Jenseits von Brutalisierung oder Zivilisierung

Schule und Gewalt in der Bundesrepublik (1970–2000)

  1. Von prügelnden Lehrern zur Schule im Kriegszustand
  2. »Humanisierung der Schule« und »Friedenserziehung«: Zwei Reaktionen
  3. Skandalisierung schulischer Gewalt im Zeichen von deutscher Einheit und Fremdenfeindlichkeit
  4. Die gewaltfreie Schule als Utopie und Zumutung
  5. Gewalt und Gewaltabbau in der Schule: Ein Fazit

Anmerkungen

Gewalt und Gewaltprävention sind herausgehobene Themen der aktuellen Debatte über Schule und Aufwachsen. Erziehungsanstalten werden immer wieder als Orte der Gewalt thematisiert, die sich von körperlichen Übergriffen auf Schüler/innen oder auch auf Lehrer/innen und sexuellem Missbrauch bis hin zu Mobbing erstreckt. Zugleich sind mit den Institutionen der Erziehung aber auch die Hoffnung und der Anspruch einer umfassenden gesellschaftlichen Zivilisierung verbunden.

Wie sich Gewalt in der jüngeren bundesdeutschen Zeitgeschichte verändert hat, ist dabei umstritten. Zwei Deutungen stehen sich gegenüber: Auf der einen Seite haben sowohl die Massenmedien als auch Bildungsexperten immer wieder eine Verrohung schulischer Interaktion diagnostiziert. Berichte, dass »Gewaltakte […] stark zugenommen« haben und sogar eine »Explosion der Gewalt« an westdeutschen Schulen zu verzeichnen sei, bilden einen roten Faden der Berichterstattung seit den 1970er-Jahren.[1] Renommierte Wissenschaftler wie der Soziologe Ulrich Beck konstatierten immer wieder eine »ansteigende Gewalt gegen Lehrer, vor allem in den Großstädten«, und selbst das »Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte« sah 1998 in der Zunahme von »Chaos und Anarchie« und »blinder Zerstörungswut« einen bemerkenswerten Trend der Zeit nach 1945.[2] Zu dieser einflussreichen Sicht gibt es jedoch eine gegenläufige Deutung, die gerade in einem umfassenden Abbau von Gewalt den Fluchtpunkt des Wandels zumindest der westlich-demokratischen Gesellschaften seit 1945 erblickt. Ein politischer wie kultureller Einflussverlust des Militärs, eine Neuausrichtung polizeilichen Handelns, aber auch ein Verzicht auf illegitime Gewalt im Strafvollzug und in der Familie bilden in dieser Hinsicht Merkmale einer säkularen gesellschaftlichen Zivilisierung. Grundlegende Interpretationsmuster bundesdeutscher Geschichte wie die Modelle der »Westernisierung« oder »Liberalisierung« beruhen wesentlich auf der Annahme, dass in den Nachkriegsjahrzehnten autoritäre und gewaltaffine Einstellungen und soziale Praktiken von zivilen, dezidiert »friedlichen« abgelöst worden seien.[3] Die Abkehr von der Gewalt wird dabei teils als bewusste Anstrengung verstanden, die Massengewalt des Zeitalters der Weltkriege hinter sich zu lassen, teils als säkularer Trend, der sich gleichsam hinter dem Rücken der Akteure vollzogen habe. Unbestreitbar bildet jedoch der Erziehungsbereich – mit Familie und Schule im Mittelpunkt – ein zentrales Feld, in dem diese Abkehr bisher empirisch nachverfolgt worden ist.[4] Die flächendeckende Abschaffung der Prügelstrafe als Erziehungsmittel an Schulen im Übergang zu den 1970er-Jahren, die Ablösung des Begriffs der »elterlichen Gewalt« durch das Konzept der »elterlichen Sorge« im bundesdeutschen Familienrecht der 1980er-Jahre sowie schließlich das im Juli 2000 verabschiedete Gesetz, demzufolge Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben, markieren in dieser Sicht Etappen einer allgemeinen Zivilisierung.[5]

http://libgen.io/comics0/_0DAY2/%5BDe%5D/BDs%20%5BDe%5D/B/Bouncer/Bouncer%2009%20-%20And%20Back.cbr
Der Schulhof wird oft als Ort der Freiheit, aber auch der Gewalt und Eingrenzung imaginiert. Das Bild stammt aus dem Wettbewerb um den Deutschen Jugendfotopreis,
der seit 1962 in mehreren Alterskategorien die besten Fotos von Kindern, Jugendlichen und jungen Fotografen unter
26 Jahren auszeichnet.
(Deutsches Historisches Museum,
Sammlung Deutscher Jugendfotopreis, LD 2009/8.4397;
Foto: Colin Gleichmann, Hannover 1984)

Der vorliegende Beitrag nimmt diesen Deutungswiderspruch zum Ausgangspunkt einer Untersuchung schulischer Gewalt zwischen Anfang der 1970er-Jahre, als sich in der Folge von »1968« die Debatte grundlegend veränderte, und der Jahrtausendwende, an der sich die Eckpunkte einer wiederum gewandelten Thematisierung schulischer Gewalt zeigen. Der Aufsatz schlägt eine neue Lesart vor, die den Gegensatz der konkurrierenden Thesen von Gewaltzunahme und Gewaltabnahme aufhebt sowie zugleich neue Perspektiven auf die Bildungs- und Gesellschaftsgeschichte der 1980er- und 1990er-Jahre eröffnet.

Sozialwissenschaftler/innen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten intensiv mit Umfang, Facetten und teilweise auch Veränderungen schulischer Gewalt befasst. Anhand statistischer Befragungen von Schulleitungen, Lehrkräften und Schüler/innen ging und geht es den Forscher/innen darum, populäre Annahmen über Schulgewalt zu prüfen und zugleich eine valide Grundlage für gewaltpräventive Maßnahmen zu schaffen.[6] Diese Studien sind bedeutsam, aber aus zwei Gründen als Grundlage einer vertieften historischen Untersuchung wenig geeignet. Erstens gehen sie von einer eindeutigen Gewaltdefinition aus; deshalb vermögen sie den Wandel des Konzepts der Gewalt selbst und die damit verbundenen Veränderungen von Wahrnehmungen, Hoffnungen und Befürchtungen kaum einzufangen.[7] Zweitens blenden die meisten sozialwissenschaftlichen Studien die massenmediale und private Thematisierung von Gewalt weitgehend aus. Eindrücke von Journalisten, Lehrern und Eltern werden in der Regel lediglich als zu überprüfende Hypothesen betrachtet und an der »realen« Gewaltentwicklung gemessen. Für die vorliegende Untersuchung erscheint es dagegen sinnvoll, gerade die Diskrepanz von sozialwissenschaftlichen Befunden und populären Wahrnehmungen für die historische Analyse fruchtbar zu machen.[8] In dieser Perspektive interessiert dann nicht nur, ob bestimmte Gewaltformen quantitativ zu- oder abnahmen, sondern auch, was zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Akteuren als Gewalt definiert wurde, welche Gewaltursachen identifiziert und welche Maßnahmen zur Eindämmung von Gewalt vorgeschlagen und umgesetzt wurden.

Deutungen schulischer Wirklichkeit und ihr Wandel, wie sie sich in der Tages- und Wochenpresse sowie in pädagogischen Zeitschriften erkennen lassen, stehen im Mittelpunkt der folgenden Argumentation. Doch wird darüber hinaus auch versucht, das Wechselspiel von Wahrnehmungen einerseits, Bildungspolitik und Schulpraxis andererseits zu erfassen. Denn es war gerade das Mit- und Gegeneinander von öffentlicher Kontroverse, Expertenhandeln und Schulalltag, das der Gewaltfrage ihre weitreichende gesellschaftliche Dynamik verlieh. Um diese in den Blick zu bekommen, wird zunächst eine wirkmächtige Verschiebung der Konzepte schulischer Gewalt zu Beginn der 1970er-Jahre beschrieben sowie mit den Folgen von »1968« und der Bildungsreformära in Verbindung gesetzt (1.). Daran anknüpfend werden zwei einflussreiche Ansätze geschildert, Schulen zu gewaltfreien Orten umzugestalten (2.), bevor die erneute Ausweitung des Gewaltbegriffs in den 1990er-Jahren skizziert (3.) und deren widersprüchliche Folgen diskutiert werden (4.). Zum Schluss werden die Ergebnisse auf die allgemeine Frage nach dem Wandel von Gewalt in der bundesdeutschen Zeitgeschichte bezogen (5.).

1. Von prügelnden Lehrern zur Schule im Kriegszustand

Gewalt in Schulen war bereits lange vor 1970 ein vieldiskutiertes Thema. Bis Anfang der 1970er-Jahre kreiste die mediale wie fachliche Auseinandersetzung jedoch hauptsächlich um die Prügelstrafe, also um körperliche Gewalt von Lehrern gegen Schüler.[9] Angesichts einer vermeintlichen »Verrohung« von Jugendlichen durch den Krieg, »unvollständiger« Familien sowie zunächst sehr großer Schulklassen hielt eine Mehrzahl der Pädagogen und Eltern auch nach 1945 Körperstrafen als ultima ratio erzieherischen Handelns für unverzichtbar.[10] Zwar versuchten einige Kultusminister in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, Prügel an den Schulen zu ächten, und die 5. Kammer des Bundesgerichtshofs (BGH) erklärte sie in einem bahnbrechenden Urteil vom Juli 1954 für grundrechtswidrig. Doch gelang es den nach wie vor zahlreichen Befürwortern mit einer breiten Mobilisierungskampagne, im Oktober 1957 ein gegenteiliges Urteil der 2. Kammer des BGH zu erwirken. Erst an der Wende zu den 1970er-Jahren verbannten die einzelnen Bundesländer in einer raschen Folge die Prügelstrafe aus den Schulen. Zugleich wurde das Gewalthandeln in der Fürsorgeerziehung und in der beruflichen Ausbildung zunehmend kritisiert.[11]

http://libgen.io/comics0/_0DAY2/%5BDe%5D/BDs%20%5BDe%5D/B/Bouncer/Bouncer%2009%20-%20And%20Back.cbr
»Prügelselle in die Gummizelle«,
»Sch[ül]er lasst das Duck[en] sein«:
Protest gegen einen angeblich prügelnden Lehrer
an der Timm-Kröger-Schule in Kiel, März 1969
(Stadtarchiv Kiel, Fotoarchiv, 2.3 Magnussen 22065,
Foto: Friedrich Magnussen, CC BY-SA 3.0 DE)

Die Ächtung körperlicher Strafen beendete die Diskussion um schulische Gewalt jedoch keineswegs. Vielmehr erhielt in einer spektakulären Wendung die Gewalt von und zwischen Schülern neue Aufmerksamkeit. Es war dabei gerade die Abschaffung von Körperstrafen, die einer neuen Problematisierung schulischer Interaktionen unter dem Begriff der Gewalt den Weg ebnete. Zwar waren sich auch die meisten konservativen Pädagogen darüber einig, dass es ein Zurück zur »alten Strenge« und »schroffen Machtautorität« nicht geben dürfe, da Erwachsene wie Kinder seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs »auf dem Wege der Freiheit ein gutes Stück vorangeschritten« seien, wie der katholische Pädagoge und Theologe Alois Fischer Mitte der 1960er-Jahre feststellte.[12] Doch warf die Abkehr von autoritären Erziehungsstilen unmittelbar neue Fragen auf, indem »Zerrformen und Irrwege im Gebrauch der Freiheit« deutlicher hervorzutreten schienen und nach neuen erzieherischen Lösungen verlangten.[13] Mit Disziplinproblemen waren in den 1960er-Jahren stets auch Schwierigkeiten von Lehrern angesprochen, überkommene Strafpraktiken hinter sich zu lassen.[14] Doch verschob sich die Perspektive zunehmend auf Normüberschreitungen von Schülern. Die bereits um 1970 »viel beschworene Krise der Schuldisziplin« bezog sich nun fast ausschließlich auf das Fehlverhalten von Schülern. Dessen Ursache wurde zugleich nicht länger im jugendlichen Charakter gesehen, sondern in problematischen Sozialisationsbedingungen.[15]

Innerhalb weniger Jahre veränderte sich die Debatte grundlegend. Dies zeigt sich zunächst im Siegeszug des Gewaltbegriffs, der zunehmend an die Stelle von Begriffen wie »Disziplinschwierigkeiten« oder »abweichendem Schülerverhalten« trat.[16] Über die bildungspolitischen Lager hinweg bemächtigte sich ein neuer dramatischer Ton der Debatte und hob sie deutlich vom Reformoptimismus der vorangegangenen Jahre ab. Lehrer diagnostizierten eine »Eskalation von Aggressivität und Gewalt unter den Kindern, wie sie sie in ihrer bisherigen Dienstzeit noch nicht erlebt zu haben glauben«, und sahen Schule geprägt »durch Vandalismus und Kriminalität – Raub, Erpressung, Überfall und Drogenhandel«.[17] Die Klagen kamen dabei keineswegs nur von konservativer Seite. Auch links-alternative Pädagogen sprachen von einem neuartigen »›Kriegszustand‹ an unseren Schulen«, einer »Zunahme an Gewaltsamkeit unter Schülern, zwischen Schülern und Lehrern, aber auch eine Zunahme an Zerstörungen von Gebäuden und Sachen, in einem fantastischen Ausmaß«.[18] In solchen Diagnosen wird ein tiefgreifender Wahrnehmungswandel erkennbar.

Plakat des Grafikers Manfred Spies mit einem Foto des Deutschen Kinderschutzbundes, 1979 – zunächst als Großplakat im öffentlichen Raum verwendet, dann als Poster gedruckt (Wikimedia Commons, Manfredspies, Wir lernen schnell grossplakat, CC BY-SA 3.0)
Plakat des Grafikers Manfred Spies
mit einem Foto des Deutschen Kinderschutzbundes, 1979 –
zunächst als Großplakat im öffentlichen Raum verwendet,
dann als Poster gedruckt
(Wikimedia Commons, Manfredspies,
Wir lernen schnell grossplakat, CC BY-SA 3.0)

Dieser Wandel hatte eine Reihe von Ursachen. Zunächst trug das Einsickern von Elementen der Kritischen Theorie in den pädagogischen Diskurs zu einer Erweiterung des Gewaltverständnisses bei. Zwar beschäftigten sich die neuen »kritischen« Intellektuellen hauptsächlich mit der Familie als Gewaltordnung, in der das Kind »als körperlich und seelisch unterlegenes Wesen seinen Eltern völlig ausgeliefert« sei, doch rückte in der Verknüpfung von Kapitalismus, Autorität und Gewalt auch die Schule in das Blickfeld.[19] Dabei verschob sich das Problem schulischer Gewalt zunehmend von der Frage eines Überhangs traditioneller Erziehungsformen zur Frage einer inhärenten Gewalttätigkeit der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft der Gegenwart. Deren brachiales Leistungsdenken, Gefühlsarmut und Kinderfeindlichkeit, darin waren sich am Ende der 1970er-Jahre linke wie konservative Pädagogen einig, wirke gewaltfördernd.[20] Mit dem Ende von Körperstrafen war Gewalt somit keineswegs aus den Schulen verbannt. Vielmehr offenbarte sie sich den Zeitgenossen in einer schillernden Vielfalt und gewann als »unpersönliche« Struktur eine Omnipräsenz.[21]

Diese Verschiebung wurde durch die Wahrnehmung gewalttätiger Konflikte in anderen westlichen Industriestaaten verstärkt, die sich in Bildern sozialer Desintegration und Degeneration kondensierte. Beschreibungen von »Rassenunruhen«, zerfallenden Innenstädten und einer Gewalteskalation in amerikanischen Klassenzimmern gehörten seit 1970 zum festen Bestandteil bundesdeutscher Schuldebatten.[22] Die Berichte aus den USA erschienen wie ein beunruhigender Blick in die Zukunft der westdeutschen Schule. Wir wissen erst wenig über die Gewaltdebatten in anderen europäischen Gesellschaften. Doch deutet einiges darauf hin, dass die Krisenwahrnehmung in der Bundesrepublik besonders ausgeprägt war. Dies lag einerseits an der spezifischen Infragestellung von »Autorität« als Reaktion auf die NS-Vergangenheit, andererseits an der Vehemenz der bildungspolitischen Neuausrichtung in den 1960er-Jahren. Die Reportagen über Gewaltexzesse an US-Schulen erlangten unter Pädagogen dabei auch vor dem Hintergrund einer Eintrübung der bildungspolitischen Großwetterlage Plausibilität.

Mit dem Ende des langen Wirtschaftsbooms traten die Grenzen der Bildungsreform und damit auch die Grenzen sozialer Aufstiegsversprechen im Zeichen der Chancengleichheit deutlich hervor.[23] Geringere Berufschancen und der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit schienen den Schulbesuch zu entwerten und wurden zeitgenössisch als wesentliche Ursache von Gewalthandeln gesehen: »Je mieser die Zukunftsaussichten [...], desto aggressiver sind die Schüler.«[24] Dabei rückten vermehrt »Verlierer« der Bildungsreformära an nicht-gymnasialen Schulformen in den Fokus, die sich einerseits mit einer Ausweitung der Schulpflicht und erhöhten Leistungsanforderungen konfrontiert sahen, andererseits aber mit schwindenden Zukunftschancen. Die Klagen über eine Zunahme »schwieriger« Schüler, von Unterrichtsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten können auf diese Entwicklung bezogen werden.[25] Weniger leicht einzuschätzen sind demgegenüber die Auswirkungen eines Wandels von Familie und Medienkonsum auf die Schulpraxis, die zeitgenössisch immer wieder mit einer Verrohung des Schülerverhaltens in Verbindung gebracht wurden. Gegenüber den kulturpessimistisch gefärbten Klagen familiärer Verwahrlosung und sozialer Isolierung ist jedoch Skepsis geboten.[26]

Die neue Problematisierung von Gewalt stand eindeutig im Kontext schulischen Wandels nach »1968«. Viele Schüler wurden durch die kulturellen Erschütterungen der späten 1960er-Jahre beeinflusst und waren nicht mehr bereit, sich schulischen Autoritäten kritiklos unterzuordnen. Auch wenn nur ein kleiner Teil von ihnen dezidiert politische Partizipationsansprüche in der Schule stellte, traten viele Heranwachsende im Klassenzimmer selbstbewusster auf.[27] Diese »neuen« Schüler trafen auf eine Kohorte junger Lehrerinnen und Lehrer, die im Zuge der Bildungsexpansion in den Schuldienst eintraten und vielfach von den Reformidealen »repressionsarmer Erziehung« und demokratischer Schulgestaltung beeinflusst waren.[28] Lehrer/innen sollten nicht länger nur als Wissensvermittler und Moralerzieher traditionellen Zuschnitts, sondern auch als Sozialarbeiter und Therapeuten wirken, um die bestmögliche Förderung jedes Kindes sowie damit Chancengleichheit und soziale Mobilität zu erreichen.[29]

Diese Ausweitung der Anforderungen trug wesentlich dazu bei, dass der ursprüngliche Reformoptimismus in Ernüchterung umschlug. Fragen von Unruhe und Aufbegehren, Ordnung und Disziplin traten auf neue Weise in den Mittelpunkt der Schuldebatten. Fälle schulischer Gewalt schienen Indikatoren eines umfassenden Krisenszenarios zu sein, wobei nicht mehr die alte autoritäre Schule, sondern die neue Schule der Bildungsreformära auf die Anklagebank geriet. Die verschiedenen Reformmaßnahmen, davon waren immer mehr Beobachter überzeugt, hätten die Schule als soziale Institution gravierend beschädigt. Selbst Lehrkräfte an bürgerlich geprägten Gymnasien vermerkten irritiert, dass trotz umfassender Reformmaßnahmen Unterrichtsstörungen eher zu- als abnahmen.[30] Die neue Schulkritik setzte sich aus einer Reihe einflussreicher Punkte zusammen. Zunächst beklagten sowohl konservative wie auch links-alternative Pädagogen eine vermeintliche Überforderung der Schüler/innen durch wissenschaftspropädeutische Leitlinien und ein verwissenschaftlichtes Curriculum. Die »Szientifizierung des Klassenzimmers« setze die Schülerschaft einem erhöhten Leistungs- und Konkurrenzdruck aus und zerstöre damit die sozialen Fundamente von Bildung und Erziehung.[31] Schule, so fasste der »Spiegel« 1976 diese Kritik mit Verweis auf den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU) prägnant zusammen, sei »für immer mehr Schüler immer schwieriger geworden. [...] Alles deutet darauf hin, daß es den Kindern, denen doch eigentlich geholfen werden sollte, schlechter geht denn zuvor.«[32] In den Folgejahren rückten bei dieser Perspektive innerstädtische Großstadtschulen und dann immer mehr »Gastarbeiterkinder« in den Fokus der Gewaltdebatte.[33] In ihnen schienen sich die Probleme schwindender Zukunftschancen und eines dysfunktionalen Schulwesens auf besondere Weise zu konkretisieren.

Eine zweite Kritik richtete sich gegen die vermeintliche Zerstörung bewährter Schulstrukturen: »Der Wildwuchs an Neuerungen und Experimenten stiftete Verwirrung auf allen Seiten.«[34] Indem starre Klassenstrukturen und Kleinstschulen zugunsten differenzierter Kurssysteme und großer Schulzentren aufgelöst würden, beförderten die Reformen, so eine verbreitete Wahrnehmung, eine Anonymisierung von Schule und leisteten damit der Gewalt Vorschub. Der medial sehr präsente Pädagoge Hartmut von Hentig argumentierte etwa, dass Gemeinschaft – weiterhin ein Leitstern pädagogischer Debatten der 1970er-Jahre – als Bedingung und Ziel erfolgreicher Schule aus dem Blick geraten sei, obwohl diese in einer durch »serienmäßige, rationalisierte, entpersonalisierte Verfahren« gekennzeichneten Gegenwart an Bedeutung noch gewonnen habe.[35] Gewaltfördernd erschien auch die architektonische Gestaltung der neuen Schulzentren, die oft im modernistischen Stil und häufig mit Beton als wichtigstem Baustoff errichtet wurden und den Schüler/innen räumliche und zeitliche Nischen zu gewähren schienen, in denen sie sich der Kontrolle durch Lehrpersonen entziehen konnten.[36]

Das Foto, das einen Schulbau im niedersächsischen Landkreis Diepholz zeigt, trug den Originaltitel »Meine Schule. Ein Alptraum«. Beim Wettbewerb um den Deutschen Jugendfotopreis wurde es eingereicht für das Sonderthema »Traum-Bilder«. (Deutsches Historisches Museum, Sammlung Deutscher Jugendfotopreis, LD 2009/8.5056; Foto: Peter Rolfs, Weyhe 1987)
Das Foto, das einen Schulbau im niedersächsischen Landkreis Diepholz zeigt, trug den Originaltitel »Meine Schule. Ein Alptraum«. Beim Wettbewerb um den Deutschen Jugendfotopreis wurde es eingereicht für das Sonderthema »Traum-Bilder«.
(Deutsches Historisches Museum,
Sammlung Deutscher Jugendfotopreis, LD 2009/8.5056;
Foto: Peter Rolfs, Weyhe 1987)

Die Auseinandersetzung über schulische Gewalt hatte sich somit innerhalb weniger Jahre deutlich gewandelt. Nicht mehr traditionelle Erziehungsmethoden und »autoritäre« Lehrergewalt, sondern die moderne Schule und ihre Schüler/innen standen Mitte der 1970er-Jahre im Zentrum der Problemwahrnehmung. Die in der Retrospektive kaum verständliche Skandalisierung schulischer Gewalt erklärt sich nicht zuletzt aus den Erschütterungen, die die Bildungsreformen für Schulen und Elternschaft bedeuteten, sowie aus dem Kontrast der hohen Erwartungen vieler Lehrerinnen und Lehrer, an einer umfassenden Demokratisierung der Schule mitzuwirken, mit den Alltagserfahrungen der post-reformerischen Schule.

2. »Humanisierung der Schule« und »Friedenserziehung«:
Zwei Reaktionen

Die kulturpessimistischen Diagnosen moderner Schulwirklichkeit mündeten in Reflexionen über Strategien der Gewaltprävention, die immer auch als Überlegungen im Hinblick auf das Erbe der Reformära verstanden werden müssen. Einflussreiche Bildungspolitiker, Pädagogen und Lehrerinnen sahen in der »neuen Schule« die Probleme der Gegenwartszivilisation verdichtet, aber sie imaginierten sie zugleich als Raum, in dem eine gesellschaftliche Erneuerung ihren Anfang nehmen könne. Der Pädagoge Ulf Preuss-Lausitz formulierte diese Sicht 1984 paradigmatisch: »Schule ist ein Ort von Unterdrückungserfahrung (für Schüler und Lehrer), zugleich aber ein Ort, an dem eine Bearbeitung und Verarbeitung dieser Erfahrung möglich ist.«[37]

Die Projekte innerer Schul- und Gesellschaftsreform, die sich in den Gewaltdebatten der 1970er-Jahre herausschälten, können dabei nicht allein oder auch nur mehrheitlich einem konservativen Erziehungslager zugeordnet werden, das in der Erforschung der Post-Reformära bisher die meiste Aufmerksamkeit gefunden hat. Vielmehr lassen sich mehrere Erneuerungspläne unterscheiden. Schulreformen kamen mit dem Abschluss der Bildungsreformära keineswegs zum Erliegen. Allerdings verschoben sich die Anstrengungen zunehmend von der Makroebene des Schulsystems auf die schulische Mikroebene. Nicht länger eine umfassende Schulplanung am Reißbrett, sondern eine Verbesserung der Lehrer-Schüler-Interaktionen und des »Schulklimas« erschien einem breiten Spektrum von Akteuren als der beste Weg, um die Schulkrise der 1970er-Jahre hinter sich zu lassen.[38] Angesichts der finanziellen und politischen Grenzen einer Reform »von oben« loteten Bildungsexperten und Pädagogen aller Couleur nun Möglichkeiten einer Reform »von unten« aus. Die Minimierung von Gewalt an Schulen diente ihnen dabei sowohl als Legitimationsgrundlage ihres Handelns wie auch als positives Ziel.

Die Reformansätze waren äußerst vielgestaltig. Im Folgenden können aus Platzgründen mit der Bewegung zur »Humanisierung der Schule« und der neuen Friedenspädagogik nur zwei besonders einflussreiche Strömungen der Zeit um 1980 vorgestellt werden. Andere Initiativen, etwa die einige Jahre lang breit rezipierte Methode der »Verhaltensmodifikation« oder auch medienpädagogische Initiativen, müssen unberücksichtigt bleiben.[39]

Mitte der 1970er-Jahre formierten sich viele Bildungspolitiker, Pädagogen und Eltern unter dem Banner einer »Humanisierung der Schule«.[40] In einem programmatischen Aufsatz formulierte der Erziehungswissenschaftler Kurt Aurin, der in den 1960er-Jahren selbst an prominenter Stelle in die baden-württembergischen Bildungsreformen eingebunden gewesen war, Eckpunkte einer neuen »humanen« Schulordnung und gab der Bewegung damit eine Gestalt.[41] Er diagnostizierte nach einem Jahrzehnt Reformpolitik Symptome eines »überanstrengten« Schulsystems. Eine »Tendenz zu Aggressionen, zur Nervosität, zur Neurotisierung des Verhaltens«, die sich in »Zerstörungswut, Vandalismus« niederschlage, präge die Bildungseinrichtungen. Um diesen Trend umzukehren, schlug er dreierlei vor. Erstens sollten sich Schulen als Gegengewicht zu einer zunehmend unpersönlichen, durch ungesunde Konkurrenzverhältnisse gekennzeichneten Schulumwelt verstehen, persönliche Beziehungen von Lehrern und Schülern neu ermöglichen sowie dadurch eine »Schulatmosphäre des mitmenschlichen Umgangs« schaffen. Zweitens sollte die Verwissenschaftlichung des Unterrichts durch eine neue Betonung »sozialer und personaler Erfahrungen« sowie eine Aufwertung musischer und künstlerischer Fächer ausgeglichen werden. Erzieherisches Handeln habe die anthropologische Konstitution des Kindes und nicht abstrakte Lernziele zu beachten.[42] Schließlich sollten die Schulen räumlich übersichtlicher gestaltet werden und auch architektonisch Geborgenheit vermitteln.

Dieses Programm war Teil einer konservativen Gegenbewegung zur sozial-liberalen Reformpolitik. Die Einwände hatten oftmals eine bildungsbegrenzende Stoßrichtung, wenn etwa gegen einen dynamischen Begabungsbegriff die »natürlichen« Begabungsunterschiede zwischen Kindern behauptet wurden. Auch die Betonung von Werten wie Verbindlichkeit schloss an konservative Überlegungen der Zeit an. Es war kein Zufall, dass Wissenschaftler wie Aurin am Bonner Kongress »Mut zur Erziehung« im Januar 1978 teilnahmen, der gemeinhin als Kristallisationspunkt konservativer Gegenreform im Bildungsbereich verstanden wird.[43] Doch so berechtigt diese Zuordnung einerseits ist, so wenig darf andererseits übersehen werden, dass die Protagonisten einer breiten, politisch nicht eindeutigen Stimmung in der Lehrer- und Elternschaft Ausdruck verliehen. Viele ihrer Ansichten und Lösungsvorschläge wurden von »progressiven« Pädagogen geteilt.[44] Ein langer Beitrag in der politisch eindeutig links zu verortenden Erziehungszeitschrift »PädExtra« vom November 1978 über »Kinder der Gewalt« skizzierte beispielsweise nicht nur drastisch einen »Kriegszustand auf den Schulhöfen«, sondern forderte – »gegen die Wechselwirkung von Beton und Gewalt« – ähnlich wie Aurin eine neue Schularchitektur sowie eine Hinwendung zum einzelnen Schüler im Zeichen einer »Faszination für das Menschliche«.[45] Auch in den 1990er-Jahren forderten gewerkschaftsnahe Autoren »kleinere Lerngruppen [...], eine freundliche Schularchitektur und Raumgestaltung« sowie eine »gelassene Atmosphäre des Vertrauens« als Maßnahmen zur Gewaltprävention.[46] Eine große Mehrheit der maßgeblichen Pädagogen war Ende der 1970er-Jahre überzeugt, dass die Aporien der Bildungsreformära nur durch den Aufbau einer »menschlichen« Schule überwunden werden könnten.

»Dafür setzen wir uns ein / Schule kann auch anders sein«:
Dokumentarfilm von 1976 über die Laborschule Bielefeld, die
1974 zusammen mit dem benachbarten Oberstufen-Kolleg gegründet worden war –
auf Initiative des Erziehungswissenschaftlers Hartmut von Hentig,
der über eine Reform des Unterrichts und der Lehrer-Schüler-Beziehungen
eine »humane«, gewaltlose Schule verwirklichen wollte

Parallel zu den Humanisierungsdebatten etablierte sich eine zweite einflussreiche Strömung innerer Schulreform, die sich am Begriff des Friedens orientierte und in enger Beziehung zur politischen Friedensbewegung der späten 1970er- und der 1980er-Jahre stand. Sie suchte nach Wegen, um Schulen in Laboratorien und Vorposten einer gesamtgesellschaftlichen Kultur des Friedens umzugestalten. Für viele Pädagogen stand fest, dass die Blockkonfrontation des Kalten Kriegs auch das Innenleben der Bildungseinrichtungen auf eine beunruhigende Weise präge.[47] Der schon genannte Aufsatz in »PädExtra« von 1978 konstruierte sogar eine Analogie zwischen dem weltpolitischen Systemgegensatz und dem gewalttätigen Schulleben: »Unsere Schulbauten und Schuleinrichtungen haben etwas vom Typ des Wettrüstens an sich.«[48] Als Ort struktureller Gewalt sei Schule von derselben Konfrontationslogik geprägt wie die Weltpolitik. Durch die Anschaffung immer robusterer Schulgegenstände und ein Desinteresse an der seelischen Verfassung der Schüler trügen die Schulverwaltungen zu einer Eskalation der Gewalt bei.

Mit dieser Analyse weiteten die Friedenspädagogen die Begriffe Gewalt und Frieden über ältere Ansätze einer Friedenserziehung aus, der es seit dem Ende des Ersten Weltkriegs vor allem um den Abbau von militaristischen Einstellungen und Feindbildern sowie um internationale Versöhnung gegangen war.[49] Die Methoden älterer Friedenspädagogik, wie Kampagnen gegen Kriegsspielzeug, Schulbuchrevisionen zur Entfernung chauvinistischer und militaristischer Äußerungen oder die Förderung eines internationalen Schüleraustauschs, wurden keineswegs abgelehnt, erschienen angesichts des Bedrohungsszenarios der Gegenwart aber als unzureichend, da sie die Ursachen gesellschaftlicher Gewalt nicht berücksichtigten. Moderne Friedenserziehung habe grundsätzlicher anzusetzen und die Psyche von Schülern und Lehrern ebenso in den Blick zu nehmen wie die »strukturellen« Machtbeziehungen und Kommunikationsbedingungen von Schule.

Maßnahmen zur Schulreform konnten vor diesem Hintergrund vielfältig sein – sie reichten von Projekten zum konstruktiven Umgang mit Aggressionen bis hin zur Propagierung »humaner Kommunikations- und Interaktionsformen« und der Teilnahme an Demonstrationen gegen das Wettrüsten.[50] Die neue Friedenspädagogik erzielte dabei durchaus praktische Effekte. Im Frühjahr 1981 veranstaltete etwa die Schülervertretung der Gesamtschule Köln-Holweide einen großen Aktionstag unter dem Motto »Unsere Schule ist atomwaffenfrei«, an dem 4.000 Kölner Schüler/innen teilnahmen. Der Tag umfasste die Vorführung von Anti-Kriegs-Filmen, ein politisches Kabarett und eine Diskussionsveranstaltung, in der Bundeswehroffiziere mit Kriegsdienstverweigerern debattierten. Im Anschluss an das Fest gründeten Lehrerinnen und Lehrer der Schule eine Friedens-AG, die Projekttage zum Thema Frieden vorbereitete und Unterrichtsmaterial zusammenstellte. Höhepunkt der breiten, auch die Elternschaft einbeziehenden Mobilisierung war der Beschluss der Schulkonferenz im September 1983, die Gesamtschule zur atomwaffenfreien Zone zu erklären. Schon im November 1982 hatte eine Schülervollversammlung der Gesamtschule Köln-Zollstock, an der 1.000 Schüler teilnahmen, unter »lang anhaltendem Beifall« ihre Schule für atomwaffenfrei erklärt.[51] Die Breitenwirkung solcher Aktionen ist schwer zu bestimmen, doch finden sich im gesamten Bundesgebiet ähnliche Erklärungen wie auch Proteste gegen den Umbau von Schulkellern zu Bunkerräumen. Schulen stellten einen Mobilisierungsschwerpunkt der Friedensbewegung im Herbst 1983 dar.[52]

Demonstration gegen den NATO-Doppelbeschluss an der Otto-Hahn-Oberschule in Berlin-Neukölln (Otto-Hahn-Schule, Fotosammlung »Tag der Schulen« 1983, Fotograf/in unbekannt)
Demonstration gegen den NATO-Doppelbeschluss an der Otto-Hahn-Oberschule in Berlin-Neukölln
(Otto-Hahn-Schule, Fotosammlung »Tag der Schulen« 1983,
Fotograf/in unbekannt)

Trotz ihrer Unterschiede waren sowohl die Bewegung »Humanisierung der Schule« als auch die neue Friedenserziehung Teile einer allgemeinen schulreformerischen Wende in den 1970er-Jahren. War es im vorangegangenen Jahrzehnt vor allem um die Schaffung eines leistungsstarken, international konkurrenzfähigen Bildungs- und Gemeinwesens sowie um den Abbau sozialer Gegensätze im Zeichen von Chancengleichheit gegangen, so sollte Schule nun die zahlreichen Defekte einer Gesellschaft kurieren, die sich in einer inneren wie weltpolitischen Krise zu befinden schien. Zwei Entwicklungen erwiesen sich dabei als längerfristig einflussreich. Zum einen legte die neue Orientierung eine Ausweitung bildungspolitischer Interventionen in den Schulalltag nahe. Zum anderen stiegen die Anforderungen an Lehrer/innen, Kompetenzen als Therapeuten, Sozialarbeiter und Konfliktmanager zu entwickeln und sich auch jenseits des Fachunterrichts den Schüler/innen zuzuwenden. Der Berliner Erziehungswissenschaftler Rainer Winkel fasste dies 1985 pointiert zusammen: »Auf uns Lehrern lastet ein zunehmender Druck von irrealen Erwartungen auf der einen und realen Möglichkeiten auf der anderen Seite. Wir sollen Hunderttausende von Gastarbeiterkindern integrieren, Lernfreude vermitteln, die Schwachen fördern, Menschenbildung ermöglichen, Vertrauen stiften, offenen Unterricht praktizieren, vielleicht sogar Atomraketen hinwegdemonstrieren.« Dies alles münde in eine »Erfahrung wachsender Schwierigkeiten«.[53] Die neuen Ansprüche einer demokratischen, menschlichen und friedfertigen Schule wurden von vielen Lehrer/innen als Zumutung und Überlastung erfahren.

3. Skandalisierung schulischer Gewalt im Zeichen von
deutscher Einheit und Fremdenfeindlichkeit

Schulische Gewalt blieb über die 1970er-Jahre hinaus ein wichtiges Thema öffentlicher Debatten. Ein Indiz hierfür ist ein vielbeachteter Artikel im »Spiegel« vom April 1988, der – wiederum – über eine signifikante Zunahme von Gewalt berichtete und in dieser Hinsicht einen »epochalen Wandel« diagnostizierte: Es sei ein »Umbruch des Schulklimas« zu beobachten, ein besorgniserregender »kultureller Wandel von Kindheit und Jugend«.[54] Auch in pädagogischen Kreisen blieb das Thema virulent. Ein Kongress zum Thema »Disziplinkonflikte und Verhaltensstörungen in der Schule« versammelte im Mai 1988 mehr als 1.000 Fachleute in Hamburg.[55] Die Annahme einer Eskalation von Gewalt führte die Bundesregierung im Dezember 1987 dazu, eine »Unabhängige Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt« einzusetzen. In ihrem voluminösen Abschlussbericht wies diese gerade auch der Schule eine herausgehobene Rolle im Kampf um eine friedliche Gesellschaft zu.[56]

Während der Kommissionsbericht wiederholt vor einer Überzeichnung schulischer Gewalt warnte, erlebte diese nach der deutschen Einheit eine neue, ungeahnte Skandalisierung. Die Integration einer großen Kohorte ostdeutscher Schüler/innen und Lehrer/innen in ein gesamtdeutsches Bildungswesen und die damit verbundene Unsicherheit über die Nachwirkungen von Diktaturerfahrungen bildete hierfür sicherlich einen wichtigen Hintergrund. Es fällt aber auf, dass die spezifischen ostdeutschen Traditionen und ihre Auswirkungen auf die Nachwendezeit von den westdeutsch geprägten Forschern und Pädagogen wenig thematisiert wurden. Gleiches gilt für die zunehmende ethnische Heterogenität der Schülerschaft, die zwar als ein Element der neuen pädagogischen Herausforderungen wahrgenommen wurde, aber keineswegs im Zentrum der Gewaltdebatte stand.

Den unmittelbaren Auslöser für diese Debatte stellten die wiederholten ausländerfeindlichen Gewaltakte dar, die in den frühen 1990er-Jahren die Bundesrepublik erschütterten und »weite Teile der Öffentlichkeit in Alarmstimmung« versetzten.[57] Obwohl die Übergriffe keinen unmittelbaren Bezug zur Schule aufwiesen, erschienen sie westdeutschen Pädagogen als Bestätigung ihrer seit langem gehegten Sorge vor einer Brutalisierung der Jugend. Bereits 1997 resümierte eine Gruppe prominenter Soziologen und Erziehungswissenschaftler, nach 1990 habe »kaum ein schulisches Thema die Aufmerksamkeit der Medien und Öffentlichkeit so stark auf sich gezogen wie das der ›Gewalt an Schulen‹«. Die Gewaltfrage sei »aber auch in der Schulpraxis zu einem zentralen Thema« avanciert.[58]

Die zeitgenössische Presseberichterstattung unterstreicht diesen Befund. Wiederum der »Spiegel« gab mit einem Artikel vom Oktober 1992, in dem das Magazin eine »Brutalität von bisher nie erlebtem Ausmaß« behauptete, der Debatte Schwung.[59] Andere Tages- und Wochenzeitungen schlossen sich der Brutalisierungs-Rhetorik an. Die »ZEIT« beschrieb »Anzeichen steigender Aggressivität von Jugendlichen auch in den Schulen« und eine »entgrenzte Gewalt« in den Bildungsanstalten, die sie als Zeichen für »soziale, berufliche und politische Auflösungsprozesse« deutete, welche »den Kern der Gesellschaft erfaßt« hätten.[60] Und auch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« konstatierte besorgt, dass »Jugendliche immer weniger Hemmungen [haben], sich gewaltsam auseinanderzusetzen«.[61] Die Zeitung stimmte mit Pädagogen überein, die das »negative Sozialverhalten von Kindern und Jugendlichen« zu einem »Massenphänomen« erklärten und einen »gesellschaftlichen Erziehungsnotstand« ausriefen.[62] Es erstaunt vor diesem Hintergrund nicht, dass der pädagogische Buchmarkt in den 1990er-Jahren mit Studien zu Gewalt und Gewaltprävention überschwemmt wurde.[63]

Die damalige Debatte besaß im Hinblick auf Themen und Thesen eine erstaunliche Kontinuität zu den Auseinandersetzungen der 1970er-Jahre. Doch entwickelte sich die Gewaltdiskussion zugleich auch weiter, wobei sich gegenläufige Entwicklungen kreuzten. Auf der einen Seite rationalisierte sich die Fachdebatte, unterfüttert durch eine neue empirische Gewaltforschung, und mündete in eine pragmatische Interventions- und Präventionspolitik. Auf der anderen Seite weitete sich das Gewaltverständnis jedoch dynamisch aus, was zu neuen Forderungen gewaltpräventiven Handelns und zu gesteigerten Anforderungen an Lehrkräfte und Schulen führte.

Der Schock fremdenfeindlicher Übergriffe stieß eine Welle sozialwissenschaftlicher Forschung zu Umfang und Art schulischer Gewalt an – Studien, die vielfach im Auftrag von Kultusministerien oder Kommunen durchgeführt wurden. Bereits von 1993 bis 1995 legte rund ein Dutzend Forschungsprojekte Ergebnisse vor.[64] Die Gewaltstudien, die meist auf Befragungen von Lehrern und Schülern basierten, befeuerten zunächst die mediale Aufmerksamkeit, wirkten auf mittlere Sicht aber auch entdramatisierend, da sie übereinstimmend weder eine signifikante Zunahme von Gewalt im Zeitverlauf noch ein beunruhigendes Ausmaß körperlicher Gewaltausübung in der Gegenwart nachweisen konnten. Vielmehr widerlegten sie etliche verbreitete Annahmen, etwa die populäre Behauptung, dass Gewalt an größeren Schulzentren häufiger auftrete als an kleinen Landschulen. Die Studien ebneten damit einer neuen Perspektive den Weg, die Gewalt weniger als Symptom einer umfassenden Kultur- und Gesellschaftskrise begriff, sondern als spezifisch benennbares – und damit auch behandelbares – Phänomen.[65]

Der empirischen Wende der Gewaltforschung entsprachen Stellungnahmen von Schulpraktikern, die zu einer »Entdramatisierung« der Lage aufriefen. Der leitende Redakteur der bayerischen Lehrerzeitschrift »Pädagogische Welt«, Peter Franke, wandte sich im Frühjahr 1994 dezidiert gegen eine »Negativsicht«, die er vor allem bei akademischen Pädagogen ausgeprägt sah: »Wer nämlich Schule in der Praxis und im Alltag besucht und erlebt, findet sonderbarerweise [...] weitgehend ›normale‹, fröhliche, aufgeschlossene, interessierte Kinder und Jugendliche vor.«[66]

Die empirische Wende und die Entdramatisierung bildeten aber nur einen Strang einer widersprüchlichen Entwicklung. Das zeigt sich schon daran, dass die wissenschaftlichen Aufrufe zu mehr Gelassenheit oft wenig eindeutig ausfielen. Eine Gruppe von Bildungsforschern erklärte 1995 zum Beispiel Berichte über eine Brutalisierung des Schulalltags zu einer »modernen Wandersage«, mahnte aber im gleichen Atemzug, Gewalt an der Schule nicht zu bagatellisieren, zumal »subtile Formen von Gewalt wie psychischer Zwang nur schwer zu erfassen« seien.[67] Diese Ambivalenz durchzog auch die Medienberichte, die zwar regelmäßig die wenig dramatischen Ergebnisse der Gewaltstudien referierten, zugleich aber das Brutalisierungsnarrativ unbeirrt fortführten.[68] Indem sie den Blick für unterschiedliche Formen von Gewalt schärfte, trug die sozialwissenschaftliche Gewaltforschung auf paradoxe Weise zu einer fortgesetzten Virulenz und Dynamisierung der Gewaltfrage bei.

Bereits in den 1980er-Jahren hatte die Gewaltdebatte auf weitere Themenbereiche ausgegriffen. Im Anschluss an Neil Postmans kulturpessimistisch geprägten Bestseller »Das Verschwinden der Kindheit« wurde insbesondere die Frage nach dem Zusammenhang von medialen Gewaltdarstellungen und »Gewaltvideos« einerseits sowie einer Brutalisierung kindlicher Verhaltensweisen andererseits jahrelang kontrovers diskutiert.[69] Der Übergang zu den 1990er-Jahren bildete mit der »Entdeckung« von Rassismus und Geschlecht als Faktoren schulischer Gewaltpraktiken eine weitere Zäsur. Die fremdenfeindlichen Übergriffe sensibilisierten Bildungspolitiker und Pädagogen für Formen rassistischer Diskriminierungen in Bildungsanstalten, während die neue Frauenbewegung zwar bereits in den 1970er-Jahren auf geschlechtsspezifische Dimensionen von Gewalt hingewiesen hatte, doch erst jetzt im schulischen Bereich auf breiter Front rezipiert wurde. Das Interesse galt dabei zunächst der vermeintlich gewaltfördernden Sozialisation von Jungen. Die erstrebte Zivilisierung der Schule, so fasste es eine feministische Pädagogin im Jahr 1993, sei ohne eine »Humanisierung der Jungen« nicht möglich.[70]

Zugleich richtete sich die Aufmerksamkeit immer mehr auf sprachliche Äußerungen. Es kristallisierte sich ein Gewaltbegriff heraus, »der auch die verbale Gewalt, die auf Herabsetzung und Ausgrenzung aus ist, und ein Verhalten mit einbezieht, das [...] insofern gewalttätig ist, als es ein rationales und zivilisiertes Miteinander-Umgehen verhindert«.[71] Diese Entwicklung mündete am Ende der 1990er-Jahre in die breite Thematisierung von »Mobbing« als einer ubiquitären, sozial und kulturell unspezifischen Gewaltform. Das Konzept war bereits Anfang der 1970er-Jahre durch den schwedischen Psychologen Dan Olweus entwickelt worden und hatte in der Form des Bullying zunächst im angloamerikanischen Sprachraum Verbreitung gefunden.[72] Um die Jahrtausendwende rückte schließlich die Gewalt von Erwachsenen gegen Kinder, die seit dem Ende der Prügelstrafendebatte kaum mehr eine Rolle gespielt hatte, erneut in die öffentliche Diskussion. Das Aufdecken von körperlichen Misshandlungen und vor allem sexuellen Missbrauchs in immer weiteren Erziehungsinstitutionen ganz unterschiedlichen Typs leitete eine neue Phase der Gewaltdiskussion ein.[73] Seit den 1970er-Jahren mehrten sich insgesamt nicht nur die Arten von Gewalt, die mit Schule in Verbindung gebracht wurden, sondern es veränderte sich zugleich auch die Vorstellung dessen, was »Gewalt« eigentlich sei. Neben körperlichen Einwirkungen, die messbar und oftmals strafrechtlich relevant sein konnten, umfasste der Begriff zunehmend auch Beeinträchtigungen der Persönlichkeit. Individuellen Leiderfahrungen wurde ein neuer Stellenwert zugeschrieben. Es müsste vertiefend untersucht werden, inwieweit sich in den schulischen Debatten eine gesamtgesellschaftliche Erweiterung des Gewaltbegriffs niederschlug, doch scheint es wenig Zweifel daran zu geben, dass sich hier eine grundlegende Neuausrichtung des Gewaltverständnisses abzeichnete.

In einer sehr konkreten Weise bewirkte die Neubestimmung von schulischer Gewalt einen Ausbau gewaltpräventiver Maßnahmen, die sich nicht länger nur an auffällige »Problemschüler« richteten, sondern einen Einstellungs- und Verhaltenswandel aller Schüler/innen bezweckten. Jeder Schüler und jede Schülerin, so die implizite Botschaft, könne sowohl Opfer als auch Täter von Gewalt werden.[74] Bereits im Schuljahr 1991/92 organisierte etwa das hessische Kultusministerium zusammen mit dem Hessischen Institut für Lehrerbildung 23, im folgenden Jahr dann 48 Veranstaltungen zu Gewalt, Fremdenhass und Rechtsextremismus. Im Frühjahr 1993 warb es zugleich für ein Schultheatertreffen mit dem Titel »Gewalt, die wir erleben«.[75] Die Initiativen waren keineswegs auf SPD-geführte Ministerien beschränkt. Auch das bayerische Kultusministerium plante 1994, jährlich 5-6 Millionen DM für Maßnahmen zur Prävention von Jugendgewalt einzusetzen.[76] Parallel entstand ein umfangreiches Netz von pädagogischen Fachtagungen und Weiterbildungsangeboten für Lehrerinnen und Lehrer zu Themen wie »Mit Verstand und Verständnis – pädagogische Orientierung gegen Gewalt« oder »Interkulturelle Pädagogik. Ein Beitrag gegen Fremdenfeindlichkeit«. Gewaltprävention etablierte sich als eine grundlegende Aufgabe von Schule.[77] Die Gewaltdebatte lieferte schließlich auch Argumente für eine Ausweitung schulischer Betreuungsangebote. In Reaktion auf ein Gutachten zu »Gewalt in der Gesellschaft« forderte nicht nur das bayerische Kultusministerium den Ausbau der schulischen Nachmittagsaufsicht für 10-16-Jährige.[78]

Konkurrierende Deutungen und Handlungsstrategien existierten allerdings weiter. Maßgebliche Bildungspolitiker von CDU/CSU und FDP führten eine Brutalisierung der Schule wesentlich auf »68er«-Pädagogen zurück. Diese hätten – so argumentierte etwa der Fraktionsvorsitzende der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag, Helmut Linssen – »die Selbstverwirklichung des einzelnen als Lebenszweck« erklärt und »versuchten, sämtliche Werte und konservativen Tugenden des Bürgertums über Bord zu werfen«. Sie seien daher mitverantwortlich »für erzieherische Fehler«.[79] Gewaltprävention umfasste für Linssen im Anschluss an die Humanisierungsbewegung der 1970er-Jahre wesentlich die Vermittlung sozialer Werte sowie die Umgestaltung der Schule zu einem Lebensraum, »in dem das Gefühl der Sicherheit und des gegenseitigen Vertrauens vermittelt wird, das den Aufbau stabiler, persönlicher Bezüge ermöglicht«.[80] Eine Erneuerung der Schule sollte aus stabilen Lehrer-Schüler-Interaktionen in überschaubaren pädagogischen Räumen erwachsen.

Progressive Kreise interpretierten die fremdenfeindlichen Übergriffe hingegen als ein Zeichen dafür, dass die liberale Schulreform noch nicht weit genug fortgeschritten sei. Die neue »autoritätsorientierte Politik und Erziehung«, die mit der konservativen Wende der bundesdeutschen Politik einhergegangen sei, gelte es zurückzudrängen.[81] Zwar forderten auch links-alternative Politiker/innen wie die bildungspolitische Sprecherin der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Brigitte Schumann, »Strukturen, die humanen Umgang ermöglichen«, doch imaginierten sie Schule deutlicher als Avantgarde einer neuen gewaltfreien Gesellschaft. Fragen interkulturellen Zusammenlebens gewannen dabei zunehmend an Bedeutung. Der Pädagoge Guido Steffens verlangte in einer Denkschrift für das hessische Kultusministerium zum Umgang mit Rechtsextremismus: Schule »muss Widerspruch, Streit und Auseinandersetzung zulassen und darf Konflikte nicht zukleistern [...]. Schule muss sich als multikulturelle Gesellschaft im Kleinen verstehen.«[82] In einer Weiterentwicklung der älteren friedenspädagogischen Ansätze wurde Schule hier als Ort der Begegnung und des Konfliktmanagements vorgestellt, in dem tolerantes Zusammenleben eingeübt werden könne.

Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng vom FC Bayern München steht am 1. Oktober 2014 auf dem Schulfest der Ferdinand-von-Miller-Realschule in Fürstenfeldbruck (Bayern) zwischen Schülern und hält als Pate ein Schild mit der Aufschrift »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« in Händen. Die Schule mit etwa 1.150 Kindern trat an diesem Tag der gleichnamigen Initiative bei. (Zum Verhältnis von Fußballsport und Gewaltprävention siehe auch den Aufsatz von Jutta Braun in diesem Heft.) (picture alliance/dpa/Andreas Gebert)
Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng vom FC Bayern München steht am 1. Oktober 2014 auf dem Schulfest der Ferdinand-von-Miller-Realschule in Fürstenfeldbruck (Bayern) zwischen Schülern und hält als Pate ein Schild mit der Aufschrift »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« in Händen. Die Schule mit etwa 1.150 Kindern trat an diesem Tag der gleichnamigen Initiative bei. (Zum Verhältnis von Fußballsport und Gewaltprävention siehe auch den Aufsatz von Jutta Braun in diesem Heft.)
(picture alliance/dpa/Andreas Gebert)

Exemplarisch verdichteten sich diese Ansätze in der Aktion »Schule ohne Rassismus«, einer Initiative, die nach belgischem und niederländischem Vorbild seit 1995 Schulen symbolisch auszeichnete. Ziel der bundesweiten Initiative, die von namhaften Politikern unterstützt wurde, war es, die Bekämpfung von Rassismus als »fächerübergreifende Querschnittsaufgabe« zu verstehen, die in »Projektarbeit, Aktionen, Begegnungen, Festen und kreativen Veranstaltungsformen« aufgegriffen werden sollte.[83] Bis Ende 1999 wurden im gesamten Bundesgebiet 39 Schulen ausgezeichnet, wobei zumeist prominente Künstler, aber auch die Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Gabriele Behler (SPD), Patenschaften übernahmen. Der Durchbruch der Initiative erfolgte nach der Jahrtausendwende. Gegenwärtig (Stand: 2.10.2018) führen im Bundesgebiet 2.835 Schulen den Titel »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«.[84]

4. Die gewaltfreie Schule als Utopie und Zumutung

Die Sensibilität für schulische Gewalt nahm in den 1990er-Jahren weiter zu. Zugleich stiegen die Ansprüche an alle Akteure im Bildungs- und Erziehungsbereich, gewaltpräventiv zu wirken. Die Anforderungen waren dabei keineswegs eindeutig oder widerspruchsfrei. Während etwa der viel gefragte Gewaltforscher Klaus Hurrelmann angesichts der Zustände an den Schulen von Pädagogen »wieder die Lehrerautorität« verlangte, forderten links-alternativ orientierte Experten eine deutlichere Vermittlung pädagogischer Selbstreflexion und sozialpädagogischer Kompetenzen. Der »Umgang mit Gewalt und eigener Aggression gehört als fester Bestandteil ins Unterrichtsprogramm von Lehrenden und Lernenden«.[85]

Die unterschiedlichen Rezepte, das vermeintliche Gewaltproblem zu lösen, waren im Einzelnen oft schwer miteinander in Einklang zu bringen. Zusammengenommen steigerten sie jedoch die Ansprüche an erzieherisches Handeln ungemein, wie ein breit rezipiertes Buch von Gisela und Axel Preuschhoff zu »Gewalt an Schulen« von 1992 zu zeigen vermag, in dem die Autoren einen breiten Maßnahmenkatalog entfalteten.[86] Sie forderten einerseits Strukturreformen: kleinere Klassen, leistungsdifferenzierte Angebote, die »Reduzierung jeder Art aggressionsfördernden Wettbewerbs«, die Eindämmung von »Frustrationen und Mißerfolgserlebnissen aller Art« sowie die Einrichtung »von Kindern betriebener Cafés, Gärten und Werkstätten genauso wie Ruhezonen, Aktions- und Experimentierräumen« an Schulen. Andererseits wandte sich das Buch auch Lehrerinnen und Lehrern zu. Diese wurden ermuntert, eigenverantwortlich an der Verbesserung ihrer professionellen Persönlichkeit zu arbeiten. Sie sollten sich für ihre Schulen auch jenseits des Unterrichts verantwortlich fühlen, sich mit Eltern und Kindern »zusammentun«, »mit ihrem Beispiel gewaltfreie Verhaltensweisen« vorleben sowie als »Ansprechpartner für Sorgen und Probleme« dienen. Diese Ausweitung des Anforderungsprofils erfuhr durchaus Kritik. Peter Franke listete etwa die seiner Meinung nach »überzogenen Ansprüche« an Schule auf, die mit »Sexual-, Gesundheits-, Friedens- und Medienerziehung, mit Dialektpflege, Ökologie, Drogenprophylaxe und Politischer Bildung, mit Zusatzthemen wie Europa, Gewalt, Ausländer, Integration, Sekten, Aids, Okkultismus u.v.m.« überbürdet werde.[87] Doch entfalteten solche Einwände kaum praktische Wirkungen, da sie in keinen überzeugenden Gegenentwurf zum Gesellschaftsprojekt der Gewaltfreiheit eingebunden waren.

Die gestiegenen Ansprüche konnten sehr unterschiedlich rezipiert werden. Sie stellten einerseits Angebote dar, an der Gestaltung einer humanen, demokratischen Schule mitzuwirken, und wurden in diesem Sinne von vielen Pädagogen positiv aufgenommen. Bildungsexperten bemerkten ein »sehr ernsthaftes« Interesse in der Lehrerschaft an Fragen der Gewaltprävention und verzeichneten eine »hohe Nachfrage nach Publikationen, Fachtagungen, öffentlichen Foren und Fortbildungsveranstaltungen« zum Thema.[88] Doch gleichzeitig distanzierten sich viele Lehrerinnen und Lehrer in der Schulpraxis implizit von den neuen Maßnahmen. Sie meinten, dass der »Lehrerberuf schwieriger geworden« sei und die neuen Ansprüche »eine extreme Anforderung, wenn nicht Überforderung« darstellten.[89] Eine von der »Pädagogischen Welt« organisierte Diskussionsrunde bayerischer Grund- und Hauptschullehrer war sich zwar uneins, wie pessimistisch die Lage an den Schulen bewertet werden müsse. Doch stimmten alle Teilnehmer/innen darin überein, »dass viele Kollegen einfach mit dem Schulalltag nicht mehr so fertig werden wie früher«.[90]

Welche Wucht diese Wahrnehmung entfaltete, zeigt die breite Zustimmung zur Streitschrift »Die neuen Kinder und die Erosion der alten Schule« des Gesamtschullehrers und Publizisten Horst Hensel. Der schmale Essay wurde im Herbst 1993 fast über Nacht zu einem pädagogischen Bestseller. Seine im Gestus des Tabubruchs vorgetragenen Thesen eines Kulturverfalls der Kindheit, dem Schule und Lehrer machtlos gegenüberständen, wurden sowohl in den Massenmedien als auch von der Fachpresse breit diskutiert. Hensel wurde für kurze Zeit zum »bekanntesten Lehrer Deutschlands«, trat in Talkshows auf und gab bis Ende 1993 mehr als zwei Dutzend Radiointerviews.[91] Ihm gelang es, in einer polemischen – und in vielem auf spätere gesellschaftskritische Bestseller des frühen 21. Jahrhunderts vorausweisenden – Zuspitzung gängiger kultur- und schulkritischer Topoi der Unzufriedenheit vieler Pädagogen Ausdruck zu verleihen. Er zeichnete zunächst wie zahlreiche andere Autoren seit den 1970er-Jahren ein schrilles Bild des »neuen Kindes« als überbehütetem, ich-bezogenem Wesen und beschrieb einen durch »gewaltsame Lösungen von Konflikten« und »Beschimpfungen und Schmähungen von Lehrkräften« gekennzeichneten Schulalltag: Kinder seien immer »seltener und weniger bereit und fähig, sich sozial zu verhalten«. Doch anders als die Mehrheit der bildungspolitischen Akteure entband er zugleich Schule und Lehrer von der Pflicht, auffälligen Schülern mit pädagogischem Einfühlungsvermögen zu begegnen. Stattdessen porträtierte er die Lehrkräfte als Opfer eines doppelten Kulturwandels: Sie würden in der Schule nicht nur »sowohl menschlich als auch in ihrer Berufsrolle mißachtet«, sondern darüber hinaus auch noch genötigt, »aus jeder Schmähung einen Ruf nach Hilfe herauszuhören«.[92] In Hensels Polemik verbanden sich auf paradoxe Weise zunehmende Disziplinschwierigkeiten mit gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen.

5. Gewalt und Gewaltabbau in der Schule: Ein Fazit

Hensel spielte kurzzeitig mit dem Gedanken, seine Streitschrift zum »Kristallisationspunkt einer neuen Lehrerbewegung von unten« zu machen. Diese Initiative verlief jedoch im Sande, wie auch die Debatte um sein Buch bald abebbte.[93] Dennoch wirft sein Pamphlet ein bemerkenswertes Schlaglicht auf die Diskussion um schulische Gewalt seit den 1970er-Jahren und ihre Aporien. In der Grundlagendebatte über Schule, Aufwachsen und Gesellschaft nach der Ära der Bildungsexpansion und den Umbrüchen von »1968« bildete die Frage der Gewalt einen Kristallisationspunkt von Kritik und Sorgen im Angesicht der »neuen Schule« und der »neuen Kinder«. Anhand einer vermeintlichen Brutalisierung ließen sich wahrgenommene Defizite bisheriger Gesellschaftspolitik anprangern, aber auch neue Strategien einer inneren Schul- und Erziehungsreform eingängig kommunizieren. Dabei wandelte sich das Verständnis von Gewalt grundlegend. War diese bis etwa 1970 fast ausschließlich als körperliche Züchtigung und jugendliche Delinquenz verhandelt worden, entdeckte die bildungsinteressierte Öffentlichkeit nach der Abschaffung der Prügelstrafe immer neue Formen von Gewalt. Prügelnde Lehrer traten in den Hintergrund, während Schule als ein vielfältig von Gewalt durchwirkter Ort in den Blick rückte und zugleich Schüler als Gewaltakteure neue Aufmerksamkeit erhielten. Nach der deutschen Einheit blieb diese »strukturelle« und schülerbezogene Perspektive wichtig, doch verlagerte sich der Fokus zunehmend auf die interpersonale Kommunikation in der Lerngruppe. Gewalt wurde nun mehrheitlich als nicht-physische »asymmetrische, belastende Interaktion« verstanden, die sich in Sprechakten und auf Exklusion ausgerichtetem Handeln manifestiere.[94] Im neuen Jahrtausend fand schließlich das Gewalthandeln von Erziehern neue Aufmerksamkeit, das aber im Vergleich zu den 1960er-Jahren ebenfalls eine Ausweitung erfuhr und nicht mehr nur Prügel, sondern auch sexuelle Übergriffe umfasste. Zur selben Zeit bildete sich, verstärkt durch einige intensiv diskutierte Amokläufe von Schülern, die Figur des pädagogischen Zugriffen vermeintlich unzugänglichen »jugendlichen Intensivtäters« heraus, dessen Aggressivität einige Kommentatoren auf anlagebedingte Gewaltdispositionen zurückführten.[95]

Mit der neuen Ubiquität von Gewalt, durch die in den 1970er-Jahren auch die etablierten Grenzen zwischen »normalen« und delinquenten Heranwachsenden verschwammen, erhielten gewaltpräventive Maßnahmen erhöhte Dringlichkeit. Kultusbehörden und Schulen entwickelten eine Vielzahl bildungspolitischer und pädagogischer Programme, die Gewalt zurückdrängen sollten. Diese reichten von Gewaltsensibilisierung im Unterricht bis hin zum Ausbau von Betreuungseinrichtungen und Vorschlägen einer neuen Schulautonomie, die den einzelnen Bildungseinrichtungen Spielräume zu ortsspezifischen Interventionen in das Schulumfeld eröffnen sollte. In einer sich selbst verstärkenden Dynamik steigerten diese Eingriffe die Sensibilität für Gewalt, weiteten gleichzeitig aber auch das Spektrum dessen immer weiter aus, was als Gewalt thematisiert wurde – und damit pädagogischer Intervention bedurfte.

Angesichts dieser Trends entpuppt sich die Ausgangsfrage, ob eher eine Zunahme oder eine Abnahme von Gewalt die bundesdeutsche Geschichte kennzeichnete, als unterkomplex. Schulische Gewalt war stets mehr als ein empirisch messbares und quantifizierbares Phänomen. Ihre Definition unterlag vielmehr einem Wandel, auf den konkurrierende Zeitdiagnosen und Gesellschaftsvisionen einwirkten. Zwar behält auch in dieser Perspektive die Frage nach realen Veränderungen von Gewalthandeln ihre Bedeutung – gerade im Hinblick auf die Strafverfolgung von Gewaltakten –, doch bedarf es eines offenen Verständnisses von Gewalt als historisch wandelbarem Konzept, um die Dynamik schulischer und gesellschaftlicher Transformationen zu verstehen. Ein messbarer Rückgang körperlicher Gewalt bildete in dieser Hinsicht keinen Widerspruch zu einer Zunahme der Gewaltwahrnehmung und entsprechenden Interventionsforderungen.

Die erhöhte Aufmerksamkeit für Gewalt und ihre Opfer stellt ohne Zweifel eine wichtige Errungenschaft der vergangenen Jahrzehnte dar, doch muss die historische Analyse auch Ambivalenzen und nicht intendierte Folgewirkungen des Gesellschaftsprojekts der Gewaltreduktion in den Blick nehmen. Mit der Ausweitung des Gewaltbegriffs stiegen die Ansprüche an Schule und Erziehung erheblich. Gewalt zu verhindern und Gewaltlosigkeit als Grundlage sozialer Interaktion durchzusetzen wurde voraussetzungsreicher. Der Hoffnung und dem Versprechen, Schulen zu einem Modellraum zivilen, demokratischen Zusammenlebens zu machen, entsprachen neue Anforderungen an Schule und Lehrerhandeln, die nicht nur als willkommene Aktivierung, sondern auch als institutionelle und persönliche Überforderung wahrgenommen werden konnten. Es ist dieser Zusammenhang, der den auffälligen Widerspruch zwischen den nüchternen Ergebnissen der sozialwissenschaftlichen Gewaltforschung einerseits und dem bis in die Gegenwart wirksamen Topos einer Brutalisierung von Schule andererseits zu erklären hilft.

In einer weiteren Perspektive zeigt sich schließlich eine grundlegende Paradoxie von Gewaltsensibilisierung. Dieser geht es um eine freie, ungetrübte Entfaltung von Kindern und Jugendlichen, doch das Ziel kann zugleich eine potentiell freiheitseinschränkende Wirkung entfalten, indem es eine restriktive bildungspolitische und pädagogische Praxis nahelegt, der eine Gewaltminderung nur durch eine intensivierte Kontrolle von Kindern und Jugendlichen, Erzieher/innen und Räumen der Erziehung erreichbar erscheint.

Anmerkungen:

[1] Siehe nur Jens Priewe, Weshalb unsere Kinder immer brutaler werden, in: stern, 14.4.1977, S. 18-28; Sie schlagen und sie quälen sich – Brutalität in der Schule. Sendung des ZDF am 2.5.1977; »Die rasten einfach aus«, in: Spiegel, 12.10.1992, S. 36-49; »Bei der Jugend geht es verrohter zu als früher«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.11.1993, S. 41; Sabine Etzold, Gewalt in der Schule, in: ZEIT, 6.12.2001; Gewalt an Schulen: Prügeln, bis der Arzt kommt, in: Spiegel Online, 28.3.2005; Reiner Burger, Viele Lehrer sind Opfer von Schülergewalt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.11.2016, S. 9. Ich danke Laura Martena und Sandra Wenk für hilfreiche Hinweise und Anregungen.

[2] Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986, S. 246; Jan-Uwe Rogge, Lebenswelten und Alltagswissen, in: Christoph Führ/Carl-Ludwig Furck (Hg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 6: 1945 bis zur Gegenwart, Teilbd. 1: Bundesrepublik Deutschland, München 1998, S. 129-157, hier S. 142f.

[3] Siehe nur Ulrich Herbert, Liberalisierung als Lernprozeß. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte – eine Skizze, in: ders. (Hg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, Göttingen 2002, S. 7-31, hier S. 13.

[4] Ebd., S. 26, S. 31. Weiterhin Torsten Gass-Bolm, Das Ende der Schulzucht, in: Herbert, Wandlungsprozesse in Westdeutschland (Anm. 3), S. 436-466; Brian Puaca, Learning Democracy. Education Reform in West Germany, 1945–1965, New York 2009. Siehe auch bereits Peter Büchner, Vom Befehlen und Gehorchen zum Verhandeln. Entwicklungstendenzen von Verhaltensstandards und Umgangsformen seit 1945, in: Ulf Preuss-Lausitz (Hg.), Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Zur Sozialisationsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg, Weinheim 1983, S. 196-212. Theoretischer Bezugspunkt ist häufig die Zivilisationstheorie von Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Basel 1939; siehe dazu auch Teresa Koloma Becks Beitrag in diesem Heft.

[5] Als grundlegende Beiträge siehe Dirk Schumann, Legislation and Liberalisation: The Debate About Corporal Punishment in Schools in Postwar West Germany, 1945–1975, in: German History 25 (2007), S. 192-218; Meike Sophia Baader, Die reflexive Kindheit, in: dies./Florian Eßer/Wolfgang Schröer (Hg.), Kindheiten in der Moderne. Eine Geschichte der Sorge, Frankfurt a.M. 2014, S. 414-455, hier S. 416.

[6] Die Literatur zum Thema ist äußerst umfangreich. Siehe nur Ludwig Bilz u.a. (Hg.), Gewalt und Mobbing an Schulen. Wie sich Gewalt und Mobbing entwickelt haben, wie Lehrer intervenieren und welche Kompetenzen sie brauchen, Bad Heilbrunn 2017; Dirk Baier u.a. (Hg.), Gewalt an Schulen. Fakten, Theorien, Praxiskonzepte, München 2016; Wilfried Schubarth u.a., Mehr oder weniger Gewalt an Schulen? Eine Replikationsstudie 1996–2014 an sächsischen Schulen, in: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation 36 (2016), S. 78-96; Heinz Günter Holtappels u.a. (Hg.), Forschung über Gewalt an Schulen. Erscheinungsformen und Ursachen, Konzepte und Prävention, Weinheim 1997, 5. Aufl. 2009.

[7] Überzeugend: Dirk Schumann, School Violence and Its Control in Germany and the United States Since the 1950s, in: Wilhelm Heitmeyer u.a. (Hg.), Control of Violence. Historical and International Perspectives on Violence in Modern Societies, New York 2011, S. 233-259. Zur bildungstheoretischen Debatte siehe Johannes Bilstein u.a. (Hg.), Bildung und Gewalt, Wiesbaden 2016.

[8] Vgl. hierzu auch Joachim Renn/Jürgen Straub, Gewalt in modernen Gesellschaften. Stichworte zu Entwicklungen und aktuellen Debatten in der sozialwissenschaftlichen Forschung, in: Handlung Kultur Interpretation 11 (2000) H. 2, S. 199-224.

[9] Siehe nur: Prügelstrafe: Stets väterlich, in: Spiegel, 10.3.1969, S. 95-101. Zum weiteren Kontext: Ute Frevert, Die Politik der Demütigung. Schauplätze von Macht und Ohnmacht, Frankfurt a.M. 2017, S. 83-110; Dirk Schumann/Judith Sealander, Disziplin. Schule und Militär, in: Christof Mauch/Kiran Klaus Patel (Hg.), Wettlauf um die Moderne. Die USA und Deutschland 1890 bis heute, München 2008, S. 225-257.

[10] Schumann, Legislation and Liberalisation (Anm. 5); ders., Schläge als Strafe? Erziehungsmethoden nach 1945 und ihr Einfluss auf die »Friedenskultur« in beiden Deutschlands, in: Thomas Kühne (Hg.), Von der Kriegskultur zur Friedenskultur? Zum Mentalitätswandel in Deutschland seit 1945, Münster 2000, S. 34-48.

[11] Manfred Kappeler, Fürsorge- und Heimerziehung – Skandalisierung und Reformfolgen, in: Meike Sophia Baader/Ulrich Herrmann (Hg.), 68 – Engagierte Jugend und Kritische Pädagogik. Impulse und Folgen eines kulturellen Umbruchs in der Geschichte der Bundesrepublik, Weinheim 2011, S. 65-87; Knud Andresen, Gebremste Radikalisierung. Die IG Metall und ihre Jugend 1968 bis in die 1980er Jahre, Göttingen 2017, S. 115-145.

[12] Alois Fischer, Autorität und Freiheit in der Erziehung, in: ders./Ferdinand Kopp/Lore Kufner, Autorität, Disziplin und Freiheit in der Volksschule, Donauwörth 1965, S. 9-31, hier S. 23.

[13] Ebd., S. 7.

[14] Siehe etwa Ernst Ell, Disziplin in der Schule, Freiburg 1966; Werner Dietrich, Der junge Lehrer und die Schulzucht, 3. Aufl. Hannover 1967, insb. S. V. Heinz-Jürgen Ipfling, Vorwort, in: Strafen in der Schule, Pädagogische und juristische Grundlegung, hg. vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband, München 1970, S. 5.

[15] Ferdinand Kopp, Die Disziplin in der Schulklasse, in: Fischer/Kopp/Kufner, Autorität (Anm. 12), S. 32-57, hier S. 32; Ursula Hagemeister, Die Schuldisziplin, Weinheim 1968, S. 228. Siehe auch bereits Eduard Züghart, Disziplinkonflikte in der Schule. Originale und produktive Lösungsversuche von Erziehungsschwierigkeiten bei Schülern im Pubertätsalter, Hannover 1961, S. 8.

[16] Noch in den frühen 1970er-Jahren wurde der Begriff der Gewalt selbst in Büchern, die sich dezidiert mit Aggressionen und Normüberschreitungen an den Schulen beschäftigten, kaum benutzt. Vgl. Horst Domke, Lehrer und abweichendes Schülerverhalten. Zum sogenannten Disziplinproblem in der Schule, Donauwörth 1973, 6. Aufl. 1983. Auch in den Debatten um die Einführung der Hauptschule in den 1960er-Jahren spielte der Begriff keine herausgehobene Rolle. Ich danke Sandra Wenk für diesen Hinweis.

[17] Rainer Manertz, Strafen oder nicht? Disziplinierung als pädagogisches Problem des Lehrers. Erfahrungen aus dem Schulalltag mit Fallbeispielen, Freiburg 1978, S. 9; Hermann Loddenkemper/Norbert Schier, Der Beruf des Lehrers, in: Lehren und Lernen 5 (1979) H. 4, S. 57-64, hier S. 60.

[18] Marianne Gronemeyer, Kinder der Gewalt. Oder: Übermut tut selten gut?, in: PädExtra 5 (1978) H. 11, S. 20-27, hier S. 21f.; Gustaf Grauer u.a., Gewalt in der Schule – Schule als Gewalt, in: betrifft: Erziehung 9 (1976) H. 7, S. 34-47, hier S. 47.

[19] Hans-Jochen Gamm, Kritische Schule. Eine Streitschrift für die Emanzipation von Lehrern und Schülern, München 1971, S. 37f.

[20] Kurt Aurin, Was heißt »Humanisierung der Schule«?, in: Lehren und Lernen 3 (1977) H. 6, S. 1-17, hier S. 16; Hans-Dieter Schmidt, Mut zur Erziehung. Gesprächsforum im Wissenschaftszentrum Bonn, in: Lehren und Lernen 4 (1978) H. 3, S. 1-23, hier S. 11.

[21] Büchner, Befehlen und Gehorchen (Anm. 4), S. 202.

[22] Schumann, School Violence (Anm. 7), S. 249; Grauer u.a., Gewalt (Anm. 18), S. 40-43.

[23] Wilfried Rudloff, Bildungspolitik als Sozial- und Gesellschaftspolitik. Die Bundesrepublik in den 1960er- und 1970er-Jahren im internationalen Vergleich, in: Archiv für Sozialgeschichte 47 (2007), S. 237-268; Armin Kremer, Entwicklungslinien und Verlauf der Bildungsreform: Bilanzierung in kritischer Absicht, in: Armin Bernhard/Wolfgang Keim (Hg.), 1968 und die neue Restauration, Frankfurt a.M. 2009, S. 189-208.

[24] »Es gibt keine fröhliche Jugend mehr«, in: Spiegel, 31.5.1976, S. 38-52. Siehe auch Armgard Seegers, Wie Gewalt entsteht. Jugend und Terror, in: ZEIT, 5.12.1980; Ralf Dahrendorf, Jugend – eine Lücke im Leben, in: ZEIT, 17.7.1981.

[25] Editorial: Warum Lehrer strafen: Strafe und Disziplin in der Schule, in: betrifft: Erziehung 8 (1975) H. 8, S. 27.

[26] Statt vieler Belege: Programm »Schule und Erziehung«, in: Lehren und Lernen 5 (1979) H. 5, S. 1-23.

[27] Siehe nur Linde Apel, Der Nachwuchs der Revolte. Die Schülerbewegung der 1960er Jahre am Beispiel der Hamburger Gruppe des Aktionszentrums Unabhängiger und Sozialistischer Schüler AUSS, in: Baader/Herrmann, 68 – Engagierte Jugend und Kritische Pädagogik (Anm. 11), S. 14-29.

[28] Reinhard Uhle, Pädagogik der siebziger Jahre – zwischen wissenschaftsorientierter Bildung und repressionsarmer Erziehung, in: Werner Faulstich (Hg.), Die Kultur der 70er Jahre, München 2004, S. 49-63, hier S. 51. Als vorzügliche Fallstudie siehe Thomas Küster, Das Erlernen des Dialogs. Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas nach 1968 am Beispiel eines Gütersloher Gymnasiums, in: Matthias Frese/Julia Paulus/Karl Teppe (Hg.), Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn 2003, 2. Aufl. 2005, S. 683-705, insb. S. 696-702.

[29] Als ausgezeichnete Analyse siehe Maik Tändler, Erziehung der Erzieher. Lehrer als problematische Subjekte zwischen Bildungsreform und antiautoritärer Pädagogik, in: Pascal Eitler/Jens Elberfeld (Hg.), Zeitgeschichte des Selbst. Therapeutisierung – Politisierung – Emotionalisierung, Bielefeld 2015, S. 85-112. Zur Ausweitung der Ansprüche an Schule vgl. Till Kössler, Auf der Suche nach einem Ende der Dummheit. Begabung und Intelligenz in den deutschen Bildungsdebatten seit 1900, in: ders./Constantin Goschler (Hg.), Vererbung oder Umwelt? Ungleichheit zwischen Biologie und Gesellschaft seit 1945, Göttingen 2016, S. 103-134.

[30] Gass-Bolm, Ende der Schulzucht (Anm. 4), S. 461.

[31] Siehe etwa Wilhelm Hahn, Humane Schule in der Leistungsgesellschaft, in: Lehren und Lernen 2 (1976) H. 1, S. 1-11, hier S. 9; Grauer u.a., Gewalt in der Schule (Anm. 18), S. 34f. Zum Kontext: Anne Rohstock, Antikörper zur Atombombe. Verwissenschaftlichung und Programmierung des Klassenzimmers im Kalten Krieg, in: Patrick Bernhard/Holger Nehring (Hg.), Den Kalten Krieg denken. Beiträge zur sozialen Ideengeschichte, Essen 2014, S. 259-284, hier S. 262.

[32] »Es gibt keine fröhliche Jugend mehr« (Anm. 24), S. 40.

[34] »Es gibt keine fröhliche Jugend mehr« (Anm. 24), S. 41.

[35] Siehe nur Hartmut von Hentig, Soziopathologie der Schule, in: Merkur 30 (1976), S. 213-233, hier S. 232. Als eindrückliche retrospektive Darstellung: Ulrich Sprenger, Vier Thesen zum Thema Gesamtschule. Ein Erfahrungsbericht, in: neue deutsche schule 46 (1994) H. 14/15, S. 13-20.

[36] Gronemeyer, Kinder der Gewalt (Anm. 18), S. 25; Hentig, Soziopathologie (Anm. 34), S. 231; Klaus Farian/Eberhard Seidel-Pielen, Gewalt an den Schulen – Was tun? Kennst du ein Patentrezept gegen Vorurteile?, in: PädExtra 22 (1994) H. 1, S. 5-14, hier S. 5.

[37] Ulf Preuss-Lausitz, Vom Umgang mit Gewalt, in: betrifft: Erziehung 17 (1984) H. 4, S. 28.

[38] Ein Stück Freiheit kann sich jeder nehmen, in: ZEIT, 17.2.1984.

[39] Lloyd Homme u.a., Verhaltensmodifikation in der Schulklasse. Ein praxisbezogenes Trainingsprogramm für Lehrer und Studenten, Weinheim 1974, 3. Aufl. 1979; Manfred Cramer/Peter Gottwald/Heinrich Keupp (Hg.), Verhaltensmodifikation in der Schule. Die Schule als Feld experimenteller sozialer Innovation, München 1976.

[40] Programmatisch: Hahn, Humane Schule (Anm. 31). Zur Aufnahme in der Elternschaft siehe: »Wie lange soll die Quälerei noch dauern?«, in: Spiegel, 16.2.1976, S. 57-60; Monika Mattes, Das Projekt Ganztagsschule. Aufbrüche, Reformen und Krisen in der Bundesrepublik Deutschland (1955–1982), Köln 2015, S. 142f.

[41] Hierzu und zum Folgenden: Aurin, »Humanisierung« (Anm. 20).

[42] Siehe auch Loddenkemper/Schier, Beruf des Lehrers (Anm. 17); Manertz, Strafen oder nicht? (Anm. 17), insb. S. 8f.

[43] Nikolai Wehrs, Protest der Professoren. Der »Bund Freiheit der Wissenschaft« in den 1970er Jahren, Göttingen 2014, S. 440-443.

[44] Siehe nur Hartmut von Hentig, Was ist eine humane Schule?, München 1976. Auch der »Spiegel« vertrat 1976 ähnliche Ansichten: »Es gibt keine fröhliche Jugend mehr« (Anm. 24).

[45] Gronemeyer, Kinder der Gewalt (Anm. 18). Siehe auch Helmut Fend u.a., Abweichendes Verhalten: Über Rowdy- und Mogelfaktoren, Unordentlichkeits- und andere Syndrome, in: betrifft: Erziehung 8 (1975) H. 11, S. 45-50; ders., Was ist eine humane Schule?, in: Österreichische Zeitschrift für Berufspädagogik 1 (1983) H. 4 (Themenheft: Die humane Schule), S. 7-11; Frank Bäumchen, Unterrichtsstörungen muss man nicht wegkonditionieren, in: Westermanns Pädagogische Beiträge 35 (1983), S. 441.

[46] Gewalt an Schulen: Offizielle Verdrängung (He.), in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 3, S. 6; Ulrich Hecker, Kreativität der Hoffnungslosen?, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 6/7, S. 2.

[47] Wolfgang Schmidbauer, Faszination der Gewalt und die Erziehung zur Friedfertigkeit. Ein Beitrag aus tiefenpsychologischer Sicht, in: Westermanns Pädagogische Beiträge 34 (1982), S. 94-97, hier S. 97.

[48] Gronemeyer, Kinder der Gewalt (Anm. 18), S. 25.

[49] Siehe nur Mona Siegel, The Moral Disarmament of France. Education, Pacifism, and Patriotism, 1914–1940, Cambridge 2004; Romain Faure, Netzwerke der Kulturdiplomatie. Die internationale Schulbuchrevision in Europa 1949–1989, Berlin 2015; Werner Wintersteiner, Von der »internationalen Verständigung« zur »Erziehung für eine Kultur des Friedens«. Etappen und Diskurse der Friedenspädagogik seit 1945, in: Peter Schlotter/Simone Wisotzki (Hg.), Friedens- und Konfliktforschung, Baden-Baden 2011, S. 345-381.

[50] Aus der großen Fülle zeitgenössischer Vorschläge siehe nur Werner Birnschein, Friede durch Erziehung – Erziehung zum Frieden. Sonnbergtagung in Wien vom 6. bis 12. Oktober 1974, in: neue deutsche schule 27 (1975) H. 1, S. 12; Winfried Bergermann, Friede ist kein Produkt. Erziehung zur Gewaltlosigkeit, in: betrifft: Erziehung 17 (1984) H. 4, S. 32-43. Zum weiteren Kontext vgl. auch Till Kössler/Alexander J. Schwitanski (Hg.), Frieden lernen. Friedenspädagogik und Erziehung im 20. Jahrhundert, Essen 2014.

[51] Uschi Tempel u.a., Unsere Schule ist atomwaffenfrei, in: Westermanns Pädagogische Beiträge 36 (1984), S. 28-29; Robert Meeger, »Gesamtschule Köln-Zollstock Atomwaffenfreie Zone«, in: Kölner Friedens-Anzeiger (undatiert, wahrscheinlich Herbst 1983), S. 6. Zum Kontext: Susanne Schregel, Der Atomkrieg vor der Wohnungstür. Eine Politikgeschichte der neuen Friedensbewegung in der Bundesrepublik 1970–1985, Frankfurt a.M. 2011, S. 277-282.

[52] Siehe nur »Atomwaffenfreie Schulen«, Informationsdienst der Kampagne für atomwaffenfreie Städte und Regionen 1/2 (Feb./März) (1983), S. 4; Rolf Kraft/Wolfgang Popp, Tag des Widerstands: Friedensaktionen in den Schulen. Geeignet von der Primar- bis zur Oberstufe (= Demokratische Erziehung, H. 16), Köln 1983. Ich danke Susanne Schregel für die Hinweise.

[53] Rainer Winkel, Unterrichtsstörungen und Disziplinschwierigkeiten, oder: Vom Umgang mit aggressiven und desmotivierten Schülern, in: Westermanns Pädagogische Beiträge 37 (1985), S. 150-157, hier S. 153. Siehe auch schon Wolfgang Geisler, Warum Lehrer strafen: Strafe und Disziplin in der Schule, in: betrifft: Erziehung 8 (1975) H. 8, S. 27-28.

[55] Herbert Goetze (Hg.), Disziplinkonflikte und Verhaltensstörungen in der Schule. Bericht über die Fachtagung in Hamburg vom 12. bis 14. Mai 1988, Oldenburg 1988.

[56] Präambel, in: Hans-Dieter Schwind u.a. (Hg.), Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt. Analysen und Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission), Bd. 1: Endgutachten und Zwischengutachten der Arbeitsgruppen, Berlin 1990, S. 26. Siehe auch Ernst Cloer, Das Disziplinproblem in der Schule, in: Die Deutsche Schule 79 (1987), S. 305-319, sowie den Beitrag von Roland Eckert, Anette Schumacher und Helmut Willems in diesem Heft.

[57] Klaus-Jürgen Tillmann, Gewalt an Schulen. Öffentliche Diskussion und erziehungswissenschaftliche Forschung, in: Die Deutsche Schule 89 (1997), S. 36-49, hier S. 37.

[58] Heinz Günter Holtappels u.a., Vorwort, in: dies., Forschung über Gewalt an Schulen (Anm. 6), S. 7.

[59] »Die rasten einfach aus« (Anm. 1).

[60] Sabine Etzold, Gewalt an den Schulen. Hilflose Ratgeber für hilflose Lehrer, in: ZEIT, 2.10.1992; Die Gesellschaft löst sich auf, in: ZEIT, 16.10.1992 (Interview mit Wilhelm Heitmeyer).

[61] Heike Schmoll, Erst das Feindbild, dann die Gewalt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.3.1994, S. 10; Brigitte Mohr, Konservative fordern noch einmal Mut zur Erziehung. Wie können Eltern, Schule und Politiker auf Gewalt, Brutalität und Haß reagieren?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.1993, S. 4.

[62] Horst Hensel, Die neuen Kinder und die Erosion der alten Schule. Ein Essay zur inneren Schulreform, München 1993, Klappentext. Siehe auch Hanne Pawlowski, Landespressekonferenz der GEW in Düsseldorf: Gewalt in der Schule, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 8, S. 3-4; Bernd Buckenleib, Andere Schüler – andere Lehrer?, in: Pädagogische Welt 47 (1993), S. 554-558.

[63] Z.B. Willibald Papesch, Wenn Kinder zu(rück)schlagen. Vom Kreislauf der Gewalt in Familie, Schule und Gesellschaft, Bühl 1993.

[64] Siehe nur Wilfried Schubarth, Schule und Gewalt: Ein wieder aktuelles Thema, in: ders./Wolfgang Melzer (Hg.), Schule, Gewalt und Rechtsextremismus. Analyse und Prävention, Opladen 1993, S. 16-43, sowie Holtappels u.a., Forschung über Gewalt an Schulen (Anm. 6), die die zahllosen Veröffentlichungen der 1990er-Jahre zusammenfassen.

[65] Tillmann, Gewalt an Schulen (Anm. 57), S. 42-47; Willibald Papesch, Über den Umgang mit »schwierigen« Schülerinnen und Schülern. Beobachtungen und Deutungen über Extremismus im Schulalltag, in: Die Deutsche Schule 85 (1993), S. 32-41, hier S. 41.

[66] Willibald Papesch, Schule und Gewalt. Historische, politische und pädagogische Anmerkungen, in: Die Deutsche Schule 86 (1994), S. 96-113, hier S. 96; Peter Franke, Nur noch Probleme in der Schule?, in: Pädagogische Welt 48 (1994), S. 145.

[67] Bethina Greszik u.a., Gewalt in den Schulen: Ergebnisse einer Befragung in Kassel, in: Zeitschrift für Pädagogik 41 (1995), S. 265-284, hier S. 281f.

[68] Als Beispiele: Nur wenige klagen über Gewalt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.9.1994, S. 46; Lehrer beklagen zunehmende Gewalt in der Schule, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.11.1996, S. 1.

[69] Neil Postman, Das Verschwinden der Kindheit, Frankfurt a.M. 1983. Die Datenbank FIS-Bildung verzeichnet von 1980 bis in die Gegenwart (Stand: 2.10.2018) 331 deutschsprachige Monographien und Sammelwerke sowie 408 deutschsprachige Zeitschriftenaufsätze zum Schlagwort »Medien und Gewalt«.

[70] Hanna Kiper, Alltag – Gewalt – Geschlecht. Frauen und Mädchen als Opfer und Mittäterinnen, in: PädExtra 22 (1994) H. 1, S. 15-21; Marcus Freitag/Klaus Hurrelmann, Gewalt an Schulen: In erster Linie ein Jungen-Phänomen, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 8, S. 24-25; Astrid Kaiser, Beziehungsfähigkeit statt Gewalt in der Schule. Jungenförderung in der Grundschule, in: PädExtra 21 (1993) H. 1, S. 4-9. Siehe aber auch Ingo Scheller/Hans Martin Wickert, Aggressives Verhalten und Gewalt zwischen Mädchen. Szenisches Spiel als Mittel, Gewalt zu thematisieren, in: PädExtra 22 (1994) H. 1, S. 22-26.

[71] Guido Steffens, Eine Pädagogik des »moralischen Zeigefingers« wird keinen Erfolg haben. Fremdenhaß und politischer Extremismus – was kann die Schule tun?, in: PädExtra 21 (1993) H. 1, S. 33-38, hier S. 36. Siehe auch Ralf-Erik Posselt (Sprecher der Arbeitsgruppe SOS – Rassismus, NRW), Gewalt macht Schule, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 12, S. 28-30.

[72] Als frühe Beispiele siehe Karin Jefferys, Mobbing/Bullying in der Schule. Empirische Untersuchungen aus Skandinavien, in: SchulVerwaltung Nordrhein-Westfalen 4 (1993) H. 10, S. 244-246; Rainer Hanewinkel/Reimer Knaack, Mobbing. Gewaltprävention in Schulen in Schleswig-Holstein, Kiel 1997. Zur massenmedialen Rezeption: Mobbing an der Schule: Hauen, schubsen, tratschen, in: Spiegel Online, 16.9.2003 (Interview mit Mechthild Schäfer). Zum aktuellen Stand der Debatte: Bilz u.a., Gewalt und Mobbing an Schulen (Anm. 6).

[73] Siehe etwa Bruno Schrep, Kindesmissbrauch. Das zerstörte Paradies, in: Spiegel, 2.9.2002, S. 54-57; Sandra Glammeier, Geschlechterwissenschaftliche Perspektiven auf sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche seit den 1980er Jahren, in: Meike Sophia Baader u.a. (Hg.), Tabubruch und Entgrenzung. Kindheit und Sexualität nach 1968, Köln 2017, S. 285-299. Epochenübergreifend: Dorothea Nolde, Blinde Flecken im Wandel. Sexuelle Gewalt gegen Kinder in historischer Perspektive, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 28 (2017) H. 3, S. 5-48.

[74] Zur Bandbreite der Ansätze siehe Goetze, Disziplinkonflikte (Anm. 55). Weiterhin: Renate Flissikowski/Karl-Josef Kluge/Klaus Schauerhammer, Vom Prügelstock zur Erziehungsklasse für »schwierige« Kinder. Zur Sozialgeschichte abweichenden Verhaltens, München 1980.

[75] Konzertierte Aktion gegen Gewalt an den Schulen, in: PädExtra 21 (1993) H. 1, S. 22. Zusammenfassend: Holtappels u.a., Vorwort (Anm. 58).

[76] Gewalt in der Gesellschaft, in: PädExtra 22 (1994) H. 11, S. 4.

[77] Siehe nur: Das freundliche Klassenzimmer. Veranstaltung zur Gewaltverminderung und gegen Rassismus in der Schule, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 3, S. 6; Fachtagung: Wege aus der Gewalt, in: neue deutsche schule 46 (1994) H. 20, S. 5.

[78] Buckenleib, Andere Schüler (Anm. 62), S. 554f. Zu ähnlichen Initiativen in Hessen und Nordrhein-Westfalen: Gewalt in der Gesellschaft (Anm. 76); Landtag intern, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 8, S. 4.

[79] Zit. nach Ulrich Hecker, »Linke Lehrer – Rechte Schüler?«, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 5, S. 18.

[80] Ebd. Siehe auch Stellungnahme Beatrix Philipp (CDU); Stellungnahme Andreas Reichel (FDP), in: Linke Lehrer – Rechte Schüler? Haben die Lehrerinnen bei der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus versagt?, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 5, S. 19-20.

[81] Papesch, Schule und Gewalt (Anm. 66), S. 101.

[82] Brigitte Schumann (Bündnis 90/Die Grünen); zit. nach: Linke Lehrer – Rechte Schüler? (Anm. 80); Steffens, Pädagogik des »moralischen Zeigefingers« (Anm. 71), S. 37.

[83] Projekt: Schule ohne Rassismus, in: neue deutsche schule 47 (1995) H. 18, S. 3.

[84] Siehe die Angaben des Trägervereins Aktion Courage e.V.: <https://www.schule-ohne-rassismus.org/courage-schulen/alle-courage-schulen/>.

[85] Pawlowski, Landespressekonferenz (Anm. 62), S. 4 (Zitat Hurrelmann); Eva Zeltner, Kinder schlagen zurück. Jugend-Gewalt und ihre Väter, Bern 1993, S. 66; zit. nach Christoph Butterwege, Von Gewaltkultur, Stärkekult und Kämpfernaturen. Gewalt in Schule und Gesellschaft, in: PädExtra 22 (1994) H. 6, S. 30-34, hier S. 34.

[86] Gisela und Axel Preuschhoff, Weniger Gewalt?, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 13/14, S. 27-28. Ausführlicher: dies., Gewalt an Schulen. Und was dagegen zu tun ist, Köln 1992.

[87] Peter Franke/Helmut Zöpfl, Überforderte Schule, in: Pädagogische Welt 48 (1994), S. 385.

[88] Holtappels u.a., Vorwort (Anm. 58); Tillmann, Gewalt an Schulen (Anm. 57), S. 36f. Siehe auch: Leserbrief Brigitte Feuß, in: neue deutsche schule 47 (1995) H. 21, S. 16.

[89] Klaus Hurrelmann; zit. nach Heinrich Peuckmann, Vielen aus der Seele gesprochen. »Die neuen Kinder und die Erosion der alten Schule« – eine pädagogische Streitschrift und die Folgen, in: PädExtra 21 (1993) H. 11, S. 30-32, hier S. 31; Karin Heinrich, Praxis: »Gewalt« in der Schule. Schwierige Kinder oder Kinder in Schwierigkeiten?, in: neue deutsche schule 45 (1993) H. 4, S. 12-14.

[90] F. Hartmut Paffrath, Schulleben und Verantwortung. Rundgespräch der »Pädagogischen Welt«, in: Pädagogische Welt 48 (1994), S. 41-45.

[91] Horst Hensel, Die neuen Kinder und die Erosion der alten Schule. Ein Essay zur inneren Schulreform, 7., erweiterte und aktualisierte Ausg. München 1995. Zur enormen Resonanz: Peuckmann, Vielen aus der Seele gesprochen (Anm. 89); Rolf Liffers, Basis für eine neue Erziehungsbewegung? Die Diskussion um das Hensel-Buch »Die neuen Kinder und die Erosion der alten Schule« geht weiter, in: PädExtra 21 (1993) H. 12, S. 28-29.

[92] Hensel, Die neuen Kinder (Anm. 91), S. 20.

[93] Liffers, Basis für eine neue Erziehungsbewegung? (Anm. 91), S. 29.

[94] Renn/Straub, Gewalt (Anm. 8), S. 214.

[95] Siehe nur das »Spiegel«-Cover »Die Migration der Gewalt. Junge Männer: Die gefährlichste Spezies der Welt« sowie die Titelgeschichte von Matthias Bartsch u.a., Exempel des Bösen, in: Spiegel, 7.1.2008, S. 20-38.

Lizenz

Copyright © Clio-online – Historisches Fachinformationssystem e.V. und Autor/in, alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist zum Download und zur Vervielfältigung für nicht-kommerzielle Zwecke freigegeben. Es darf jedoch nur erneut veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der o.g. Rechteinhaber vorliegt. Dies betrifft auch die Übersetzungsrechte. Bitte kontaktieren Sie: <kirsch@zzf-potsdam.de>.

Für die Neuveröffentlichung von Bild-, Ton- und Filmmaterial, das in den Beiträgen enthalten ist, sind die dort jeweils genannten Lizenzbedingungen bzw. Rechteinhaber zu beachten.