Trauer und Tourismus

Reisen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1950–2010

  1. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und seine Reisetätigkeit
  2. Entwicklung der Reiseklientel
  3. Praktiken der Akteure und Funktionen von Kriegsgräberreisen in den 1950er- und 1960er-Jahren
  4. Neue Reisepraktiken in den 1970er- und 1980er-Jahren
  5. Gewandelte Reisepraktiken und -funktionen seit den 1990er-Jahren
  6. Fazit

Anmerkungen

Millionen von Menschen aus zahlreichen Ländern besuchten im 20. Jahrhundert die Schlachtfelder und Soldatenfriedhöfe des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Die Motive und Praktiken der Reisenden waren dabei durchaus unterschiedlich. In den ersten Nachkriegsjahren und -jahrzehnten fuhren viele Angehörige von Kriegstoten zu Soldatenfriedhöfen, Gedenkstätten und ehemaligen Schlachtfeldern. Aber es waren immer auch andere Personen und Gruppen unter den Reisenden, die keine persönliche Beziehung zu den toten Soldaten hatten. Nach dem Ersten Weltkrieg bezeichneten britische Zeitgenossen die Reisen von Veteranen und Angehörigen gefallener Soldaten zu den von ihnen als heilig betrachteten Schlachtfeldern und Kriegsgräbern als Pilgerfahrten und werteten andere Besucher dieser Orte als »Touristen« ab, die sich an den sakralen Stätten nicht angemessen benähmen und aus reiner Sensationslust angereist seien.[1] Auch in Frankreich sprach man bei Angehörigenreisen zu den Schlachtfeldern und Soldatenfriedhöfen von Pilgerreisen.[2] Nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichneten KZ-Überlebende und deren Angehörige, die eine KZ-Gedenkstätte besuchten, diese Besuche ebenfalls als Wallfahrten, und auch sie grenzten sich damit von Touristen ab.[3] Diese normative Unterscheidung ist so alt wie der moderne Tourismus selbst. Immer wieder haben Einzelne und Gruppen versucht, sich von der vermeintlichen Masse abzusetzen, und definierten sich selbst nicht als Touristen, sondern als Reisende.[4] Die Unterscheidung zwischen Pilgern und Touristen wurde von Historikerinnen und Historikern in den genannten Zusammenhängen häufig als Beschreibung übernommen, ohne sie empirisch näher zu prüfen.[5]

Anhand einer Fallstudie über Reisen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) zu den Soldatenfriedhöfen des Zweiten Weltkriegs werde ich zeigen, dass sich die Dichotomie zwischen Touristen und Pilgern für diese Reisen nicht halten lässt. Ich werde die Formen und Funktionen der Reisen analysieren sowie die Reisenden selbst betrachten, ihre Motivationen und Praktiken. Dabei untersuche ich zum einen – anders als die bisherige Forschung, die lediglich das Verhalten auf den Schlachtfeldern und Soldatenfriedhöfen berücksichtigt – den gesamten Reiseverlauf, denn der Lebensrealität der Reisenden kommt man näher, wenn man nicht allein von den Destinationen ausgeht. Zum anderen verfolge ich einen akteurszentrierten Ansatz, der – im Unterschied zur sonstigen Forschung über Schlachtfeld- und Kriegsgräberreisen[6] – die sozialen Praktiken der Reisenden in den Mittelpunkt stellt: Was taten die Akteure konkret während der Reise, und welche Bedeutungen und Funktionen besaßen ihre Praktiken? Davon ausgehend werde ich generationenspezifische, geschlechterspezifische und gesellschaftliche Funktionen der Volksbundreisen, deren zeitlichen Wandel und Kontinuitäten herausarbeiten.

VDK-Reise nach Pomezia (Italien)
VDK-Reise nach Pomezia (Italien), 25. Mai – 1. Juni 1966
(VDK-Archiv Kassel; Foto des VDK-Reisebegleiters)

Das geschieht auf der Grundlage von Archivmaterial des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, das vielfältige Dokumente enthält: von Informationen zur Reiseorganisation, Reiseunterlagen, Listen und Evaluationsbögen der Reiseteilnehmer/innen über Korrespondenz zwischen dem Volksbund und den Reisenden, Berichte von Reiseteilnehmern und Fotos der Reisebegleiter bis hin zu Informationsbroschüren, Tätigkeitsberichten und den jährlichen Reisekatalogen des Volksbundes. Dieses Material beleuchtet sowohl die Perspektive des Reiseanbieters als auch die Perspektive der Reisenden. Ergänzend herangezogen werden die VDK-Mitgliederzeitschrift sowie Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Referats Reisen der VDK-Bundesgeschäftsstelle in Kassel. Anhand der Praktiken werde ich argumentieren, dass organisierte Kriegsgräberfahrten nicht allein der Trauer um Kriegstote dienten, sondern drei wesentliche Funktionen besaßen: memorierende, soziale und touristische. Im Zentrum steht die Frage nach Veränderungen und Kontinuitäten organisierter Kriegsgräberreisen im Laufe von sechs Jahrzehnten bundesdeutscher Geschichte. Leider ist die Geschichte des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Organisation mit wechselnden Kontexten, Verbandsstrukturen und Argumentationsstrategien noch weitgehend unerforscht. Diese Lücke kann der vorliegende Aufsatz nicht füllen, aber vielleicht kann er einen Impuls für entsprechende Studien geben.

1. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
und seine Reisetätigkeit

Grundsätzlich kann man zwei Formen von Kriegsgräberreisen unterscheiden: individuell unternommene und organisierte. Für beide war und ist in Deutschland der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge besonders wichtig. Zum besseren Verständnis der Kriegsgräberfahrten folgen daher zunächst einige Informationen zum Volksbund und seiner Reisetätigkeit. Der VDK wurde 1919 mit dem Ziel gegründet, das Gedenken an die Kriegstoten zu wahren. Anders als sein britisches oder amerikanisches Pendant ist er keine staatliche Organisation, sondern ein gemeinnütziger Verein, der sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, aber auch aus Steuermitteln finanziert. Der Volksbund versteht es als eine seiner wesentlichen Aufgaben, Grabstätten für deutsche Soldaten und Kriegstote im In- und Ausland anzulegen und dauerhaft zu pflegen. Als weitere Aufgabe übernahm er die Gestaltung des Volkstrauertags, den die Weimarer Republik 1922 auf Vorschlag des VDK hin einführte und den auch die Bundesrepublik als Gedenktag begeht (seit 1952 immer an dem Sonntag zwei Wochen vor dem 1. Advent). So fanden bzw. finden in beiden Staaten vom Volksbund gestaltete Gedenkstunden im Parlament sowie zahlreiche Gedenkfeiern an Kriegsgräbern und Kriegerdenkmälern statt.[7]

Feier des Volkstrauertags im Reichstag
Feier des Volkstrauertags im Reichstag am 13. März 1927
(Bundesarchiv, Bild 102-03940, Foto: Georg Pahl)
Plakate des VDK
Plakate des VDK vom Oktober 1934 (links) und April 1943 (rechts)
(Bundesarchiv, Plak 003-024-029 und Plak 003-056-001)

Das Objekt des Gedenkens veränderte sich im Laufe der Zeit. In der Weimarer Republik gedachte der Volksbund der deutschen Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Während der NS-Herrschaft wurde daraus ein Gedenken an deutsche »Helden« und nationalsozialistische »Blutzeugen«. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Volksbund in der DDR verboten. In der Bundesrepublik richtete er das Gedenken zunächst auf alle toten deutschen Soldaten und Zivilisten, bevor es in den 1960er-Jahren auf alle Opfer von Krieg und Gewalt ausgeweitet wurde – einschließlich der Opfer des Nationalsozialismus. Seitdem bediente sich der Volksbund eines »All-victims-together«-Paradigmas sowie einer neutralen Friedens- und Versöhnungsrhetorik, die es vermied, zu Schuld und Verbrechen der Wehrmacht oder der SS Stellung zu beziehen.[8]

Heute steht die Arbeit des VDK unter dem Motto »Gedenken und Frieden« sowie »Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden«. Die VDK-Zeitschrift wurde 2013 von »Stimme und Weg – Arbeit für den Frieden« schlicht in »Frieden« umbenannt.[9] Nachdem sich der Volksbund lange Zeit der Kritik verschlossen hatte, dass unter den deutschen Kriegstoten, derer ehrenvoll gedacht wird, auch Kriegsverbrecher sind, und dass alle Soldaten der Wehrmacht in einem Angriffs- und Vernichtungskrieg gekämpft haben, wird diese Problematik in den letzten Jahren auch innerhalb des Verbandes diskutiert.[10] Das Ergebnis zeigt sich in einem Leitbild, das der VDK im September 2016 erstmals verabschiedete. Dort ist vom Zweiten Weltkrieg als »Angriffskrieg des nationalsozialistischen Deutschlands« die Rede, aber auch davon, dass sich »pauschale Schuldzuweisungen verbieten«, wenngleich sich angesichts »beispiellose[r] Verbrechen bis hin zum Völkermord an den europäischen Juden […] die Frage nach der persönlichen Verantwortung unter den Bedingungen von Diktatur und Krieg« stelle. »Die Meisten kämpften im Bewusstsein, ihre nationale Pflicht zu erfüllen. Viele machten sich schuldig. Andere konnten sich entziehen. Wenige leisteten Widerstand.« Die Formulierungen lassen den Spagat erkennen, den Stand der historischen Forschung und der generellen öffentlichen Debatte mit traditionellen Positionen des VDK zusammenzubringen. Im Leitbild ist die Formulierung »Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft« ersetzt worden durch »Tote von Krieg und Gewaltherrschaft«.[11]

Die Organisation der Gedenkfeiern am Volkstrauertag ist heute wohl die in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommene VDK-Aktivität. Weniger bekannt ist, dass es sich der Volksbund auch zur Aufgabe gemacht hat, Angehörigen den Zugang zu den Gräbern »ihrer« Kriegstoten zu ermöglichen. Individualreisende erhalten von ihm Auskunft über genaue Grablagen, Informationen über die Kriegsgräberstätten und praktische Hilfen bei der Reiseorganisation. Die Besucherzählungen, die der Volksbund von 1962 bis 1996 auf bis zu 30 seiner Friedhöfe in Italien, Frankreich und den Beneluxländern durchführen ließ, zeigen, dass die Zahl der Bundesbürger, die diese deutschen Kriegsgräberstätten im Ausland besuchten, über die Jahrzehnte relativ konstant rund 300.000 pro Jahr betrug.[12] In diese Zahlen ging nicht nur die Gruppe der Individualreisenden ein, sondern auch diejenige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer organisierter Kriegsgräberreisen.

Der größte und lange Zeit einzige bundesdeutsche Vermittler solcher Reisen war und ist der VDK.[13] Die Geschichte seiner Pauschalreisen reicht fast so weit zurück wie diejenige des Vereins selbst: Bereits 1927 organisierte der Volksbund erste »Gesellschaftsfahrten« zu den »deutschen Heldenfriedhöfen« im Ausland.[14] In der Bundesrepublik bot der Verband ab 1950 jährlich zahlreiche Reisen ins west-, seit 1967 vereinzelt auch ins osteuropäische Ausland an. Zwar machten die mit dem Volksbund Reisenden jährlich schätzungsweise nur rund 1 Prozent aller Bundesbürger aus, die deutsche Kriegsgräberstätten im Ausland besuchten; die weitaus meisten reisten individuell an. Dennoch lohnt sich ein näherer Blick auf die Volksbundreisen, denn für die Teilnehmer besaßen sie Funktionen, die Rückschlüsse auf die Mentalität großer Bevölkerungsgruppen (Kriegswitwen, Kriegskinder) in der Geschichte der Bundesrepublik zulassen.

Internationales Jugendworkcamp des CVJM und des Kolpingwerkes mit dem VDK in Recogne-Bastogne
Schon in den 1950er-Jahren war der Volksbund auch in der Jugendarbeit aktiv. Internationales Jugendworkcamp des CVJM und des Kolpingwerkes mit dem VDK in Recogne-Bastogne (Belgien), Sommer 1956
(Bundesarchiv, Bild 194-1492-31A, Foto: Hans Lachmann)

Die rechtliche Voraussetzung für die Volksbundarbeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren Kriegsgräberabkommen der Bundesregierung mit Staaten, in denen deutsche Soldaten begraben waren. Grundlage dafür war eine Zusatzvereinbarung zum Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte, die am 11. August 1949 von 59 Staaten unterzeichnet wurde und das dauerhafte Ruherecht der Kriegstoten sicherte. Daraufhin begann der VDK, die Leichen zu erfassen und sie von einer Vielzahl verstreuter Gräber auf neu angelegte zentrale Kriegsgräberstätten umzubetten. In den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende lag der Arbeitsschwerpunkt auf diesen Umbettungsarbeiten sowie der Schaffung und Einweihung immer neuer Sammelfriedhöfe für deutsche Soldaten im westlichen Ausland. 1973 unterhielt der Volksbund dort 400 deutsche Soldatenfriedhöfe des Ersten und Zweiten Weltkriegs mit rund 1,4 Millionen Gräbern.[15] Die ersten »Gesellschaftsfahrten zu Kriegsgräberstätten« fanden 1950 nach Sandweiler in Luxemburg, Lommel in Belgien und zu diversen Friedhöfen in Italien statt.[16] In den 1950er- und 1960er-Jahren folgten Einweihungsfahrten zu zahlreichen weiteren Friedhöfen in Nord-, West- und Südeuropa sowie in Nordafrika.

Deutsche Kriegsgräberstätte Cassino (Italien)
Deutsche Kriegsgräberstätte Cassino (Italien) mit 20.000 Gräbern, angelegt 1959–1964
(VDK-Archiv Kassel)

In Osteuropa stieß der VDK im Kalten Krieg jedoch auf Probleme. Die sowjetische Regierung verweigerte ein Kriegsgräberabkommen für die rund 2,2 Millionen deutschen Kriegstoten auf ihrem Gebiet. Oft ließen die sowjetischen Lokalbehörden vorhandene deutsche Soldaten- und Kriegsgefangenengräber anonymisieren und verwahrlosen oder einebnen und überbauen, um die Gräber des ehemaligen Feindes der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. Dies gelang weitgehend: Zahlreiche im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, vor allem während der Kämpfe um Stalingrad getötete deutsche Soldaten galten als vermisst, ohne dass die genauen Todesorte oder -tage bekannt waren. Die westdeutschen Angehörigen hatten keine Möglichkeit, Gewissheit über den Tod oder Informationen über die Todesumstände ihrer Verwandten zu bekommen. Selbst wenn sie die Grablagen wussten, erhielten sie keine Genehmigung, die Orte zu besuchen.[17] Als die Bundesregierung 1992 ein Kriegsgräberabkommen mit Russland und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion schloss, waren die meisten Gräber unauffindbar, überbaut oder zerstört.[18] Auf den deutschen Kriegsgräberstätten in Russland werden deshalb auch die Namen aller Vermissten verzeichnet, deren Leichen nicht mehr geborgen werden können.[19]

Ähnlich schwierig wie in der Sowjetunion gestaltete sich die Situation für den Volksbund in der DDR und den übrigen Ostblockstaaten. Bei Kriegsgräberstätten in der DDR mussten westdeutsche Angehörige Anfragen und Besuchswünsche an die ostdeutschen Behörden stellen. Gruppenreisen zu deutschen Kriegsgräbern in der DDR ließ die dortige Regierung nicht zu.[20] In Ungarn, Rumänien und Jugoslawien durfte der Volksbund ebenfalls keine Kriegsgräberstätten anlegen, aber zumindest seit 1967/68 Reisen dorthin veranstalten, die zu noch vorhandenen Gräbern deutscher Soldaten und Kriegsgefangener führten.[21] Der klare Schwerpunkt der VDK-Reisen lag bis 1990 auf Westeuropa. Zu den großen Kriegsgräberstätten in Frankreich, Italien und den Beneluxländern fanden jedes Jahr wiederkehrende Standardreisen statt, ergänzt durch seltenere Reisen zu Friedhöfen in Spanien, Griechenland, Großbritannien, Nordeuropa, Nordafrika und seit Ende der 1960er-Jahre auch in Ost- und Südosteuropa.[22]

Die Organisation und Durchführung der Reisen ist von den 1950er-Jahren bis heute prinzipiell unverändert geblieben. Der Volksbund selbst fungierte lediglich als Vermittler organisierter Reisen, die von professionellen Veranstaltern, etwa Enzian-Reisen aus München oder dem First Reisebüro in Mönchengladbach, durchgeführt und in enger Zusammenarbeit mit dem Referat Reisen der VDK-Bundesgeschäftsstelle in Kassel geplant wurden. Damit waren die Volksbundreisen zwar kommerziell, der VDK verdiente jedoch nicht daran. Vielmehr entstanden ihm durch das Referat Reisen Personal- und Verwaltungskosten. Die Kriegsgräberfahrten begannen mit der gemeinsamen Anreise per Bus oder Bahn,[23] bei weiteren Strecken (etwa nach Nordafrika) per Schiff oder Flugzeug. Zu den grenznahen Soldatenfriedhöfen in Belgien, Luxemburg oder Frankreich fanden häufig nur Ein- oder Zweitagesfahrten statt; die übrigen Reisen dauerten zwischen drei Tagen und zwei Wochen, je nach Anzahl und Entfernung der ausgewählten Friedhöfe. Alle Reisen wurden von ehrenamtlichen VDK-Betreuern begleitet.

1983 fanden erstmals fünf Reisen in die Sowjetunion statt.[24] Das dortige Rote Kreuz hatte zuvor mitgeteilt, dass keine erkennbaren Reste deutscher Kriegsgräberstätten aus der Zeit der Kampfhandlungen mehr existierten, wohl aber Kriegsgefangenenfriedhöfe, von denen es drei zum Besuch freigab.[25] Die Reisen zu den Kriegsgefangenenfriedhöfen blieben rund zehn Jahre im Programm und wurden seit 1992 allmählich von Reisen zu den Kriegsgräberstätten abgelöst, die der Volksbund in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion anlegte. Die Umbettungs- und Bauarbeiten in Osteuropa binden seitdem den größten Teil der finanziellen und personellen Kapazitäten des VDK. Während es in anderen Ländern lediglich um den Erhalt bestehender Friedhöfe geht, ist die Anlage neuer Kriegsgräberstätten in Osteuropa noch nicht abgeschlossen.[26] Derzeit (Stand Dezember 2016) betreut der VDK 833 Friedhöfe (518 davon in Osteuropa) mit 2,7 Millionen Kriegsgräbern in 46 Ländern.[27] Auch der geographische Schwerpunkt der Reiseangebote verlagerte sich in den letzten 15 Jahren nach Osteuropa. Im Zeitraum 1999–2009 führten dorthin rund zwei Drittel aller Volksbundreisen.[28]

Deutsche Kriegsgräberstätte Sologubowka bei St. Petersburg
Deutsche Kriegsgräberstätte Sologubowka bei St. Petersburg mit derzeit rund 55.000 Gräbern, eröffnet im Jahr 2000. Postkarte des VDK
(VDK-Archiv Kassel)

Die Reisestatistiken des VDK erlauben Aussagen über langfristige Entwicklungstrends von den ersten Fahrten der Nachkriegszeit bis heute. Die meisten Reisen mit den höchsten jährlichen Teilnehmerzahlen fanden in den 1960er-Jahren statt, anlässlich zahlreicher Einweihungen neuer Kriegsgräberstätten. 1962 erreichte die Zahl der Reisenden mit 5.600 ihren Höchstwert, 1965 die Zahl der durchgeführten Reisen mit 97. Danach sanken die Werte stetig, bevor sie sich ab 1980 auf einem niedrigen Niveau mit weiterhin leichter Abwärtstendenz einpendelten. Seitdem bewegten sich die Teilnehmerzahlen zwischen 1.000 und 2.000 pro Jahr, die Anzahl der Reisen betrug zwischen rund 30 und 50. Die durchschnittliche Personenzahl pro Reise lag auf einem vergleichsweise konstanten Niveau zwischen 30 und 40, mit einzelnen »Ausreißern« nach unten und oben. Die Zeit der besonders großen Reisen mit durchschnittlich über 70 Teilnehmenden war bereits 1963 vorbei.[29] In den 2010er-Jahren ging die Reisetätigkeit noch weiter zurück. 2015 fanden nur noch 17 Reisen mit insgesamt 550 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt.[30]

Berechnet nach den Angaben in den jährlichen Tätigkeitsberichten des VDK-Bundesvorstands von 1952 bis 2008
Berechnet nach den Angaben in den jährlichen Tätigkeitsberichten des VDK-Bundesvorstands von 1952 bis 2008, VDK-Archiv Kassel.

2. Entwicklung der Reiseklientel

Drei Kontinuitäten fallen auf, die sich über den gesamten Zeitraum spannen: erstens der hohe Altersdurchschnitt der Volksbundreisenden, zweitens der große Anteil von Frauen und drittens die Tatsache, dass es sich vorwiegend um Angehörige der verstorbenen Soldaten handelte. Abgesehen von diesen Kontinuitäten gab es mehrere Generationenwechsel bei den Reisenden, die mit Veränderungen im Reiseverhalten und -angebot einhergingen.

In den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten nahmen viele Eltern toter Soldaten an den Reisen teil, darunter deutlich mehr Mütter als Väter.[31] Das hatte vor allem demographische Gründe. In der Elterngeneration gab es weniger Männer als Frauen, weil viele der Männer im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen waren. Die Reisenden der Elterngeneration waren in den 1960er-Jahren »zum Teil sogar schon sehr alt«,[32] in den 1970er-Jahren sämtlich älter als 70 Jahre; entsprechend geringer wurde ihr Anteil an den Volksbundreisenden seitdem. 1973 bestanden die Reisegruppen noch zu 22 Prozent aus Eltern von Soldaten; 1978 waren es lediglich 9 Prozent.[33]

Anfang der 1970er-Jahre war weniger als ein Drittel der VDK-Reisenden nur entfernt oder gar nicht mit einem Kriegstoten verwandt; die klare Mehrheit gehörte zur Gruppe der nächsten Angehörigen: Eltern, Ehefrauen, Geschwister und Kinder.[34] Bis heute dominieren nahe Angehörige die Volksbundreisen.[35] Die Ehefrauen waren über den gesamten Zeitraum von 1950 bis 2010 stark vertreten. 1973 nahmen genauso viele Ehefrauen wie Eltern an den Fahrten teil; seitdem überstieg ihr Anteil denjenigen der Eltern. Die relative Zunahme an Kriegswitwen seit den 1970er-Jahren und deren steigendes Alter erklären den gleichbleibend hohen oder gar wachsenden Altersdurchschnitt bei den Volksbundreisen. Bereits 1954/55 waren 54 Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen über 50 Jahre alt gewesen, »ein erheblicher Prozentsatz davon über 60 und 70 Jahre«; 1973 waren 61 Prozent älter als 60 Jahre.[36] Auch in den 1980er- und 1990er-Jahren bestand das Gros der Reisenden aus Rentnerinnen,[37] neben Witwen hauptsächlich Schwestern von Gefallenen, die häufiger an Kriegsgräberfahrten teilnahmen als deren Brüder.[38] 1973 hatten die Geschwister von Kriegstoten 22 Prozent der Mitreisenden gestellt.[39] Zur selben Altersgruppe zählten schließlich Kriegsveteranen, die Gräber von Mitkämpfern besuchten. Wie hoch ihr Anteil an den Reisenden war, lässt sich nicht genau feststellen, weil sie in den Statistiken nicht als eigene Kategorie geführt wurden. Wie Ehefrauen finden sich Geschwister und Veteranen bis heute unter den Volksbundreisenden, wenngleich ihr Anteil aus Altersgründen abgenommen hat: Die Angehörigen dieser Generation sind inzwischen älter als 90 Jahre. Der VDK hat sich darauf eingestellt, indem er seine Reisen seit den 1980er-Jahren seniorengerecht gestaltet.

Parallel dazu nahm die erwachsene Kindergeneration vermehrt an Kriegsgräberfahrten teil. 1973 hatte ihr Anteil lediglich 5 Prozent betragen;[40] in den Folgejahrzehnten stieg er deutlich an.[41] Seit der Jahrtausendwende kamen schließlich verstärkt die Enkel von Wehrmachtssoldaten als neue Reiseklientel hinzu. Wie auch die Kindergeneration fahren sie häufig gemeinsam mit Partnern, Verwandten und Freunden zu den Gräbern ihrer Großväter.[42] Der entscheidende Umbruch bei den Teilnehmern von Volksbundreisen fand somit in den 1980er-Jahren statt, als die Generationen, die den Krieg selbst miterlebt hatten und die Toten persönlich kannten, zunehmend von den jüngeren Generationen der »Nachgeborenen« abgelöst wurden, die sowohl den Krieg als auch die Toten, deren Gräber sie besuchten, überwiegend nur aus Erzählungen der Eltern und Großeltern kannten. Ihr Reiseverhalten unterschied sich von demjenigen der vorherigen Generationen – nicht zuletzt deshalb, weil Auslandsreisen inzwischen zu einem selbstverständlichen Teil des bundesdeutschen Alltags und Erfahrungshorizonts geworden waren.[43]

3. Praktiken der Akteure und Funktionen von
Kriegsgräberreisen in den 1950er- und 1960er-Jahren

Mit den Reisenden und dem wachsenden Abstand zum Krieg veränderten sich auch die Praktiken der Akteure – der Organisatoren ebenso wie der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ausgehend von diesen Praktiken werden im Folgenden wesentliche generationenspezifische, geschlechterspezifische und gesellschaftliche Funktionen der VDK-Reisen, deren zeitlicher Wandel und Kontinuitäten herausgearbeitet.

Die Volksbundreisen hatten den expliziten Zweck, die Angehörigen zu den Kriegsgräbern zu bringen und ihnen dort Raum und Zeit für ihre Trauer zu geben. Bei seinen nach 1945 angelegten Kriegsgräberstätten verzichtete der VDK weitgehend auf eine Repräsentation des Kriegstodes in Form imposanter Kriegerdenkmäler; auf den meisten Friedhöfen gab es lediglich ein schlichtes zentrales Großkreuz.[44] Oft hielten die VDK-Reisebegleiter dort mit der Reisegruppe eine kurze Gedenkzeremonie ab.[45] Im Vordergrund stand jedoch die individuelle Trauer um den jeweiligen Toten an dessen Grab. Die Mütter und Ehefrauen, die die Kriegsgräberstätten in den ersten Jahrzehnten besuchten, saßen oft stundenlang an den Gräbern, weinten oder hielten Zwiesprache mit ihren toten Angehörigen. Am nächsten Tag zog es sie erneut zu den Gräbern, wo sie wieder mehrere Stunden verbrachten.[46] Um diese intensive Trauerarbeit zu ermöglichen, sahen die Volksbundreisen damals drei mehrstündige Besuche auf jedem Friedhof vor.[47]

Psychologen und christlichen Seelsorgern zufolge ist ein Ort, der in realer oder symbolischer Verbindung zum Verstorbenen steht, für die Trauerarbeit essentiell: um Trost und innere Ruhe zu finden, mit der eigenen Beziehung zum Verstorbenen abzuschließen und loszulassen. Häufig berichteten Angehörige getöteter Soldaten, wie wichtig es für sie war, diesen Ort zu haben.[48] Für Angehörige von Verschollenen schuf der Volksbund ebenfalls Orte persönlicher Trauer, indem er auf seinen Kriegsgräberstätten auch die Namen der Vermissten verzeichnete. Die Trauerrituale blieben über Jahrzehnte hinweg gleich und entsprachen den in der westlichen Kultur üblichen Praktiken. Die Angehörigen nahmen Erde aus dem Heimatort mit, um sie am Grab zu verstreuen oder unter die dortige Erde zu mischen.[49] Manche pflanzten Blumen aus dem heimischen Garten am Grab ein oder legten sie als Strauß nieder – Rituale, um die persönliche Verbindung zum Toten zu verdinglichen und auch über die geographische Entfernung hin aufrechtzuhalten oder wiederherzustellen.[50] Andere nahmen umgekehrt Erde oder Pflanzen vom Grab mit nach Hause.[51]

Solche und andere Erfahrungen nicht allein, sondern in einer Gruppe »Gleichgesinnter« zu machen war eine weitere Funktion organisierter Kriegsgräberreisen. Volksbundreisende schilderten häufig, wie berührend es sei, eine Gruppe trauernder Angehöriger auf einem Soldatenfriedhof zu erleben, oder wie wohltuend es für sie selbst gewesen sei, eine solche Reise gemeinsam mit Menschen zu unternehmen, die ähnliche Verlusterfahrungen gemacht hatten.[52] Dass im Laufe der Zeit die heimische Umgebung immer weniger Verständnis für die anhaltende Trauer um den Ehemann aufbrachte, bewog offenbar viele Kriegswitwen, bis in die 1980er-Jahre regelmäßig organisierte Fahrten zu den Gräbern ihrer Männer mitzumachen. 10- bis 15-malige Teilnahmen waren keineswegs selten.[53] Die Reisegruppen boten besonders Kriegswitwen eine Erfahrungsgemeinschaft, die sie im Alltag nicht (mehr) hatten. Zudem leisteten die VDK-ReisebetreuerInnen, obwohl sie nicht speziell dafür geschult waren, häufig einen seelischen Beistand, der weit über die Tätigkeit einer »normalen« Reiseleitung hinausging.[54] Dabei ist nicht anzunehmen, dass in den Gesprächen zwischen VDK-Betreuern und trauernden Angehörigen eine etwaige Täterschaft des Betrauerten, Verbrechen der Wehrmacht oder die Tatsache, dass der Tote in einem Angriffskrieg der Deutschen gestorben war, thematisiert wurden. Für die Frauen war ihr individueller Verlust zentral. Die Erfahrungsgemeinschaft der Kriegswitwen war somit auch eine Erfahrungsgemeinschaft von Kriegsopfern, wobei der Opferstatus bei jeder Kriegsgräberfahrt neu aufgerufen und aktualisiert wurde.

Es war durchaus häufig, dass Angehörige nicht nur mehrfach zu »ihrem« Grab fuhren, sondern an Kriegsgräberreisen zu unterschiedlichen Friedhöfen und Ländern teilnahmen. Damit wird eine weitere Funktion der Volksbundreisen deutlich: Besonders für die Ehefrauen und Geschwister gefallener Soldaten waren sie nicht allein als Kriegsgräberfahrten attraktiv, sondern ebenso als Auslandsreisen. Die Volksbundreisen der Nachkriegszeit besaßen von Anfang an auch touristische Funktionen. Nur die Tagestouren der 1950er-Jahre führten ausschließlich zu den grenznahen Kriegsgräberstätten in den Beneluxländern. Bereits bei den Zweitagesfahrten gab es hingegen ein minimales touristisches Rahmenprogramm, wie 1955 in Belgien, wo neben zwei Besuchen der Kriegsgräberstätte Lommel auch ein Ausflug nach Brüssel vorgesehen war.[55] Nach Italien bot der VDK schon 1951 sechs Reisen von sieben bis elf Tagen an, die den Besuch zahlreicher Friedhöfe ebenso umfassten wie ein entsprechendes Beiprogramm.[56] Je mehr neue Kriegsgräberstätten in weiter entfernten Ländern wie Frankreich, England, Finnland, Griechenland und Nordafrika ab Mitte des Jahrzehnts hinzukamen, desto höher wurde der Anteil an ein- bis zweiwöchigen Reisen, die alle auch touristische Elemente wie die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten oder Strandbesuche enthielten.[57]

Reiseunerfahrenen boten die Volksbundreisen die Möglichkeit, Touren ins westliche Ausland und sogar nach Nordafrika zu unternehmen – ohne Fremdsprachenkenntnisse und ohne sich um die Organisation kümmern zu müssen. Zudem waren die Volksbundangebote wegen der Gruppenrabatte preiswerter als vergleichbare individuelle Reisen. Die organisierten Kriegsgräberfahren besaßen somit ähnliche Vorteile wie andere Pauschalreisen auch.[58] Die meisten der überwiegend weiblichen Volksbundreisenden der 1950er- und 1960er-Jahre verfügten über keinerlei Auslandserfahrung. Vor 1945 waren die wenigsten von ihnen ins Ausland gereist, zunächst aus finanziellen Gründen, nach 1933 aus politischen Gründen und wegen der Devisenbewirtschaftung.[59] Außerdem war es in den ersten Nachkriegsjahrzehnten für Frauen keineswegs selbstverständlich, allein zu verreisen. Viele nutzten deshalb Pauschalangebote, die maßgeblich zum beginnenden Reiseboom der jungen Bundesrepublik beitrugen und deren Frauenanteil den Männeranteil deutlich überstieg. Ein weiterer Grund, warum viele Kriegswitwen nicht allein zu den Gräbern ihrer Ehemänner fuhren: Die meisten von ihnen konnten sich weder individuelle Reisen noch ein Auto leisten – das Verkehrsmittel, das in der Bundesrepublik seit den späten 1950er-Jahren seinen Siegeszug antrat.[60]

Das unterschied Kriegswitwen von Kriegsveteranen. Viele Männer der Kriegsgeneration partizipierten stärker am Wohlstand der »Wirtschaftswunder«-Zeit als Kriegswitwen, zumal dann, wenn die Witwen Kinder zu versorgen hatten und nicht erneut heirateten. Diese Männer waren es, die in den 1950er- und 1960er-Jahren mit ihren Familien im Auto nach Italien in den Urlaub fuhren.[61] Erste Auslandserfahrungen hatten zahlreiche Männer im Krieg gesammelt. Der »Krieg als Reise« ist von Kulturwissenschaftlern vielfach beschrieben worden.[62] Tatsächlich ähnelten die Praktiken und Erfahrungen deutscher Soldaten während Vormarsch und Besatzung durchaus denen von Touristen, wie Briefe, Tagebücher, Ansichtskarten und Fotografien dokumentieren.[63] Der Krieg hatte es somit deutschen Männern ermöglicht, Auslandsreisekompetenzen zu erwerben – etwa die Sicherheit, sich in einem anderen Land mit unbekannter Sprache zu bewegen. Solche Fähigkeiten konnten sie nach Kriegsende für Urlaubsreisen mit der Familie nutzen, in deren Rahmen sie auch Kriegsgräberstätten besuchten.[64]

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer organisierter Kriegsgräberreisen besuchten die Soldatenfriedhöfe als Trauernde. Sie als Pilger zu bezeichnen wäre irreführend, denn bei deutschen Kriegsgräberreisen nach dem Zweiten Weltkrieg fehlte infolge des verlorenen nationalsozialistischen Kriegs die sakrale (und nationale) Überhöhung. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte es diese in Deutschland trotz des ebenfalls verlorenen Kriegs durchaus noch gegeben, wie auch bei britischen Reisen, wo sowohl die ehemaligen Schlachtfelder als auch die Soldatengräber als heilig bezeichnet wurden.[65] Durch die Praktiken der Erfahrungsgemeinschaft, vor allem durch Gespräche und Austausch mit anderen, blieben die Reisenden auch den Rest der Fahrt über Trauernde. Gleichzeitig waren sie Touristen, die das entsprechende Angebot der Volksbundreisen nutzten. Diese beiden Rollen ließen sich offenbar ohne weiteres miteinander verbinden, wie nicht zuletzt Fotos von Volksbundreisenden dokumentieren, die nebeneinander sowohl Soldatengräber als auch die Reisegruppe und touristische Aktivitäten wie das gemeinsame Bad im Meer zeigen. Durch die Erfahrungsgemeinschaft, die soziale Funktion, waren die touristische und die memorierende Funktion der Reisen ineinander verschränkt.

VDK-Reise nach Pomezia (Italien)
VDK-Reise nach Pomezia (Italien), 25. Mai – 1. Juni 1966.
Die gezeigten Bilder befinden sich alle auf demselben Film.
(VDK-Archiv Kassel; Fotos des VDK-Reisebegleiters)

4. Neue Reisepraktiken in den 1970er- und 1980er-Jahren

Der Schwerpunkt der Reisen verschob sich im Laufe der Jahrzehnte allmählich vom »besinnlichen« zum »touristischen« Teil.[66] In dieser graduellen Entwicklung lässt sich mit den 1970er-Jahren eine Periode beschleunigten Wandels ausmachen. Als damals das Interesse an Kriegsgräberfahrten sank, warb der Volksbund mit dem neuen Slogan »Reisen mit uns«. 1972 wurde dies so angekündigt: »Es ist wieder einmal soweit. Kaum hat das neue Jahr seinen Einzug gehalten, werden in den Familien landauf, landab Urlaubspläne geschmiedet […] Das Angebot auf dem Reisemarkt ist groß und erfüllt so ziemlich alle Wünsche. Wirklich alle? Wir vom Volksbund meinen ›nein‹, denn die deutschen Soldatenfriedhöfe werden bei Erholungs-, Vergnügungs- und Studienreisen im allgemeinen nicht berührt. Diese Lücke wollen wir mit unserem Reiseprogramm schließen, das für 1972 68 Gemeinschaftsreisen zu Kriegsgräberstätten in Westeuropa, Nordafrika sowie Jugoslawien und Rumänien umfaßt. Im Mittelpunkt der Kriegsgräberfahrten des Volksbundes steht der Besuch deutscher Soldatenfriedhöfe im Ausland. Bei fast allen mehrtägigen Reisen sind aber auch umfangreiche Ausflugs- und Besichtigungsprogramme vorgesehen, die den Teilnehmern die Schönheiten und historischen Sehenswürdigkeiten des betreffenden Landes erschließen. [...] Einem weitverbreiteten Irrtum möchten wir mit Nachdruck entgegentreten: Zu den Kriegsgräberfahrten des Volksbundes sind nicht nur die Angehörigen der Kriegstoten willkommen, sondern jeder kann teilnehmen, der an den Gräbern unserer Gefallenen interessiert ist.«[67] Damit beschrieb der VDK seine Reisen erstmals als Segment des kommerziellen Tourismusmarkts, das eine »special interest«-Nische besetzte. Der noch heute verwendete Slogan »Mit uns reisen« unterstrich die Besonderheit des Angebots, aber auch seine Anpassung an die Werte der modernen Freizeit- und Konsumgesellschaft: Die »Kriegsgräberfahrten« waren zu »Reisen« geworden, die offensiv beworben und auf dem expandierenden Tourismusmarkt in Konkurrenz zu anderen Produkten platziert wurden.

links: Deckblatt eines Reiseprogramms,
verwendet für VDK-Reisen seit den 1980er-Jahren
rechts: Titelbild des VDK-Reisekatalogs 2009
(VDK-Archiv Kassel)

Mit seiner Neuausrichtung reagierte der Volksbund offensiv auf den Rückgang an Mitgliedern und Reisenden. Außerdem spiegelte sie die Entwicklung des Reiseverhaltens der Bundesbürger wider. Hatten 1955 lediglich 24 Prozent der erwachsenen Westdeutschen mindestens eine jährliche Urlaubsreise unternommen, und nur 15 Prozent von ihnen ins Ausland, war bis 1965 die Urlaubsreise-Intensität auf 44 und bis 1975 auf 56 Prozent angestiegen. Der Anteil der Auslandsreisen hatte überproportional zugenommen: bis 1962 auf 40 Prozent und bis 1974 auf 58 Prozent.[68] Urlaubs- und Auslandsreisen wurden seit den 1970er-Jahren für immer mehr Bundesdeutsche aller Altersstufen zu einem selbstverständlichen Konsumgut. Das traf auch auf einen Teil der VDK-Reiseklientel zu, die nun routiniertere Ansprüche an das touristische Programm stellte. So beschwerte sich eine Teilnehmerin einer Reise nach Frankreich 1984: »Wegen der zu erwartenden Schönheiten der ausgeschriebenen Route habe ich bewußt diese Reise im Juni gewählt. Leider wurde[n] ich und die Mehrzahl der älteren Mitreisenden vielseitig enttäuscht, in der Hauptsache durch die Unfähigkeit unseres Busfahrers.« Wegen der fehlenden Ortskenntnisse des Fahrers sei die Reisegruppe um die schönsten Strecken und Ziele gebracht worden – in diese Kritik stimmten auch andere Teilnehmer ein.[69]

Seit den 1970er-Jahren entschied sich vermehrt die erwachsene Kindergeneration für Kriegsgräberreisen. Offenbar wuchs das Bedürfnis, das Grab des Vaters zu besuchen, mit zunehmendem Alter, denn noch 1973 machte die Kindergeneration, wie oben geschildert, nur 5 Prozent der Reisenden aus, obwohl sie bereits in den 1960er-Jahren oder früher erwachsen geworden war. Diese Generation unternahm nicht selten eine organisierte Kriegsgräberfahrt gemeinsam mit der Mutter. Die Reisen erhielten nun mit der intergenerationellen Weitergabe des eigenen Erlebens von Krieg, Verlust und Trauer sowie des gemeinsamen familiären Gedenkens und Trauerns eine neue Funktion. Bei dieser Gelegenheit konnte auch die Deutung des Toten wie der Kriegswitwe als Opfer des Kriegs an die nächste Generation tradiert werden, die für diese Deutung durchaus empfänglich war.[70] Das Bedürfnis der Älteren, die eigene Erinnerung an den Toten innerfamiliär weiterzugeben, konnte sich auch auf weitere Familienangehörige und seit den 1980er-Jahren sogar auf die Enkel erstrecken. Eine Kriegswitwe etwa besuchte das Grab ihres 1941 auf Kreta gefallenen Mannes zwischen 1973 und 1989 viermal und nahm jedes Mal ein anderes Familienmitglied mit – Tochter, Schwiegersohn und zwei Enkel –, um anschließend dem Volksbund zu schreiben: »Nun ist der Kreis geschlossen.«[71] Dafür war offensichtlich der Besuch des Grabes entscheidend. Allein der »authentische« Ort ermöglichte es, die eigenen Gefühle auch für die nachfolgenden Generationen verständlich zu machen. Kriegsgräberreisen schufen folglich eine intergenerationelle Erfahrungsgemeinschaft, die sich im Alltag so nicht herstellen ließ.

Konnten Witwen wegen Krankheit oder fortgeschrittenen Alters das Grab selbst nicht mehr aufsuchen, fuhren manche Kinder an ihrer Stelle, vor allem, wenn es sich um Gräber in Osteuropa handelte, die nach Jahrzehnten erstmals besucht werden konnten. Wenn etwa im September 1993 stellvertretend für eine 81-jährige Kriegswitwe gleich mehrere Familienmitglieder – die Tochter und der Schwiegersohn, der Enkel mit Ehefrau und die zwölfjährige Urenkelin – an einer Volksbundreise zur Einweihung des Soldatenfriedhofs Böhönye in Ungarn teilnahmen, war das keine Ausnahme.[72] Um die quälend lange Ungewissheit zu beenden und mit diesem Abschnitt der Familiengeschichte abzuschließen, übernahmen die erwachsenen Kinder oder Enkel auf individuellen oder organisierten Reisen die Aufgabe, für die ganze Familie zu bezeugen, dass es das Kriegsgrab tatsächlich gab, nicht zuletzt, indem sie es fotografisch dokumentierten.[73]

Die folgenden Bilder und Zitate sind Ausschnitte aus der Dokumentation einer Grabsuche in Lettland durch den Sohn und die Enkelin des Kriegstoten (Bericht von Familie Müller über ihre Lettlandreise 27.07.–31.07.2006, <http://www.kurland-kessel.de>).
»Von hier aus fuhren wir auf der P104 zurück nach ›Vaski‹, wo sich einst der Hauptverbandsplatz befand, in dem mein Vater am 26.12.1944 an seiner schweren Verwundung verstarb.«
»Als wir an der Außenmauer der Kirche noch einen Gedenkstein an die von hier umgebetteten deutschen Soldaten fanden, waren wir überzeugt, den Ort seiner Erstbestattung gefunden zu haben.«
»Dann führte unser Weg weiter über die P108 nach Saldus, wo wir im Zentrum einen Markt besuchten und anschließend zum Soldatenfriedhof weiterfuhren.«
»In einem ausliegenden Buch fanden wir auch die uns vom Internet bekannten Daten über das Grab meines Vaters bestätigt. Also machten wir uns auf die Suche nach diesem Grab. […] Hier verweilten wir dann einige Zeit, verstreuten mitgebrachte Heimaterde und zündeten ein Grablicht an.«

Mit dem rückläufigen Anteil der Kriegsgeneration und wachsendem Zeitabstand zum Krieg gaben die Gruppenreisenden auch ihrer Trauer anders Ausdruck, als stundenlang weinend an den Gräbern zu stehen. Die Kindergeneration, die die Toten oft gar nicht selbst kennengelernt oder keine Erinnerung mehr an sie hatte, bevorzugte kürzere Zeiten stillen Gedenkens an den Gräbern. Entsprechend waren seit Mitte der 1980er-Jahre nur noch zwei Besuche pro Friedhof auf jeder Reise vorgesehen.[74] Doch an der doppelten Rolle der Reisenden als Trauernden und Touristen änderte sich auch in den 1970er- und 1980er-Jahren nichts. Die Kinder- und Enkelgeneration reiste ebenfalls, um zu trauern und zu gedenken; gleichzeitig hatte der Anteil touristischer Elemente an den Reisen zugenommen.

Eine Frau am Grab ihres Vaters auf der Kriegsgräberstätte Oberwölbling (Österreich)
(Stimme und Weg 1/2009, S. 13;
Foto: Maurice Bonkat)

5. Gewandelte Reisepraktiken und -funktionen
seit den 1990er-Jahren

Nach dem Ende der deutschen und europäischen Teilung änderte das Reiseprogramm des Volksbundes erneut seinen Charakter. Seitdem gibt es zahlreiche Angebote für Reisen in osteuropäische Länder, darunter viele kostspielige Flugreisen. Waren die weitaus meisten Fahrten vor 1990 per Bus und Bahn unternommen worden, erforderten die großen Entfernungen in der ehemaligen Sowjetunion und komplizierte Transitvisabestimmungen die Anreise per Flugzeug. Unabhängig von solchen praktischen Zwängen bietet der VDK seit den 1990er-Jahren auch große Rundreisen an, die den Teilnehmenden umfangreiche Einblicke in das jeweilige Land gewähren. Die am stärksten nachgefragten Reisen der 2000er-Jahre waren die neu konzipierten Ostsee- und Flusskreuzfahrten im Baltikum und in Russland. Sie waren vergleichsweise teuer, fanden mitunter sogar ohne VDK-Betreuer statt und hatten von allen Volksbundreisen den stärksten touristischen Charakter. Die jährlichen Reisekataloge des VDK der 2000er-Jahre bildeten auf dem Titelblatt in der Regel Motive ab, die nichts mit Kriegsgräbern oder Gedenken zu tun hatten, die allerdings im Gegensatz zu üblichen Reisekatalogen auch keine typischen Touristenattraktionen waren. Häufig wurden meditative Landschaftsaufnahmen gewählt (s.o., Kap. 4). Damit präsentierte der VDK seine Reisen als »anders«, ohne dass sie noch explizit als Kriegsgräberfahrten erkennbar waren.

Das Durchschnittsalter der Volksbundreisenden ist in den vergangenen 65 Jahren konstant hoch geblieben, doch die Rentnerinnen und Rentner, die nach wie vor den »Prototyp« der Volksbundreisenden darstellen, unterscheiden sich deutlich von denjenigen der 1950er- und 1960er-Jahre. Nie zuvor gab es eine so wohlhabende und reisefreudige Rentnergeneration wie heute. Das spiegelt das Reiseprogramm des VDK wider, das sich den Wünschen und Erwartungen dieser Klientel angepasst hat.

Mit der Öffnung Osteuropas erhielten die Kriegsgräberreisen neue Funktionen für mehrere Gruppen von Reisenden. Die Veteranen der Ostfront des Zweiten Weltkriegs hatten 1990 das Rentenalter erreicht, und etliche trauten sich nun, da solche Fahrten erstmals möglich wurden, nicht mehr zu, sie individuell zu unternehmen. In dieser Situation boten die Volksbundreisen ihnen und anderen, die selbst organisierte Kriegsgräberreisen nach Osteuropa scheuten, eine Möglichkeit, derlei Reisewünsche zu verwirklichen.

Für die Kinder von Soldaten, die in der Sowjetunion gestorben waren, gab es jetzt erstmals die Hoffnung, dass der VDK die Leiche ihres Vaters, den sie nie kennengelernt oder an den sie keine Erinnerung mehr hatten, finden und ein Grab anlegen würde, das sie besuchen könnten. Das Aufsuchen dieses Grabes markierte oft das Ende einer langen biographischen Suche. Erst wenn sie am Grab des Vaters standen, konnten sie ihn einerseits finden, andererseits von ihm Abschied nehmen.[75] Eine Frau, die 1983 an einer Volksbundreise zum Kriegsgefangenenfriedhof in Morschansk in der Sowjetunion teilnahm, beschrieb ihre Gefühle am Grab des Vaters so: »Alles ist gut. Alle die Wünsche, Sehnsüchte nach dem Vater, besonders während der Jugendzeit, die Hoffnung auf sein Wiederkommen – jetzt finden sie ihre Ruhe.«[76] Für die erwachsenen Kinder gefallener Soldaten besaßen Kriegsgräberreisen demnach eine wichtige biographische Funktion. Eventuell kann man auch bei ihnen von einer Erfahrungsgemeinschaft sprechen. Zumindest ist auffällig, dass die individuell nach Osteuropa reisenden Angehörigen der Kindergeneration versuchten, solch eine Erfahrungsgemeinschaft herzustellen, indem sie ihre jeweilige Reise genauestens in Text und Bild dokumentierten und den Bericht im Internet veröffentlichten (ebenfalls eine Neuerung der 2000er-Jahre). Wie für ihre Mütter schien es auch für die Kinder wichtig zu sein, sich als Teil einer Opfer- und Erfahrungsgemeinschaft zu begreifen, einer Gemeinschaft, in der das Trauma der kriegsbedingten Vaterlosigkeit kollektiv bewältigt werden konnte.[77] Diese Reisenden waren folglich wiederum nicht nur Touristen, sondern zugleich Trauernde – und sind es bis heute geblieben, selbst wenn die Anzahl der Friedhofsaufenthalte bei den Volksbundreisen mittlerweile auf nur noch einen Besuch reduziert worden ist.[78]

6. Fazit

Die Funktionen von organisierten Kriegsgräberreisen änderten sich mit dem Wandel der Reiseklientel und wiesen doch zugleich markante Kontinuitäten auf. Auch wenn sich die Reisepraktiken wandelten, sind die Reisen bis heute vorrangig Angehörigenreisen geblieben, die erstens den Angehörigen gefallener Soldaten einen Ort zum Trauern boten. Neben dieser memorierenden Funktion besaßen sie zweitens die soziale Funktion einer Erfahrungsgemeinschaft von Trauernden und Kriegsopfern – zunächst für die Kriegswitwen, später für ihre Kinder und Enkel sowie nicht zuletzt generationenübergreifend. Drittens schließlich ermöglichten sie bestimmten Gruppen touristische Auslandsreisen, die diese nicht allein hätten unternehmen können – in den ersten Nachkriegsjahrzehnten vor allem reiseunerfahrenen Kriegswitwen (nach Westeuropa), seit 1990/91 der gealterten Veteranengeneration (nach Osteuropa). Die Reisen trugen auch dazu bei, das Selbstverständnis als Opfer des Kriegs aufrechtzuerhalten, das alle drei Generationen teilten, das sich aber in je spezifischer Weise äußerte.

Diese mehrfachen Funktionen deutscher Kriegsgräberreisen zeigen, dass eine Klassifikation als Pilgerfahrten, wie sie in der vor allem englischsprachigen Literatur oft vorgenommen wird, unzutreffend wäre. Konzentriert man die Betrachtung nicht allein auf die Momentaufnahme des Verhaltens an den Gräbern, sondern bezieht die gesamte Reise ein, können diejenigen, die sich stundenweise in Gedenken oder Trauer als Betroffene zeigen, auf der restlichen Reise durchaus Touristen sein, ohne dass dadurch ihre Gefühle an den Gräbern geschmälert würden. Wie ich erläutert habe, waren die memorierende und die touristische Funktion der Reisen durch deren soziale Funktion, die Erfahrungsgemeinschaft, sogar miteinander verschränkt; es bestand also keine Dichotomie zwischen Trauer und Tourismus. Vielmehr waren die Reisenden beides zugleich, Trauernde und Touristen. Und sie waren noch mehr: Kriegsopfer, Suchende, Gesprächspartner. Dieses breite Spektrum an Reisepraktiken sowie an Bedeutungen und Funktionen der Reisen hat die Forschung bisher nicht wahrgenommen. Zudem hat der nähere Blick auf die Praktiken der Reisenden gezeigt, dass die Kriegsgräberstätten für unterschiedliche Gruppen von Reisenden unterschiedliche Funktionen besaßen und Raum für unterschiedliche Erfahrungen boten. Bezöge man auch Nicht-Angehörige in die Betrachtung ein, würde sich das Spektrum an Funktionen und Erfahrungen noch erweitern.

In künftigen Forschungen könnte man untersuchen, inwiefern der Kriegsgräbertourismus die jeweiligen, teilweise recht abgelegenen Regionen veränderte und ob sich an manchen Orten eine touristische Infrastruktur entwickelte. Interessant zu erfahren wäre auch, welche Begegnungen und eventuellen Konflikte mit Einheimischen es während der Reisen gab – in Westeuropa besonders in den ersten Nachkriegsjahren, in Osteuropa auf den wenigen Reisen im Kalten Krieg, vor allem aber nach 1990. Ein lohnendes Forschungsprojekt wäre es, die hier untersuchten Reisen mit dem »Heimwehtourismus« von Vertriebenen und deren Angehörigen zu vergleichen.[79] Sehr wahrscheinlich ließen sich bei den Funktionen solcher Reisen durchaus Parallelen entdecken, nicht zuletzt bei der intergenerationellen Weitergabe von Wissen und Emotionen.

Anmerkungen:

[1] David William Lloyd, Battlefield Tourism. Pilgrimage and the Commemoration of the Great War in Britain, Australia and Canada, 1919–1939, Oxford 2003, S. 23ff. – Dieser Aufsatz präsentiert Ergebnisse eines von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Forschungsprojekts, das an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg angesiedelt war.

[2] Lloyd, Battlefield Tourism (Anm. 1), S. 13.

[3] Insa Eschebach, Öffentliches Gedenken. Deutsche Erinnerungskulturen seit der Weimarer Republik, Frankfurt a.M. 2005, S. 35.

[4] Rüdiger Hachtmann, Tourismus-Geschichte, Göttingen 2007, S. 12f.; Orvar Löfgren, On Holiday. A History of Vacationing, Berkeley 1999, S. 262ff.

[5] Lloyd, Battlefield Tourism (Anm. 1); Susanne Brandt, Reklamefahrten zur Hölle oder Pilgerreisen? Schlachtfeldtourismus zur Westfront von 1914 bis heute, in: Tourismus Journal 7 (2003), S. 107-124; George L. Mosse, Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben, Stuttgart 1993, S. 188f.; Eschebach, Öffentliches Gedenken (Anm. 3), S. 35f. Eine Ausnahme bildet Tony Walter, der eingehend diskutiert, inwiefern Kriegsgräberreisende als Pilger oder Touristen zu klassifizieren seien: Tony Walter, War Grave Pilgrimage, in: ders./Ian Reader (Hg.), Pilgrimage in Popular Culture, Houndsmills 1993, S. 63-91.

[6] Etwa Lloyd, Battlefield Tourism (Anm. 1); Brandt, Reklamefahrten (Anm. 5); dies., Vom Kriegsschauplatz zum Gedächtnisraum. Die Westfront 1914–1940, Baden-Baden 2000; Chris Ryan (Hg.), Battlefield Tourism. History, Place and Interpretation, Oxford 2007. Im Englischen spricht man in der Regel von battlefield tourism, auch wenn Kriegsgräber und Gedenkstätten besucht werden.

[7] Vgl. Alexandra Kaiser, Von Helden und Opfern. Eine Geschichte des Volkstrauertags, Frankfurt a.M. 2010.

[8] Das »All-victims-together«-Paradigma ist ein Ausdruck des britischen Literaturwissenschaftlers und Historikers William John Niven, Facing the Nazi Past. United Germany and the Legacy of the Third Reich, London 2002, S. 202. Siehe auch Gerd Knischewski, An Awkward Sense of Grief. German War Remembrance and the Role of the Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, in: Monica Riera/Gavin Schaffer (Hg.), The Lasting War. Society and Identity in Britain, France and Germany after 1945, Basingstoke 2008, S. 100-119, hier S. 110f., S. 115f.

[9] Siehe die Selbstdarstellung des VDK: <http://www.volksbund.de/volksbund.html>. Die Mitgliederzeitschrift ist zu finden unter <http://www.volksbund.de/mediathek/mediathek-uebersicht/#/thema-6/>.

[10] Juliane Haubold-Stolle, Gedenken ohne zu ehren. Diskussion über Erinnerung an Weltkriegssoldaten, in: Frieden. Zeitschrift des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 2/2015, S. 10ff.

[11] VDK, Leitbild, in: Frieden 2/2016, S. 24f., hier S. 24. Das Leitbild wurde seit 2014 von einer Arbeitsgruppe entwickelt, die der damalige Volksbund-Präsident Markus Meckel eingesetzt hatte, und anschließend auf den verschiedenen Ebenen des Verbandes und unter Einbeziehung der Mitglieder diskutiert. Im Laufe der Diskussion wurde die ursprüngliche Formulierung deutlich abgeschwächt. Im Leitbildentwurf hatte es noch geheißen: »Wir erkennen und benennen den Zweiten Weltkrieg als Angriffs- und rassistisch motivierten Vernichtungskrieg, als ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen. Wir beziehen in unser Gedenken an die Toten die Auseinandersetzung mit unserer Verantwortung, mit Ursachen und Folgen der Kriege ein.« Quo vadis Volksbund? Entwurf unseres Leitbildes: Ihre Meinung?, in: Frieden 1/2015, S. 22.

[12] Zahlen nach den Jahresberichten des VDK 1962 bis 1996. Archiv der Bundesgeschäftsstelle des VDK in Kassel (VDKA), A.11-31 bis A.11-35. Diese Statistiken können allerdings keine Repräsentativität beanspruchen. Die Besucher wurden von den Friedhofsbetreuern des VDK gezählt, die es i.d.R. nur auf großen, stark frequentierten Friedhöfe gab. Die Zahlen lassen sich nicht für alle Friedhöfe hochrechnen, weil deren Größe und Erreichbarkeit sehr unterschiedlich ist.

[13] Erst seit Anfang der 1990er-Jahre gab es mit Dietrich Wendlers »Veto Travel Office« in Köln auch einen einzigen nennenswerten kommerziellen Anbieter von Kriegsgräberreisen. Er hatte sich auf Osteuropa spezialisiert und führte auch zahlreiche Osteuropareisen für den Volksbund durch. Mittlerweile existiert dieser Anbieter aber nicht mehr. Die Osteuropareisen des Volksbundes werden heute vom »OST & FERN Reisedienst« in Hamburg abgewickelt: <http://www.ostundfern.de/volksbundreisen.html>.

[14] Flugblatt mit Ankündigung und Programm einer VDK-Reise nach Belgien und Frankreich, 14.–21.8.1932, VDKA C.2-6. Siehe auch VDKA B.3-6, VDKA A.100-folio; Brandt, Kriegsschauplatz (Anm. 6), S. 159ff.; dies., Reklamefahrten (Anm. 5).

[15] Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (Hg.), Bericht des Vorstandes über die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. im Jahre 1973, Kassel 1974, S. 6.

[16] Kriegsgräberfürsorge 26 (1950), S. 69 (Zitat), S. 86, S. 109f. Siehe auch VDKA A.100.6.

[17] Vgl. VDK (Hg.), Deutsche Kriegsgräber in der Sowjetunion. Eine Dokumentation des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (= Kriegsgräberfürsorge – Stimme & Weg 59 [1983], Sonderheft); VDK (Hg.), Menschen, die wir lieben, sind niemals tot (= Stimme & Weg 78 [2002], Sonderheft). Siehe auch Willi Kammerer/Anja Kammerer (Hg.), Deutsche Kriegsgräber in Ost- und Südosteuropa, Kassel 2004, S. 15-26.

[18] Ausführlich dazu: Kammerer/Kammerer, Kriegsgräber (Anm. 17), bes. S. 26ff.; Alexander Bogomolow, Bericht eines Schatzgräbers, in: ebd., S. 29.

[19] Zur Arbeit des Volksbundes in Russland siehe Elfie Siegl, Versöhnung über Gräbern: Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Russland, in: Osteuropa 58 (2008) H. 6, S. 307-316.

[20] Vgl. z.B.: DDR, in: Kriegsgräberfürsorge 45 (1969), S. 34; Die Antwort der DDR – Merkblatt für Besuch von Soldatengräbern in der DDR, in: Kriegsgräberfürsorge 52 (1976), S. 43; Unsere Gräber in der DDR, in: Kriegsgräberfürsorge – Stimme & Weg 65 (1989) H. 1, S. 12f.

[21] Vgl. Kriegsgräberfürsorge 43 (1967), S. 4; Kriegsgräberfürsorge 44 (1968), S. 136-139, S. 148-151; Kriegsgräberfürsorge 45 (1969), S. 174-177; Kriegsgräberfürsorge 47 (1971), S. 16f.

[22] Die Angaben beruhen auf einer Auswertung der regelmäßig in der VDK-Mitgliederzeitschrift veröffentlichten Reiseprogramme. Seit 1952 wurden alle für das jeweilige Jahr geplanten Reisen im ersten oder zweiten Heft des Jahres angekündigt. Bis 1968 erschien die Zeitschrift monatlich, 1969–1971 achtmal, 1972/73 sechsmal im Jahr, seit 1974 vierteljährlich und seit 2013 halbjährlich. Sie wechselte dreimal ihren Namen. 1921–1982 hieß sie Kriegsgräberfürsorge, 1983–1991 Kriegsgräberfürsorge – Stimme & Weg, 1992–2012 Stimme & Weg – Arbeit für den Frieden, seit 2013 Frieden.

[23]Die Deutsche Bundesbahn gewährte bis in die 1990er-Jahre hinein Fahrpreisermäßigungen für Kriegsgräberreisen, auch für individuell unternommene.

[24] VDKA A.100-455 – A.100-459. Sie hatten ein großes Medienecho; siehe VDKA A.100-478.

[25] Vgl. Stimme & Weg 58 (1982) H. 3, S. 6f.

[26] Siehe die Dokumentation in Kammerer/Kammerer, Kriegsgräber (Anm. 17), und die laufende Berichterstattung in der Mitgliederzeitschrift Frieden.

[27] Angabe des VDK auf seiner Homepage: <http://www.volksbund.de/volksbund.html>.

[28] Das ergab eine Auszählung des Angebots in den jährlich von der VDK-Geschäftsstelle herausgegebenen Reiseprogrammen.

[29] Das Bild kontinuierlich zurückgehender Reise- und Teilnehmerzahlen relativiert sich allerdings, wenn man neben den Reisen des Bundesverbands die von den Landesverbänden angebotenen Kriegsgräberfahrten einbezieht, über die die VDK-Bundesgeschäftsstelle seit 1990 Buch führt. Zwischen 1990 und 2008 nahmen durchschnittlich 3.750 Personen an 108 Reisen der 16 Landesverbände teil – das waren mehr als zweieinhalbmal so viele Reisende und Fahrten wie bei den Bundesverbandsreisen desselben Zeitraums (durchschnittlich 1.408 Teilnehmer an 42 Reisen pro Jahr). Bei den Landesverbandsreisen ist kein eindeutiger Entwicklungstrend oder gar Rückgang zu beobachten. Vielmehr schwankten die Zahlen stark, da auch das Reiseangebot erheblich variierte. Betrachtet man die Bundes- und Landesverbandsstatistiken zusammen, sind die Teilnehmerzahlen der Volksbundreisen seit den 1990er-Jahren ähnlich hoch wie in den 1960er-Jahren, die Anzahl der Reisen sogar so hoch wie nie zuvor. Solange allerdings nicht untersucht ist, in welchem Umfang die Landesverbände vor 1990 eigene Reisen anboten, ist nicht auszuschließen, dass durch das Einbeziehen der verfügbaren Landesverbandsstatistiken ein verzerrtes Bild entsteht.

[30] VDK, Arbeitsbilanz 2015, S. 11, Beilage in: Frieden 1/2016.

[31] Angabe auf der Grundlage der Auswertung einer Stichprobe von zehn VDK-Reisen der 1960er-Jahre. Vgl. auch zeitgenössische Reiseberichte, z.B.: Echo einer Angehörigenreise, in: Kriegsgräberfürsorge 39 (1963), S. 36f.

[32] Ebd.

[33] VDK, Jahresbericht 1973 (Anm. 15), S. 9; VDK (Hg.), Bericht des Vorstandes über die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. im Jahre 1978, Kassel 1979, S. 13.

[34] VDK, Jahresbericht 1973 (Anm. 15), S. 9.

[35] Interview mit Karla Hope-Gregory, Leiterin des Referats Reisen des VDK, Kassel, 1985–2002, am 2.2.2010; Interview mit Lothar Bauer, Leiter des Referats Reisen des VDK, Kassel, seit 2005, am 3.2.2010.

[36] VDK (Hg.), Arbeitsbericht für den Vertretertag 1957, Kassel 1957, S. 21; VDK, Jahresbericht 1973 (Anm. 15), S. 9.

[37] Interview Hope-Gregory (Anm. 35).

[38] Das ergab die Auswertung der Teilnehmerlisten einer Stichprobe von 25 VDK-Reisen der 1960er-, 1980er- und 1990er-Jahre. Die Reiseunterlagen der 1970er-Jahre sind im VDK-Archiv nicht mehr vorhanden.

[39] VDK, Jahresbericht 1973 (Anm. 15), S. 9.

[40] Ebd.

[41] Das ergab die Auswertung der Teilnehmerlisten einer Stichprobe von 15 VDK-Reisen der 1980er- und 1990er-Jahre.

[42] Interview Bauer (Anm. 35).

[43] Vgl. neuerdings etwa Sina Fabian, Massentourismus und Individualität. Pauschalurlaube westdeutscher Reisender in Spanien während der 1970er- und 1980er-Jahre, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 13 (2016), S. 61-85; dies., Boom in der Krise. Konsum, Tourismus, Autofahren in Westdeutschland und Großbritannien 1970–1990, Göttingen 2016.

[44] Dagegen stand die Symbolsprache vieler VDK-Friedhöfe der Zwischenkriegszeit im Zeichen von Heldenverehrung und dem Anspruch deutscher Hegemonie. Siehe Christian Fuhrmeister, Der Volksbund Deutsche Kriegsfürsorge im 20. und 21. Jahrhundert. Bemerkungen aus Sicht der politischen Ikonographie, in: Ellen Ueberschär (Hg.), Soldaten und andere Opfer? Die Täter-Opfer-Problematik in der deutschen Erinnerungskultur und das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, Rehburg-Loccum 2007, S. 45-66.

[45] Interview Hope-Gregory (Anm. 35).

[46] Ebd. Vgl. auch die Schilderung von Maria Häffner, Der gemeinsame Weg von 2000 Angehörigen zum ersten deutschen Soldatenfriedhof in Sandweiler – Luxemburg. Den Toten des Krieges zum Gedenken, Den Lebenden zur Mahnung!, Gelnhausen 1955, bes. S. 13.

[47] Interview Hope-Gregory (Anm. 35).

[48] Häffner, Weg (Anm. 46), S. 6f., S. 14; Dorle Ochßner, Geschichte einer Kriegswitwe, 2003, URL: <http://www.kurland-kessel.de>, o.S. Die Volksbundarbeit steht bis heute unter dem Motto »Trauer braucht einen Ort«: <http://www.trauer-braucht-einen-ort.de>.

[49] Mündliche Information von Karla Hope-Gregory, Kassel, am 5.3.2010; Maria Bühner, Wirtshausgeschichten aus Steinbach-Hallenberg. Teil 2, Steinbach-Hallenberg 2000, S. 111; Wendelin Müller, Bericht von Familie Müller über ihre Lettlandreise 27.07.–31.07.2006, URL: <http://www.kurland-kessel.de>, o.S.

[50] Echo (Anm. 31), S. 37; Sigrid Jusse, In mir ist nichts als Freude, in: Kammerer/Kammerer, Kriegsgräber (Anm. 17), S. 20f., hier S. 21; Richard Wagner, El Alamein. Bericht einer unvergeßlichen Reise, in: Kriegsgräberfürsorge 35 (1959), S. 115-123, hier S. 120.

[51] Bühner, Wirtshausgeschichten (Anm. 49), S. 111, S. 113. Die Praktiken des Mitbringens heimischer Erde ans Grab und des Mitnehmens von Graberde nach Hause beschreibt auch Lloyd für Angehörige britischer Soldaten des Ersten Weltkriegs: Lloyd, Battlefield Tourism (Anm. 1), S. 146.

[52] Z.B. Barbara Duppich, Ein kleines Stück ihrer selbst. Angehörigenreise nach Litauen, in: Stimme & Weg 85 (2009) H. 4, S. 9; Echo (Anm. 31); Häffner, Weg (Anm. 46).

[53] Das zeigen viele Briefe an den Volksbund, z.B. von 1984 in VDKA A.100-474. Siehe auch Kammerer/Kammerer, Kriegsgräber (Anm. 17), S. 46.

[54] Interview Hope-Gregory (Anm. 35).

[55] Kriegsgräberreisen 1955, in: Kriegsgräberfürsorge 31 (1955), S. 24.

[56] Kriegsgräberfahrten 1951, in: Kriegsgräberfürsorge 27 (1951), S. 32f.

[57] Z.B. Kriegsgräberfahrten 1956 des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, in: Kriegsgräberfürsorge 32 (1956) H. 2, o.S.

[58] Zur Logik der Pauschalreise: Christopher Kopper, Kundenvertrauen und Pauschalreise. Aspekte der Veranstaltertouristik in West-Deutschland, in: Wiebke Kolbe/Christian Noack/Hasso Spode (Hg.), Tourismusgeschichte(n), München 2009, S. 118-128, bes. S. 122; ders., Die Reise als Ware. Die Bedeutung der Pauschalreise für den westdeutschen Massentourismus nach 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 4 (2007), S. 61-83.

[59] Vgl. Hachtmann, Tourismus-Geschichte (Anm. 4), S. 118ff.

[60] Mitte der 1960er-Jahre überrundete das Auto die Bahn als Verkehrsmittel bundesdeutscher Urlauber. Vgl. Hachtmann, Tourismus-Geschichte (Anm. 4), S. 166. Zur Lebenssituation von Kriegswitwen: Anna Schnädelbach, Kriegerwitwen. Lebensbewältigung zwischen Arbeit und Familie in Westdeutschland nach 1945, Frankfurt a.M. 2009.

[61] Vgl. Till Manning, »Behüt uns Gott vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Ausland sind!« Anspruchsdenken und Konsumverhalten als Reisestil, in: Kolbe/Noack/Spode, Tourismusgeschichte(n) (Anm. 58), S. 98-109; ders., Die Italiengeneration. Stilbildung durch Massentourismus in den 1950er und 1960er Jahren, Göttingen 2011; Cord Pagenstecher, »Pixi geht wie ein Sofa über die Prachtstraße.« Das Auto im deutschen Tourismus der Nachkriegszeit, in: Johannes Moser/Daniella Seidl (Hg.), Dinge auf Reisen. Materielle Kultur und Tourismus, Münster 2009, S. 263-280.

[62] Konrad Köstlin, Krieg als Reise, in: Margit Berwing/Konrad Köstlin (Hg.), Reise-Fieber. Begleitheft zur Ausstellung des Lehrstuhls für Volkskunde der Universität Regensburg, Regensburg 1984, S. 100-114; ders., Erzählen vom Krieg. Krieg als Reise II, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 2 (1989), S. 173-182; Burkhart Lauterbach, Kulturwissenschaftliche Bilder vom Krieg als Reise, in: Christoph Köck (Hg.), Reisebilder. Produktion und Reproduktion touristischer Wahrnehmung, Münster 2001, S. 67-78; Henning Eichberg, »Join the army and see the world«, in: Dieter Kramer/Ronald Lutz (Hg.), Reisen und Alltag. Beiträge zur kulturwissenschaftlichen Tourismusforschung, Frankfurt a.M. 1992, S. 207-228; Richard White, The Soldier as Tourist. The Australian Experience of the Great War, in: War & Society 5 (1987) H. 1, S. 63-77.

[63] Ebba D. Drolshagen, »Reisebüro Wehrmacht«. Deutsche in Norwegen zwischen 1940 und 1945, in: Sonja Kinzler/Doris Tillmann (Hg.), Nordlandreise. Die Geschichte einer touristischen Entdeckung, Hamburg 2010, S. 208-215; Peter Jahn/Ulrike Schmiegelt (Hg.), Foto-Feldpost. Geknipste Kriegserlebnisse 1939–1945, Berlin 2000.

[64] Dass Kriegsgräberstätten auf Urlaubsreisen besucht wurden, zeigen zum einen die Berichte der Friedhofsbetreuer, zum anderen zahlreiche in der Volksbundzeitschrift veröffentlichte Leserbriefe. Aus etwas anderer Perspektive dazu auch: Alon Confino, Dissonance, Normality and the Historical Method. Why did some Germans Think of Tourism after May 8, 1945?, in: Richard Bessel/Dirk Schumann (Hg.), Life after Death. Approaches to a Cultural and Social History of Europe during the 1940s and 1950s, Cambridge 2003, S. 323-347.

[65] Vgl. Eschebach, Öffentliches Gedenken (Anm. 3), S. 60ff., S. 93, S. 102f.; Lloyd, Battlefield Tourism (Anm. 1), S. 140ff. Diese Heiligkeit ist Tony Walter zufolge, der Kriterien für die Klassifikation Reisender als Pilger oder Touristen aufgestellt hat, ein wesentliches Kriterium für die Definition als Pilger: Walter, War Grave Pilgrimage (Anm. 5), S. 86.

[66] So die Formulierung des VDK-Reisebegleiters in seinem Bericht über eine Reise nach Bordj-Cedria, Tunesien, 13.–20.11.1993, VDKA A.100-801.

[67] Mit uns 1972 zu den deutschen Soldatenfriedhöfen im Ausland, in: Kriegsgräberfürsorge 48 (1972) H. 1, S. 19-22, hier S. 19.

[68] Zahlen zur Urlaubsreise-Intensität nach Christine Keitz, Reisen als Leitbild. Die Entstehung des modernen Massentourismus in Deutschland, München 1997, S. 336. Zum Anteil der Auslandsreisen siehe Kopper, Reise als Ware (Anm. 58), S. 71ff.

[69] Brief vom 29.7.1984 an den VDK, in: Dagneux/Frankreich 16.6.–22.6.1984, VDKA A.100-474. Zwei weitere Beschwerdebriefe ebd.

[70] Noch in den 1990er-Jahren bestanden zwei Drittel aller Erzählungen im Kontext einer groß angelegten Studie, die die intergenerationelle Kommunikation über die Zeit des Nationalsozialismus erforschte, aus Opfer- oder Heldengeschichten, die von allen drei Generationen getragen wurden – der Kriegs-, der Kinder- und der Enkelgeneration. Siehe Harald Welzer/Sabine Moller/Karoline Tschuggnall, »Opa war kein Nazi«. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt a.M. 2002, S. 54.

[71] Lina Götsch, Kreis geschlossen, in: Stimme & Weg 66 (1990) H. 1, S. 2. Diese Formulierung findet sich im Übrigen häufig. Siehe z.B. auch Gerhard Hahn, Nach 48 Jahren hat sich der Kreis geschlossen, in: Stimme & Weg 69 (1993) H. 3, S. 29.

[72] Laut Anmeldeunterlagen und Erläuterungsbrief der Ehefrau des Enkels vom 30.8.1993, VDKA A.100-802.

[73] Siehe z.B. Müller, Bericht (Anm. 49); Jasmin Lenz, Bericht der Familien Lenz & Weiß über ihre Lettlandreise 23.06.–27.06.2008; Michael Molter, Eine Reise in die Vergangenheit. Die Suche nach dem Grab meines Großvaters, 2001. Alle: <http://www.kurland-kessel.de>.

[74] Interview Hope-Gregory (Anm. 35).

[75] Vgl. Duppich, Ein kleines Stück (Anm. 52). Vgl. auch die Reiseberichte auf <http://www.kurland-kessel.de>.

[76] Jusse, Freude (Anm. 50), S. 21.

[77] Ein Viertel aller deutschen Kinder und Jugendlichen (3,7 Mio.) hatte in den beiden Weltkriegen den Vater verloren. Zu den kollektiven Erfahrungen dieser Gruppe siehe Lu Seegers, »Vati blieb im Krieg«. Vaterlosigkeit als generationelle Erfahrung im 20. Jahrhundert – Deutschland und Polen, Göttingen 2013 (Zahlenangabe S. 88).

[78] Vgl. Interview Bauer (Anm. 35).

[79] Siehe dazu: Corinna Felsch, Reisen in die Vergangenheit? Westdeutsche Fahrten nach Polen 1970 bis 1990, Berlin 2015, S. 153-260; Anja Peleikis, Reisen in die Vergangenheit. Deutsche Heimattouristen auf der Kurischen Nehrung, in: Kolbe/Noack/Spode, Tourismusgeschichte(n) (Anm. 58), S. 85-97, die teilweise ähnliche Fragen behandelt.

 

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