto: L.R.A.

Stattdessen wurden in »Er« Angestellte, Intellektuelle, Politiker, Literaten und Künstler, Unternehmer oder Chefs, Junge und Alte, Deutsche und Europäer visuell und sprachlich als Vorbilder ziviler Männlichkeiten repräsentiert. Aber auch das Gegenbild fand seine visuelle und sprachliche Erscheinung: Des Lebens überdrüssige Männer, denen alles so ausweglos erschien, dass sie sich das Leben nahmen, wurden in Witzen und Karikaturen verspottet – oder auch ad acta gelegt durch eine Fotografie, in der eine männliche Puppe so an der Wand befestigt gezeigt wurde, dass sie aussah wie ein Erhängter. Überschrieben wurde dieses Foto mit dem Titel »Der Flohmarkt« – eine Wortwahl, die die Interpretation des Bildes dahin lenkte, dass das zu Sehende aus vergangenen Zeiten stamme und nicht mehr der Gegenwart angehöre. Da viele deutsche Soldaten in direkter Beteiligung oder als Zeugen miterlebt hatten, wie Menschen erhängt wurden, ruft ein solches Zusammenspiel von Sprache und Fotografie, das zumindest aus heutiger Sicht Mord mit Suizid vermengt, Verwunderung hervor.38 Bei aller Ambivalenz wird aber deutlich, dass Lebensmüdigkeit als Schwäche ausgewiesen wurde, die der erhofften neuen männlichen Stärke entgegenstand – auch dies stellte eine Kontinuität gegenüber der NS-Ideologie dar.39

3. Uniforme Leisetreter, oder:
Die Kunst der Täuschung

Als Lösung bei Hoffnungslosigkeit offerierte die Zeitschrift die Lust an der Täuschung des Gegenübers und an der Tarnung verborgener Intentionen. Sie betonte wiederholt, dass gerade dies zu den guten Manieren eines Gentlemans gehöre40 – etwa dort, wo ein »Jean Paul Richter«41 als Urheber des folgenden, in der Metaphorik an Kriegswaffen angelehnten, Sinnspruchs genannt war: »Menschen sind wie Kugeln: je glätter, desto weiter kommen sie.«42 Hierzu gehörte auch die Kunst, über die eigenen Gefühle die Kontrolle zu behalten. In einem Beitrag mit dem Titel »Der Gentleman«, wiederum von Hans-Otto Meissner, hieß es: »Er ist weder zu stolz noch zu bescheiden, es beherrscht ihn kein lodernder Zorn und auch keine überschäumende Freude. Sondern er selbst beherrscht alle seine Gefühle. Er beherrscht sie so völlig, daß er sich mit Maßen jeder ihn umgebenden Stimmung anzupassen versteht, ganz gleich, wie er selbst empfindet.«43 Als Herr über sich selbst gelinge dem Gentleman auch seine Mimikry, und diese Angleichung an die Umgebung verspreche ihm Achtung: »Alle schwören sie auf seine Zuverlässigkeit«, so erläuterte der Text, »obwohl er nie ein Ehrenwort gab. Erstens glaubt man ihm auch ohnedies, und zweitens genügt sein Wort.«44

Dem zeitgenössisch viel rezipierten »Handorakel« des Jesuiten Baltasar Gracián (1647) nicht unähnlich, waren die Schnittmuster des Gentlemans der Zeitschrift zufolge auch Anleitungen zu einer Camouflage, die dem Anspruch an ein besseres Leben erst Hoffnung auf Verwirklichung geben konnte.45 In diesem Sinne lassen sich die regelmäßigen Hinweise verstehen, wie man das Problem, nur einen oder wenige Anzüge zu besitzen, geschickt durch die Wahl von Krawatte oder Hut, aber auch einer Pfeife statt einer Zigarette, verschleiern könne.46 Denn die erwünschte Eleganz diente eben nicht dazu, sich vor anderen Männern hervorzutun. Im ersten Jahrgang von »Er« war der anspruchsvolle Anzugträger vielmehr ein Mann, der sich unauffällig verhielt und auch durch seine visuelle Erscheinung in der Menge der Männer untertauchte.47

Links: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 1, S. 54; Modelle von Eduard Rheinberger A.G., Offenbach, Mercedes, Dorndorf; Fotos: Ferdy Dittmar Rechts: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 10, S. 14; Stoffmuster: Dürener Feintuchfabrik, L. Schoeller und Söhne; Zeichnungen: R.G. Collaud
Links: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 1, S. 54; Modelle von
Eduard Rheinberger A.G., Offenbach, Mercedes, Dorndorf; Fotos: Ferdy Dittmar
Rechts: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 10, S. 14; Stoffmuster:
Dürener Feintuchfabrik, L. Schoeller und Söhne; Zeichnungen: R.G. Collaud

Auch um das Verhaltensmuster der Unauffälligkeit zu stärken, wurde der Krieg zu einem Referenzpunkt im Hintergrund. Bereits im ersten Heft vom Oktober 1950 startete ein Artikel von Hubert Miketta unter der Überschrift »Gibt es noch eine Herrenmode?« damit, dass die vorgeschlagenen Anzüge explizit für all jene gedacht seien, die gerade aus der Gefangenschaft entlassen worden waren. Der Ratschlag: Männer sollten sich dezent, grau, nicht teuer, dafür stilvoll kleiden, denn es habe sich »[e]ine gediegene und unauffällige Geschmacksrichtung [durchgesetzt], die das beste Zeichen für eine Wiedergesundung der Welt ist«.48 Der Verweis auf die Welt reihte dabei, ähnlich wie im zuvor erwähnten Beitrag des Briten Ronald Colman, die westdeutschen männlichen Rezipienten in eine über die Grenzen Deutschlands hinausreichende Gemeinschaft von Männern ein, die sich gerade durch eine neue Unauffälligkeit auch keine Fragen zur spezifisch deutschen Schuld am Zweiten Weltkrieg stellen musste. In diesem Sinne gingen echte Männer »auf leisen Sohlen«49 und seien zudem auf Muskelkraft nicht mehr angewiesen: »Die Welt ist rund, und mit ihr werden es die Menschen. Die Zeiten heroischer Obrigkeiten, die ihre Untertanen gern hager und mit asketischen Gesichtsfalten sahen, sind vorbei.«50 Dabei fehlten neben dem expliziten Vergleich mit dem »Feldgrau«51 der Uniformen selten weder Hut noch Rauch­utensil oder Regenschirm. Solche Accessoires erinnern an das Bild eines Spions, Geheimagenten oder Detektivs, der nach außen unauffällig erscheinen mag – was aber eine Voraussetzung dafür ist, um im Geheimen eventuell auch gefährliche Unternehmungen verfolgen zu können.

Damit stand die Illustrierte in Opposition zu der zeitgenössisch geführten Debatte über die massenmediale Öffentlichkeit. Denn die akademischen Kreise und die intellektuelle Elite machten zu Beginn der 1950er-Jahre nicht nur in Westdeutschland die überwiegend auf Konsum ausgerichteten Medien dafür verantwortlich, zu einer Entindividualisierung und einem Autonomieverlust der Rezipient*innen zu führen – zumindest dann, wenn das Phänomen der Masse mit dem Verlust der Persönlichkeit gleichgesetzt wurde.52 In »Er« hingegen wurde mit einer Anekdote Gustave Le Bon vorgeführt als jemand, der zwar in Gedanken die Masse kritisiere, dann aber selbst nichts lieber tue als sich in die Wogen der Menge zu begeben.53 Nicht nur die Werbung, dass »Herr H.V. aus Freiburg i.Br.« beispielsweise als »Einer von Millionen« zu Pfefferminzbonbons greife, damit die Zigaretten besser schmeckten,54 nutzte also die Masse als Verkaufsargument. Zahlreiche Textbeiträge in »Er« hielten ein anderes Autonomieversprechen als die »Medien-Intellektuellen« (Axel Schildt) bereit: Gerade dann, wenn man (erst einmal) macht, was alle machen, wird die Freiheit des eigenen Handelns möglich. So war der Anzugträger in Westdeutschland auch in einem spezifischen Kontext zu sehen: Die Option, in der Menge unterzutauchen, konnte im Zuge der Entnazifizierung nicht zuletzt eine Hoffnung sein, das Schweigen über die NS-Vergangenheit zu ermöglichen und sich ein neues Leben aufzubauen.55

4. Unauffällige Frauenhelden, oder:
Die Gegenspielerin zivil-heroischer Männlichkeit

Warum gerade das unauffällige Verschwinden in der Menge auch in Bezug auf die Liebe ein Vorteil sei, verriet der bereits erwähnte Beitrag »Der Gentleman«. Der Gentleman dieses Textes sei für alle Beteiligten ein Segen: »Seiner Geliebten gegenüber verschweigt er die anderen Frauen, und seiner [Ehe-]Frau verschweigt er die Geliebte. Seinen Freunden gegenüber verrät er keine Frau, nicht mal deren eigene, und diesen wieder erzählt er nichts über ihre Männer.«56 Geheimhaltung moralisch zweifelhafter Handlungen wurde dabei nicht nur als Nächstenliebe kaschiert, sondern auch als Quelle des körperlichen Genusses ausgewiesen. Denn nur im Schweigen gelinge es dem Mann, so erklärte der Beitrag »Der Schnaps, der Rauchtabak und die verfluchte Liebe« eines ungenannten Verfassers, auch zu genießen, was seine »drei männlichen Tugenden« ausmache, nämlich »Trinken, Rauchen, Lieben«.57 Dieser Ratschlag versprach also den Leisen und Unauffälligen nicht nur größeren Handlungsspielraum, sondern insgesamt größere Lebensfreuden.

Links: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 4, S. 19; Foto: RKO (HD) Rechts: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 10, S. 22; Zeichnung: Will Halle
Links: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 4, S. 19;
Foto: RKO (HD)
Rechts: Er. Die Zeitschrift für den Herrn 1 (1950/51) H. 10, S. 22;
Zeichnung: Will Halle

Was wiederum Männer an Frauen bewunderten, wurde beispielsweise durch die Perspektive des Zeichners bzw. der Kamera in Szene gesetzt. Die neuen Schönheiten der Nachkriegszeit wie die Schauspielerin Jane Russell, ab Mitte der 1950er-Jahre auch Marilyn Monroe, Brigitte Bardot oder Sophia Loren,58 wirkten im Zusammenhang des Heftes wie ein zusätzlicher Anreiz, sich zum Frauenhelden zu erheben und die eigene Männlichkeit zu erproben: Wiederholt wurden Zeichnungen publiziert, in denen auffallend selbstbewusste oder aber übermenschlich große Frauen winzig erscheinenden Männern gegenübergestellt waren. Hier wurden nicht selten Mutter-Sohn-Beziehungen mit erotischen Liebesszenen vermengt, etwa, wenn der winzige »Gulliver« mit einer Leiter auf eine nackte Frau kletterte und sich (wie ein Baby mit weißer Windel) unterhalb ihrer Brüste auf ihren Bauch legte. Auf diese Weise erhielt der gegenüber der großen Frau klein erscheinende Mann etwas von ihrer Stärke übertragen.

Die auch in zeitgenössischen Frauenzeitschriften diskutierte Frage allerdings, ob der durch den kriegsbedingten Männermangel allseits praktizierten Untreue durch die Erlaubnis mehrerer, gleichzeitiger Ehen pro Mann begegnet werden sollte, wurde von der Zeitschrift entschieden verneint, da für die Männer eine zu hohe Verantwortung mehreren Frauen gegenüber entstünde.59 Erlaubt hingegen war gemäß »Er« gerade in Erotik- und Liebesfragen eine sexuelle Übergriffigkeit – und hier wurde aus dem ehemaligen Kriegshelden ein Frauenheld, der nicht nur Taktik und Strategie, sondern auch Gewalt anwenden konnte bei seinen Bemühungen, Frauen zu erobern. Denn Liebe war in »Er« eine »Kriegsschule«,60 ein Nein seitens der Frau forderte den Mann geradezu auf, ihr körperlich auch ohne ihr Einverständnis zu nahe zu kommen: »Du mußt dir nur klar machen«, war in einem Text von »H.v.P.« zu lesen, der als »Kursus […] über die Strategie der weiblichen Abwehr« bezeichnet wurde, »Feindschaft ist ein gutes Zeichen und nur eine Handbreit von der Liebe getrennt – Wutanfälle sind ein sicherer Beweis der Zuneigung«.61 Und sollte dies doch einmal fehlgeschlagen sein, dann erfolgte der Rat: »Bist du zu weit gegangen, so bittest du um Verzeihung und tust es sofort noch einmal.«62

In einem Text mit dem rassistischen und sexistischen Titel »Ich habe ein schwarzes Mädchen«, dessen Autor mit »Hans Pflug-Franken« und also wie bei vielen anderen Journalisten und Autoren der Zeitschrift mit einem Künstlernamen angegeben wurde, war die Frau nicht mehr als ein Besitzgegenstand, demgegenüber es dem Ich-Erzähler »teuflischen Spaß« mache, »sie zu beschimpfen«.63 Dieser Ich-Erzähler schilderte hier die Geschichte einer Hassliebe: »Eigentlich hasse ich sie, weil sie wie ein Tier ist, das ich lieben muss, dessen Sprache ich aber nicht verstehe.«64 Doch hat die Frau im Text aus Sicht des Mannes die machtvollere Position inne: »Ich habe noch nicht herausbekommen, was sie eigentlich tut. Daß sie zur Armee zählt, weiß ich, seit ich ihr olivgrünes Kostüm sah, das sie gar nicht gern trägt. Ich weiß es auch, weil sie ungehindert Zutritt zu den Hotels hat, die anderen verschlossen sind. Ich habe dort keinen Einlaß.«65 Der Text war von einer Haltung getragen, die diesem männlichen Unterlegenheitsgefühl etwas entgegensetzen wollte. So wurde nicht zufällig erwähnt, dass der Protagonist mit der US-amerikanischen Armeeangehörigen Französisch zu sprechen versuchte – als wäre sie eine Nachfahrin der Kolonialtruppen, die Frankreich an der Front eingesetzt hatte, was in der Folge zur von Deutschland initiierten, internationalen Kampagne der »Schwarzen Schmach« geführt hatte, aber auch in der NS-Kriegspropaganda als ein wiederkehrender Topos aufgegriffen worden war.66 Gegen Ende dieser Erzählung tauchte der wirkliche Rivale auf, wenn die wörtliche Rede des Mannes zu der Frau (die ihn nicht verstand) mit folgenden, rassistisch motivierten Metaphern aus der Tierwelt wiedergegeben wurde: »Wenn ich dich einmal mit einem schwarzen Kerl sehe, schlage ich dich tot! […] Ich weiß, daß sie stärker sind als ich, diese schwarzen Eber, aber für dich, mein Täubchen, genüge ich noch lange.«67 Als sie den Ich-Erzähler letztlich doch wegen eines Schwarzen verließ, erwähnte der Erzähler zwei mögliche Reaktionen seinerseits, wobei die erste seinen Wunsch, die zweite die Realität angab: »Ich habe mein schwarzes Mädchen nicht totgeschlagen. Ich habe mich betrunken.«68

5. Fazit und Ausblick

In der westdeutschen Männerzeitschrift »Er« war eine verehrungswürdige Männlichkeit der Kriegszeit nicht vollständig verloren. Doch statt dem Soldaten wies die Zeitschrift den Gentleman, den Geheimagenten oder den Fraueneroberer als geschätzte Entwürfe von Männlichkeit aus, die im Anzug statt in Uniform repräsentiert wurden. Alle drei Figuren waren dabei auf Tarnung und Täuschung angewiesen, um Erfolg zu haben und Anerkennung in einer größeren Gemeinschaft zu finden. Familie und Vaterschaft spielten nur eine sehr marginale Rolle, und die Themenseiten zu Liebe und Partnerschaft wurden aus männlicher Sicht als Tipps an andere Männer perspektiviert. Eine homosoziale Solidarität innerhalb von Männergemeinschaften als zentrale, deontologisch aufzufassende Stoßrichtung der Zeitschrift wiederum zeigte sich im Entwurf eines Zusammenhalts ohne Standes- oder Klassenunterschiede – aber auch im Anzug. Genau dieser Rückhalt innerhalb der männlichen Gemeinschaft, der vom NS-Ideal der Kameradschaft nicht weit entfernt war, ermöglichte es dem Einzelnen, sich im Verborgenen als ein Frauenheld zu gebärden, der die weibliche Autonomie bewusst missachten und verletzen konnte. Die Camouflage erwies sich hier als ein Mechanismus des »Doing Gender«,69 der Gewalt (wieder) möglich, zumindest denk- und sagbar machte.

Er. Die Zeitschrift des Herrn 13 (1963) H. 9, S. 35; Foto: David Drew Zingg. Nur wenig später, am 22. November 1963, wurde der hier abgebildete John F. Kennedy ermordet.
Er. Die Zeitschrift des Herrn 13 (1963)
H. 9, S. 35; Foto: David Drew Zingg.
Nur wenig später, am 22. November 1963, wurde der hier abgebildete
John F. Kennedy ermordet.

Ende der 1950er-Jahre hatte sich die materielle wie auch ästhetische und inhaltliche Qualität der mittlerweile unter dem Titel »Er. Die Zeitschrift des Herrn« von Rolf Krawehl im Düsseldorfer Verlag »Elegante Welt« und damit unter britischer Presseaufsicht herausgegebenen Zeitschrift sichtbar verbessert. Hubert Miketta und Franz W. Koebner waren nun gemeinsam als Chefredakteure angegeben. Die humoristischen Zeichnungen verschwanden, die Häufigkeit der bereits im ersten Jahrgang oft auf einer ganzen Seite abgedruckten, teilweise auch künstlerisch besseren Fotografien, ein Großteil davon aus der Akt- und Mode-Fotografie, stieg. Ende der 1950er-Jahre waren auch neue Themen wie die »Manager-Krankheit« hinzugekommen.70 Andere Themen, wie die Lobreden auf ein polygames Leben oder der »Herrenwitz«, waren indes geblieben, und die Fotografien der Frauen waren nicht nur freizügiger geworden, sondern auch auf einer Doppelseite des Heftes, zugleich aufklappbar und verborgen, als Poster verfügbar.71 Um 1960 machte der Anzugträger allmählich dem Wollpulli-Träger und damit das seriöse Alter einer nahbaren Jugend Platz – wofür John F. Kennedy, den eine ganzseitig abgedruckte Fotografie beim Segeln zeigte, nur das berühmteste Beispiel war. Doch trotz dieses visuellen Wandels: Erneut wurde hier ein notorischer Frauenheld in Szene gesetzt.


Anmerkungen:

1 Vgl. für Deutschland u.a. Karen Hagemann/Donna Harsch/Friederike Brühöfener (Hg.), Gendering Post-1945 German History. Entanglements, New York 2019; Thomas Kühne, Kameradschaft. Die Soldaten des nationalsozialistischen Krieges und das 20. Jahrhundert, Göttingen 2006, S. 209-270; Hanna Schissler (Hg.), The Miracle Years. A Cultural History of West Germany 1949 to 1968, Princeton 2001; Frank Biess/Mark Roseman/Hanna Schissler (Hg.), Conflict, Catastrophe, and Continuity. Essays on Modern German History, New York 2007; Uta Poiger, Jazz, Rock, and Rebels. Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany, Berkeley 2000.

2 Vgl. hierzu ausführlich u.a. Jörg Echternkamp, Soldaten im Nachkrieg. Historische Deutungskonflikte und westdeutsche Demokratisierung 1945–1955, München 2014.

3 Zu den Trümmerfrauen vgl. Leonie Treber, Mythos Trümmerfrauen. Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes, Essen 2014. Zur »Stunde Null« vgl. etwa Christoph Kleßmann, 1945 – welthistorische Zäsur und »Stunde Null«, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 15.10.2010; zur langen Transitionsphase vgl. Claudia Kemper, Wann ist der Krieg vorbei? Gewalt­erfahrungen im Übergang vom Nachkrieg zum Frieden, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 15 (2018), S. 340-357.

4 Bernhard Gotto/Elke Seefried, Von Männern und »Makeln«. Einleitende Überlegungen zur Gesellschaftsgeschichte der Bundesrepublik in geschlechterhistorischer Perspektive, in: dies. (Hg.), Männer mit »Makel«. Männlichkeiten und gesellschaftlicher Wandel in der frühen Bundesrepublik, Berlin 2017, S. 7-23, hier S. 19; zum Wandel der Kameradschaft beispielsweise hin zur Nachbarschaftshilfe vgl. Kühne, Kameradschaft (Anm. 1), S. 221-228; zur DDR vgl. Sylka Scholz, Vom starken Helden zum zärtlichen Vater? Männlichkeit und Emotion in der DDR, in: Manuel Borutta/Nina Verheyen (Hg.), Die Präsenz der Gefühle. Männlichkeit und Emotion in der Moderne, Bielefeld 2010, S. 203-229, hier S. 209f.

5 Walther von Hollander, Der Held und der Mann von heute, in: Constanze 1 (1948) H. 4, S. 3.

6 Lu Seegers, Walther von Hollander als Lebensberater im ›Dritten Reich‹, in: Stephanie Kleiner/Robert Suter (Hg.), Guter Rat. Glück und Erfolg in der Ratgeberliteratur 1900–1940, Berlin 2015, S. 179-207.

7 Jan Stoll, Behinderte Anerkennung? Interessenorganisationen von Menschen mit Behinderungen in Westdeutschland seit 1945, Frankfurt a.M. 2017, S. 29-124; Svenja Goltermann, Opfer. Die Wahrnehmung von Krieg und Gewalt in der Moderne, Frankfurt a.M. 2017; dies., Die Gesellschaft der Überlebenden. Deutsche Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg, München 2009. Die Angaben zu Männlichkeitsbildern in breitenwirksamen Zeitschriften während des Nationalsozialismus beziehen sich auf die Ergebnisse meiner bislang unveröffentlichten Dissertation; vgl. hierzu Vera Marstaller, Stillstand der Körper im Krieg. Von den Pflichten des Heroischen und dem Reiz des Alltags in der illustrierten Massenpresse des Nationalsozialismus (1939–1945), in: Visual History, 22.7.2019.

8 Zum in der Geschichtswissenschaft lange ausbleibenden Blick auf Täterinnen im Nationalsozialismus vgl. Susanne Lanwerd/Irene Stoehr, Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus seit den 1970er Jahren. Forschungsstand, Veränderungen, Perspektiven, in: Johanna Gehmacher/Gabriella Hauch (Hg.), Frauen- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus. Fragestellungen, Perspektiven, neue Forschungen, Innsbruck 2007, S. 22-69.

9 Kühne, Kameradschaft (Anm. 1).

10 Ein unkritischer, aber ausführlicher Überblick zur Geschichte der Zeitschrift inklusive zahlreicher Cover-Abbildungen findet sich auf der Website »Wirtschaftswundermuseum« von Jörg Bohn unter <http://www.wirtschaftswundermuseum.de/er-zeitschrift-50er-1.html>.

11 1957 wurde der Name leicht abgeändert in »Er. Die Zeitschrift des Herrn«. In der Zeitschriftendatenbank (ZDB) der Deutschen Nationalbibliothek und der Staatsbibliothek zu Berlin findet sich die Zeitschrift unter der Bezeichnung »Er. Girls ohne Worte«: <https://zdb-katalog.de/title.xhtml?idn=010760407>.

12 Er 1 (1950/51) H. 11, S. 10.

13 Er 1 (1950/51) H. 8, S. 44.

14 Ebd., S. 18.

16 Vgl. hierzu die Angaben auf der in Anm. 10 genannten Website.

17 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 12.

18 Zu Glombig und auch weiteren an der Zeitschrift beteiligten Personen siehe wiederum die in Anm. 10 genannte Website.

19 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 1.

20 Ebd.

21 Vgl. u.a. R. Dixon Smith, Ronald Colman. Gentleman of the Cinema. A Biography and Filmography, Jefferson 1991.

22 Er 1 (1950/51) H. 4, S. 29.

23 Hans-Otto Meissner (1909–1992), als Jurist zur NS-Zeit Mitglied in der Motor-SS und der NSDAP, als Beamter des Auswärtigen Amtes von 1935 bis 1939 abwechselnd in London und in Tokyo tätig, ab Kriegsbeginn teils als Soldat an der Front und teils als Beamter im Auswärtigen Amt, nun in Berlin und Moskau. In der Nachkriegszeit wurde er nach zweieinhalb Jahren Kriegsgefangenschaft als Publizist unter anderem zur »Machtergreifung« der NSDAP (1958) oder zu Magda Goebbels als »Gefährtin des Teufels« (1952) bekannt. Sein 1950 erstmals erschienener Ratgeber »Man benimmt sich wieder« (1950) erhielt in den 1950er-Jahren vierzehn Auflagen. Zu Meissner selbst vgl. Sebastian Weitkamp, Braune Diplomaten. Horst Wagner und Eberhard von Thadden als Funktionäre der »Endlösung«, Bonn 2008, S. 276-283; Hartmut Dietz, Art. »Meissner, Hans-Otto«, in: Wilhelm Kühlmann (Hg.), Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, Bd. 8: Marq – Or, 2. Aufl. Berlin 2010, S. 137; Maria Keipert (Red.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945, Bd. 3: L–R, hg. vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Gerhard Keiper und Martin Kröger, Paderborn 2008, S. 216-218.

24 Zum Kontext vgl. weiterführend u.a. Cas Wouters, Informalization. Manners and Emotions since 1890, Los Angeles 2007; Konrad H. Jarausch, German Civility? Retying Social Bonds after Barbarism, in: European Review of History/Revue européenne d’histoire 18 (2011), S. 373-386.

25 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 3.

26 Ebd.

27 Ebd.

28 Er 1 (1950/51) H. 2, S. 9.

29 Er 8 (1958) H. 1, S. 111.

30 Z.B. bei der Werbung »Auxol rettet Ihr Haar«, u.a. in: Er 1 (1950/51) H. 3, S. 59.

31 Vgl. hingegen zum Gebrauch des »Kameradschaftsmythos« durch Kriegsheimkehrer und Veteranenverbände als Möglichkeit, die durch das Kriegsende abgeschwächte Hierarchie in der Geschlechterordnung wieder zu befestigen: Kühne, Kameradschaft (Anm. 1), S. 226.

32 Der Artikel »Welche Frauen werden begehrt?« zum Beispiel gab an: »Die Frau muß Geliebte, Kameradin und Mutter sein.« Er 1 (1950/51) H. 1, S. 16. »Man kann die Kameradschaft zwischen Vater und Kind gar nicht genug betonen«, hieß es im Beitrag »Vater sein dagegen sehr…« von Bertold Bartel, in: Er 1 (1950/51) H. 2, S. 9.

33 Dies ist bemerkenswert, da beispielsweise die Zeitschrift »neue modelle« in der DDR Herrenschnittmuster anbot, ebenso aber auch die ab Januar 1950 in der Bundesrepublik erscheinende Zeitschrift »burda« – wobei dort nahegelegt wurde, dass Frauen die Kleidung nähen sollten und nicht die Männer selbst.

34 Exemplarisch bereits in: Er 1 (1950/51) H. 1, S. 12.

35 Till van Rahden, Wie Vati die Demokratie lernte. Religion, Familie und die Frage der Autorität in der frühen Bundesrepublik, in: Daniel Fulda u.a. (Hg.), Demokratie im Schatten der Gewalt. Geschichten des Privaten im deutschen Nachkrieg, Göttingen 2010, S. 122-151, hier S. 149.

36 Ders., Demokratie und väterliche Autorität. Das Karlsruher »Stichentscheid«-Urteil von 1959 in der politischen Kultur der frühen Bundesrepublik, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 2 (2005), S. 160-179, hier S. 179; ders., Im Herbst der Patriarchen. Demokratie und Männlichkeit in der frühen Bundesrepublik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 69 (2021), S. 689-699.

37 Van Rahden, Wie Vati die Demokratie lernte (Anm. 35). Der einzige Artikel in »Er« über Väter lobte deren Möglichkeit, wieder Kind zu werden, und die Fähigkeit der Kinder, den Wunsch der Väter offen und ehrlich auszusprechen, später einmal »Ami« zu werden, da sie dann schießen dürften. Zudem war darin erwähnt, dass Väter auch schon mal die Kinder wickeln könnten, da sie im Krieg ja durchaus Schlimmeres durchgestanden hätten; auf eine neue Verantwortung als Vater wurde aber nicht genauer eingegangen: Er 1 (1950/51) H. 2, S. 9.

38 Claudia Kemper weist darauf hin, dass gerade die Vorstellung vom heroischen Opfertod sich auf die Selbstmordraten der Nachkriegszeit ausgewirkt haben könnte. Vgl. dies., Wann ist der Krieg vorbei? (Anm. 3), S. 351.

39 Stoll, Behinderte Anerkennung? (Anm. 7), S. 29-124; Goltermann, Opfer (Anm. 7); dies., Die Gesellschaft der Überlebenden (Anm. 7).

40 Dass Konventionen ohnehin Lügen seien und eben nicht unmoralisch, schrieb z.B. ein Autor namens »Utz.« in einem Beitrag mit dem Titel »Lob der Falschheit«, in: Er 1 (1950/51) H. 10, S. 2.

41 Auch wenn hier Jean Paul gemeint sein könnte, kann genauso gut davon ausgegangen werden, dass der Autor über einen an Jean Paul angelehnten Künstlernamen seinerseits das Spiel der Camouflage aufnahm.

42 Er 1 (1950/51) H. 5, S. 30.

43 Er 1 (1950/51) H. 2, S. 48-49, hier S. 48.

44 Ebd.

45 So macht Helmut Lethen im folgenden Zitat der Maxime Nr. 43 aus dem »Handorakel« einen möglichen »Urtext« zumindest für die Gracián-Rezeption des Jahres 1948 aus: »Denken wie die wenigsten und reden wie die meisten. Gegen den Strom schwimmen wollen, vermag keineswegs den Irrtum zu zerstören, sehr wohl aber, in Gefahr zu bringen. [...] Den Weisen wird man nicht an dem erkennen, was er auf dem Marktplatz redet: denn dort spricht er nicht mit seiner Stimme, sondern mit der der allgemeinen Torheit, so sehr auch sein Inneres sie verleugnen mag. Der Kluge vermeidet ebenso sehr, daß man ihm, als daß er andern widerspreche.« Zit. nach Helmut Lethen, Der Gracián-Kick im 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 7 (2013) H. 3, S. 59-76, hier S. 69 (dortige Hervorhebung).

46 Er 1 (1950/51) H. 3, S. 40.

47 So verwies der Beitrag »Der Herr« darauf, dass die zeitgenössisch in den USA in Mode gekommenen bunten Farben der Herrenkleidung für die westdeutschen Rezipienten der Zeitschrift nicht zu empfehlen seien, da Extravaganz und Auffälligkeit – nicht unähnlich den Ratschlägen von breitenwirksamen Illustrierten der NS-Zeit – als unschicklich galten: Er 1 (1950/51) H. 4, S. 29.

48 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 13.

49 Ebd., S. 54.

50 Ebd., S. 69.

51 Er 1 (1950/51) H. 3, S. 10. Nach dem Krieg sei auch das »lange Zeit als zu eintönig verpönte Grau […] bei weitem die bevorzugte Farbe« eines modernen Anzugs; siehe: Er 1 (1950/51) H. 1, S. 13.

52 Zur intellektuellen Debatte vgl. Christina von Hodenberg, Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945–1973, Göttingen 2006, S. 31-86; eine vertiefende Einbettung erfolgt bei Axel Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik, hg. und mit einem Nachwort versehen von Gabriele Kandzora und Detlef Siegfried, Göttingen 2020, S. 300-324.

53 Er 1 (1950/51) H. 2, S. 3.

54 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 63.

55 Auf die Debatte über das Schweigen der Nachkriegszeit verweist u.a. Nina Verheyen, Eifrige Diskutanten. Die Stilisierung des ›freien‹ Meinungsaustauschs zu einer demokratischen Kulturtechnik in der westdeutschen Gesellschaft der fünfziger Jahre, in: Fulda u.a., Demokratie im Schatten der Gewalt (Anm. 35), S. 99-121, hier S. 99f. Die Auffassung, der Nationalsozialismus habe sich gegen Individualität gewandt, entstand in den ersten Monaten nach Kriegsende und ermöglichte als Hinwendung zur individuellen statt kollektiven Lebensführung eine Abgrenzung der Bundesrepublik gegenüber dem Nationalsozialismus. Das verdeutlicht Moritz Föllmer, Individuality and Modernity in Berlin. Self and Society from Weimar to the Wall, Cambridge 2013, S. 189. Vgl. zu dieser Einschätzung Föllmers auch die Rezension von Malte Zierenberg, in: H-Soz-Kult, 20.6.2014.

56 Er 1 (1950/51) H. 2, S. 48.

57 Er 1 (1950/51) H. 7, S. 44.

58 Dies ging soweit, dass Brigitte Bardot zum »Nationalheros« Frankreichs erkoren wurde; in: Er 8 (1959) H. 12, S. 72-73.

59 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 16.

60 Er 1 (1950/51) H. 5, S. 18. Zum Kontext siehe auch Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 15 (2018) H. 2: Gewaltabkehr als politisches Projekt in der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Thomas Schaarschmidt, Winfried Süß und Peter Ulrich Weiß.

61 Er 1 (1950/51) H. 5, S. 18.

62 Ebd.

63 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 33. Zur Sachherrschaft und der Bedeutung von Eigentum als Marker kolonial- und patriarchal-kapitalistischer Machtverhältnisse sowie dem Recht des Eigentümers, seinen Besitz zu zerstören, was sich auch an der Behandlung von Tieren zeige, vgl. Eva von Redecker, Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen, Frankfurt a.M. 2020, S. 19-41, v.a. S. 32-38.

64 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 33.

65 Ebd.

66 Sandra Maß, Weiße Helden, schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918–1964, Köln 2006, S. 71-120.

67 Er 1 (1950/51) H. 1, S. 34.

68 Ebd.

69 Das Konzept des »Doing Gender« geht zurück auf Candace West/Don H. Zimmerman, Doing Gender, in: Gender & Society 1 (1987), S. 125-151. Zu Prozessen der Normalisierung vgl. Judith Butler, Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen. Aus dem Amerikanischen von Karin Wördemann und Martin Stempfhuber, Frankfurt a.M. 2009.

70 Er 7 (1957) H. 2, S. 56. Zur Einordnung siehe etwa Hans-Georg Hofer, Labor, Klinik, Gesellschaft. Stress und die westdeutsche Universitätsmedizin (1950–1980), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 11 (2014), S. 382-405.

71 So z.B. Georg Olmer, Polygamie ist besser als ihr Ruf, in: Er 13 (1963) H. 9, S. 14-16. Ein Beispiel für den »Herrenwitz« findet sich in Er 13 (1963) H. 1, S. 76-77; ein aufklappbares Poster in Er 13 (1963) H. 4, S. 56-57.

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